Antrag: Nordostring aus dem Ausbaugesetz streichen!

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stuttgart-willy-brandt-strasse-ri-neckartor22.11.2016

Alle Argumente sprechen gegen den Nordostring Stuttgart!

Der Nord­ost­ring ist einer der größ­ten Quatsch­pro­jek­te im Bun­des­ver­kehrs­we­ge­plan und im Ent­wurf des Fern­stra­ßen­aus­bau­ge­set­zes. Das Land will die Stra­ße nicht und auch die Lan­des­haupt­stadt sieht dar­in kei­ne Lösung drän­gen­der Ver­kehrs­pro­ble­me. Selbst die Bun­des­re­gie­rung geht nicht davon aus, dass die­se auto­bahn­ähn­li­che Stra­ße für Stutt­gart eine Ent­las­tung bringt. Und ein Sach­ver­stän­di­ger in einer Anhö­rung des Bun­des­tags-Ver­kehrs­aus­schus­ses geht gar davon aus, dass der Nord­ost­ring Bus­se und Bah­nen kan­ni­ba­li­siert (sie­he Pro­to­koll­aus­zug unten).  Es gibt also kein über­zeu­gen­des Argu­ment für die Pla­nung und den Bau des Nord­ost­rings.

Daher haben wir bean­tragt, das Stra­ßen­pro­jekt kom­plett aus dem Gesetz zu strei­chen. Die Abstim­mung des Antra­ges erfolgt am Mitt­woch, 23.11.2016. Aus der Begrün­dung unse­res Antra­ges gehen wei­te­re gute Argu­men­te für die Strei­chung her­vor:

“Obwohl es sich nicht um eine groß­räu­mig bedeut­sa­me Stra­ßen­ver­bin­dung (sie­he PRINS unter: http://bvwp-projekte.de/strasse/B29-G990-BW/B29-G990-BW.html) han­delt, ist eine 4‑streifige Bun­des­stra­ße, die vom Erschei­nungs­bild und der Funk­tio­na­li­tät einer Auto­bahn ähnelt, geplant. Eine Ent­las­tungs­wir­kung der stau­ge­plag­ten Stutt­gar­ter Innen­stadt ist durch das über 200 Mil­lio­nen Euro teu­re Pro­jekt nach Anga­ben der Bun­des­re­gie­rung ent­ge­gen frü­he­rer Äuße­run­gen jedoch gar nicht vor­ge­se­hen. Dar­über hin­aus wur­de in der öffent­li­chen Anhö­rung zu dem hier behan­del­ten Geset­zes­ent­wurf vom Sach­ver­stän­di­gen geäu­ßert, dass durch den Bau sol­cher Ring­stra­ßen, wie bei dem Pro­jekt NO-Ring Stutt­gart, um Städ­te her­um, klar die „Gefahr [besteht], dass Ver­la­ge­rungs­ef­fek­te zu Las­ten des Umwelt­ver­bun­des in der Regi­on pas­sie­ren, die ohne­hin schon ein sehr hohe Kfz-Ver­kehrs­auf­kom­men hat, wo also in den ent­spre­chen­den Zu- und Nach­lauf­stre­cken und in der Regi­on ins­ge­samt zusätz­li­cher Kfz-Ver­kehr geschaf­fen wird, der andern­orts für Pro­ble­me sorgt. Groß­räu­mi­ge Bedeu­tung haben wir in der Regel in sol­chen Berei­chen nicht, und von daher sehe ich das sehr kri­tisch, dort sol­che Tras­sen zu ent­wi­ckeln, da es im Gegen­teil zu höhe­ren Belas­tun­gen kommt, da Ver­kehr vom ÖPNV zurück auf das Auto ver­la­gert wird.“ (s. Pro­to­koll 18/87 des Aus­schus­ses für Ver­kehr und digi­ta­le Infra­struk­tur des Deut­schen Bun­des­ta­ges). Somit wäre das Pro­jekt vor dem Hin­ter­grund einer her­bei­zu­füh­ren­den Ver­kehrs­wen­de und der Ent­las­tung der Stutt­gar­ter Innen­stadt vom Auto­ver­kehr mit­samt all sei­ner nega­ti­ven Aus­wir­kun­gen sogar kon­tra­pro­duk­tiv und wür­de statt­des­sen zu einer stär­ke­ren Belas­tung füh­ren. „Eine auf das durch den Neu­bau des Nord­ost­rings Stutt­gart beein­fluss­te Stra­ßen­netz von Stutt­gart aus­ge­leg­te ver­kehr­li­che Unter­su­chung“ (vgl. Bun­des­tags­druck­sa­che 18/8584) liegt der Bun­des­re­gie­rung nicht vor Eine Beur­tei­lung der Aus­wir­kun­gen hin­sicht­lich einem Anstieg der Abgas­be­las­tung müs­sen nach Auf­fas­sung der Bun­des­re­gie­rung den nach­fol­gen­den Pla­nungs­stu­fen vor­be­hal­ten blei­ben (vgl. ebd.). Bereits beim alten Bun­des­ver­kehrs­we­ge­plan 2003 wur­de fest­ge­stellt, dass „sehr hohe Umwelt­ri­si­ken zu erwar­ten sind“ (s. a. Bun­des­tags­druck­sa­che 18/7013). Obwohl wei­ter­hin meh­re­re Natur­schutz­ge­bie­te und ein Land­schafts­schutz­ge­biet in der Wirk­zo­ne lie­gen und erheb­li­che Beein­träch­ti­gun­gen nicht aus­ge­schlos­sen wer­den kön­nen, soll das Pro­jekt jetzt nur noch eine mitt­le­re Umwelt­be­trof­fen­heit auf­wei­sen. Das Pro­jekt ist kei­nes der ca. 2.300 von den Bun­des­län­dern ursprüng­lich ange­mel­de­ten Pro­jek­te, son­dern wur­de vom Bun­des­ver­kehrs­mi­nis­te­ri­um nach­ge­for­dert (vgl. BT-Druck­sa­che 18/6516). Auch die Lan­des­re­gie­rung und die meis­ten direkt betrof­fe­nen Städ­te (Stutt­gart, Fell­bach, Korn­west­heim) leh­nen das Pro­jekt ab.”

