Bericht vom Thementag „Flüchtlinge unter uns“

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22.10.2015

Flüchtlingsunterkunft KirchheimMei­nen jüngs­ten The­men­tag wid­me­te ich der Flücht­lings­the­ma­tik. Wie bewäl­ti­gen die Kom­mu­nen die Unter­brin­gung? Was kann das Ehren­amt leis­ten? Wel­che Hil­fen benö­ti­gen die Flücht­lin­ge, wel­che erhal­ten sie? Was sind die Erwar­tun­gen der Betei­lig­ten an die Poli­tik?

Eigent­lich hät­te der The­men­tag mit dem Besuch einer Flücht­lings­un­ter­kunft im Land­kreis Böb­lin­gen begin­nen sol­len. Doch kurz­fris­tig wur­den mir (und damit auch einem Land­tags­ab­ge­ord­ne­ten und einer Land­tags­kan­di­da­tin und wei­te­ren Per­so­nen) sei­tens des Land­rats­am­tes der Zugang ver­wei­gert. Begrün­dung: Es sei Wahl­kampf­zeit und dann gel­te eine Neu­tra­li­täts­pflicht sei­tens der Kreis­ver­wal­tung.

So begann der The­men­tag mit einem Gespräch bei Refu­gio in Stutt­gart. Refu­gio berät in Stutt­gart und Tübin­gen trau­ma­ti­sier­te Flücht­lin­ge. Das Ein­zugs­ge­biet der Kli­en­tIn­nen reicht von Bad Mer­gen­theim bis Sig­ma­rin­gen. Der die Ein­rich­tung tra­gen­de Ver­ein besteht seit 14 Jah­ren und beschäf­tigt Sozi­al­päd­ago­gIn­nen, Psy­cho­lo­gIn­nen und Psy­ho­the­ra­peu­tIn­nen auf umge­rech­net etwa sechs Voll­zeit­stel­len. Ein Groß­teil der Finan­zie­rung erfolgt aus EU-Mit­teln, die aller­dings mit einem hohen büro­kra­ti­schen Auf­wand ver­bun­den sind. Die Flücht­lin­ge kom­men in die Bera­tung, weil sie ihnen ent­we­der von Betreu­ungs­kräf­ten oder Ärz­ten emp­foh­len wur­de. Die Bera­tun­gen oder The­ra­pien sind sehr zeit­in­ten­siv. Dies hat vie­le Grün­de: Meist müs­sen Dol­met­scher ein­ge­schal­tet wer­den und häu­fig bestehen auch kul­tu­rel­le Hür­den, die den Auf­bau des not­wen­di­gen Ver­trau­ens­ver­hält­nis­ses und die Aus­wahl der ziel­füh­ren­den Metho­dik erschwe­ren. Letz­te­res erfor­dert von den The­ra­peu­tin­nen ein Los­lö­sen von her­kömm­li­chen The­ra­pie­an­sät­zen und erfor­dert eine gro­ße Offen­heit für die Metho­dik. Die Kli­en­ten kom­men etwa alle zwei bis drei Wochen in die Bera­tung bzw. The­ra­pie. Vie­le von ihnen kom­men mit belas­ten­den Kriegs­er­leb­nis­sen, haben Nahe­ste­hen­de ver­lo­ren oder lei­den unter den Fol­gen von Fol­ter. Die War­te­zeit für Neu­an­ge­mel­de­te liegt bei bis zu sechs Mona­ten. Um in drin­gen­den Fäl­len auch künf­tig sofort einen Ter­min anbie­ten zu kön­nen, soll­te die Finan­zie­rung der Bera­tungs­stel­le auf eine ver­läss­li­che Grund­la­ge gestellt wer­den.

Mein zwei­ter und aus dem oben genann­ten Grund auch schon letz­ter Ter­min war in Kirch­heim unter Teck. Dort besuch­te ich zusam­men mit Andre­as Schwarz (MdL) und zwei grü­nen Kom­mu­nal­po­li­ti­ke­rin­nen die pro­vi­so­ri­sche Not­un­ter­kunft in der Sport­hal­le der Berufs­schu­le. Die­se bie­tet 280 Flücht­lin­gen eine vor­läu­fi­ge Blei­be. Die meis­ten der Flücht­lin­ge kom­men aus Syri­en, gefolgt von Paki­stan. Rund die Hälf­te von ihnen hat bereits ihren Asyl­an­trag gestellt. Das Essen wird vom benach­bar­ten Kran­ken­haus ange­lie­fert. Die Flücht­lin­ge bekom­men die Kos­ten fürs Essen von ihrem „Taschen­geld“ abge­zo­gen. In Gesprä­chen mit zahl­rei­chen Flücht­lin­gen sowie mit haupt- und ehren­amt­li­chen Betreu­ungs­kräf­ten haben wir uns über die Situa­ti­on erkun­digt. Vie­le der Flücht­lin­ge spre­chen Eng­lisch. Eini­ge haben in den weni­gen Mona­ten, die sie bereits in Deutsch­land leben, so gut Deutsch gelernt, dass so man­cher Dia­log auch auf Deutsch mög­lich war. Das Pro­vi­so­ri­um in der Sport­hal­le unter­schei­det sich von regu­lä­ren Unter­künf­ten durch die Dich­te der Bele­gung und die Tat­sa­che, dass dort sehr vie­les impro­vi­siert wer­den muss. So muss­ten bei­spiels­wei­se Essens­zel­te auf­ge­baut wer­den und die Wäsche wird von Ehren­amt­li­chen zuhau­se gewa­schen, weil es kei­nen geeig­ne­ten Platz für Wasch­ma­schi­nen gibt. Eine haupt­amt­li­che Betreu­ungs­kraft ist für 100 Flücht­lin­ge zustän­dig. Momen­tan sind noch nicht alle Stel­len besetzt. Hin­zu kommt eine erfreu­lich hohe Anzahl von Ehren­amt­li­chen, deren Zahl im Stadt­ge­biet auf 100 geschätzt wird. Sie bie­ten bei­spiels­wei­se Sprach­kur­se, aber auch Frei­zeit­an­ge­bo­te und Unter­stüt­zung bei der Woh­nungs­su­che, an. Bei den Ehren­amt­li­chen haben wir uns aus­drück­lich für ihr wich­ti­ges Enga­ge­ment bedankt.