 

Und hier der ent­spre­chen­de Aus­zug aus dem Pro­to­koll der öffent­li­chen Anhö­rung des Ver­kehrs­aus­schus­ses am 09.11.2016:

Abg. Mat­thi­as Gastel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Beim Stich­wort Umge­hungs­stra­ße set­ze ich auch mit mei­ner Fra­ge an Sie, Herr Schö­ne­feld, an. Und zwar lau­tet die Fra­ge, die ich Ihnen stel­le: inwie­fern hal­ten Sie den Bau von Ring­stra­ßen um Städ­te mit einem aus­ge­wie­sen sehr stark aus­ge­präg­ten Quell- und Ziel­ver­kehr zur Ent­las­tung der Innen­stadt für ver­kehr­lich sinn­voll und not­wen­dig? Exem­pla­risch geht es um den Nord­ost­ring Stutt­gart oder auch um einen zwei­ten Teil­ring um Mün­chen, die im Bun­des­ver­kehrs­we­ge­plan ent­spre­chend vor­ge­schla­gen sind. Bezüg­lich des Nord­ost­rings Stutt­gart gab es eine inter­es­san­te Aus­sa­ge vom 25. Okto­ber 2016 im Ver­kehrs­aus­schuss. Da hat näm­lich Herr Staats­se­kre­tär Barth­le gesagt, „es wird nicht dar­um gehen, mit wel­chen Maß­nah­men wir die Stau­stadt Num­mer 1 der gan­zen Repu­blik, näm­lich Stutt­gart, von Ver­kehr ent­las­ten, son­dern die Fra­ge wird sein, wie wir den zuneh­men­den Ver­kehr bewäl­ti­gen kön­nen“ – Zitat Ende. Des­we­gen die Bit­te oder die Fra­ge an Sie, wie bewer­ten Sie die Sinn­haf­tig­keit sol­cher Pro­jek­te? Zwei sol­cher Pro­jek­te habe ich exem­pla­risch genannt. Passt das über­haupt noch in die heu­ti­ge Zeit?

Vor­sit­zen­der: Herr Schö­ne­feld, für bei­de Fra­gen,

bit­te­schön!

Tobi­as Schö­ne­feld (SVU Dres­den): Ich habe es eben schon kurz ange­spro­chen. Wenn wir uns mit den Orts­um­ge­hun­gen beschäf­ti­gen, stel­len wir fest, dass häu­fig eine Über­schät­zung von Durch­gangs­ver­kehrs­an­tei­len vor­liegt, die sich dann auch in der Wirk­sam­keit der Tras­sen nie­der­schlägt. Frau Lei­dig hat­te vor­hin auf unse­re Aus­füh­run­gen in der Stel­lung­nah­me zu einer Unter­su­chung kon­kre­ter Pro­jek­te ver­wie­sen. Dabei han­delt es sich also um Pro­jek­te, die schon rea­li­siert sind, sodass die Pro­gno­sen mit den kon­kre­ten Zah­len der tat­säch­li­chen Bele­gung ver­gli­chen wer­den konn­ten. Es han­delt sich um Unter­su­chun­gen, die von der TU Dres­den für das Land Sach­sen für die Bun­des­stra­ßen durch­ge­führt wur­den, für Auto­bah­nen, aber auch für die Staats­stra­ßen und für inner­ört­li­che Stra­ßen. Hier wur­de kon­sta­tiert, dass die Über­schät­zung eher die Regel als die Aus­nah­me dar­stellt, was die Pro­gno­se­be­las­tun­gen für die Aus­bau­maß­nah­men im Land Sach­sen betraf. Bei den Bun­des­stra­ßen wur­de im Durch­schnitt um 42 Pro­zent des Ver­kehrs­auf­kom­mens, bei den Auto­bah­nen im Mit­tel um 29 Pro­zent über­schätzt. Das sind schon Grö­ßen­ord­nun­gen, die eine Rol­le spie­len, und die sich aus einer unter­schied­li­chen Ein­schät­zung der ent­spre­chen­den Ver­kehrs­zu­sam­men­set­zung ablei­ten. Effek­tiv ist es immer, vor Ort zu wis­sen, wel­chen Durch­gangs­ver­kehrs­an­teil ich habe. Bei klei­nen Ort­schaf­ten gibt es natür­lich ein sehr hohes Durch­gangs­ver­kehrs­auf­kom­men. Die Effek­ti­vi­tät von Orts­um­ge­hun­gen hängt auch von der Grö­ße der Stadt ab. Je grö­ßer die Stadt wird, umso schwie­ri­ger wird es. Denn dann muss ich auch Quell‑, Ziel- und Durch­gangs­ver­keh­re auf die Tras­se bün­deln, um tat­säch­lich einen Effekt zu bekom­men. Lei­der ist es häu­fig so, dass die Tras­sen dafür zu weit ent­fernt lie­gen. In klas­si­schen Mit­tel- und Klein­städ­ten haben wir einen Durch­gangs­ver­kehrs­an­teil von ca. 10–15 Pro­zent. Das ist ver­gli­chen mit den ande­ren Ver­kehrs­auf­kom­men nicht beson­ders viel. Das wird sicher­lich von der Bevöl­ke­rung etwas anders wahr­ge­nom­men, ist aber sta­tis­tisch nicht belegt. Als zwei­ten wich­ti­gen Punkt haben Sie ange­spro­chen, wie mit Alt­tras­sen umge­gan­gen wird. Die spie­len in den Kos­ten­an­sät­zen kei­ne Rol­le, aber um eine effek­ti­ve Wir­kung auch für die Umge­hungstras­sen zu haben, benö­ti­ge ich eine Redu­zie­rung, eine Anpas­sung in den Orts­la­gen sel­ber. Das ist so, wie wenn Sie eine Was­ser­lei­tung haben und eine Par­al­lel­lei­tung bau­en. Wenn Sie die Ursprungs­lei­tung genau­so groß las­sen, dann kann es Ihnen sogar pas­sie­ren, dass in der Ursprungs­lei­tung die zusätz­li­chen Frei­heits­gra­de durch zusätz­li­che Ver­keh­re genutzt wer­den.

In einem Bei­spiel, wo nach Frei­ga­be der Orts­um­ge­hung nicht der kom­plet­te Ver­kehr aus der Orts­la­ge her­aus­ver­la­gert wur­de, son­dern nur etwa die Hälf­te, weil die Ver­bin­dung wei­ter­hin die Kür­ze­re war, war der Zeit­un­ter­schied zwi­schen Orts­um­ge­hung und Alt­tras­se etwa gleich. Und in einem sol­chen Fall sind zusätz­li­che Maß­nah­men not­wen­dig, um tat­säch­lich die Effek­te zu errei­chen. Die soll­ten dann bit­te auch über die Aus­bau­maß­nah­me mit auf­ge­wen­det und von vorn­her­ein mit ein­be­zo­gen wer­den.

Zu Ihren Fra­gen, Herr Gastel, was die Schaf­fung von Ring­stra­ßen angeht, bzw. spe­zi­ell zu den Bei­spie­len, die Sie genannt haben: Das Mün­che­ner Bei­spiel habe ich nicht so gut im Blick, mit Stutt­gart haben wir uns nicht inten­siv beschäf­tigt, aber ich ken­ne die Situa­ti­on vor Ort ein biss­chen und ich sehe ganz klar die Gefahr, dass Ver­la­ge­rungs­ef­fek­te zu Las­ten des Umwelt­ver­bun­des in der Regi­on pas­sie­ren, die ohne­hin schon ein sehr hohe Kfz-Ver­kehrs­auf­kom­men hat, wo also in den ent­spre­chen­den Zu- und Nach­lauf­stre­cken und in der Regi­on ins­ge­samt zusätz­li­cher Kfz-Ver­kehr geschaf­fen wird, der andern­orts für Pro­ble­me sorgt. Groß­räu­mi­ge Bedeu­tung haben wir in der Regel in sol­chen Berei­chen nicht, und von daher sehe ich das sehr kri­tisch, dort sol­che Tras­sen zu ent­wi­ckeln.