Das Interesse an E‑Bussen steigt

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27.01.2017

Elektrisch unterwegs im Linienbetrieb

Ange­sichts des Kli­ma­wan­dels und noch immer gro­ßer Pro­ble­me mit Stick­oxi­den und Fein­staub in Städ­ten steigt das Inter­es­se an Bus­sen mit elek­tri­schem Antrieb für den öffent­li­chen Nah­ver­kehr. E‑Busse pro­du­zie­ren lokal kei­ne Abga­se – bei Betrieb mit Öko­strom über­haupt kei­ne – und sind deut­lich lei­ser als Die­sel­bus­se. Außer­dem haben elek­tri­sche Antrie­be einen signi­fi­kant bes­se­ren Wir­kungs­grad als Die­sel­an­trie­be und ver­brau­chen dadurch auch weni­ger Ener­gie als Die­sel­bus­se. Gera­de die Betriebs­wei­se der ÖPNV-Fahr­zeu­ge, die durch stän­di­ge Anfahr- und Brems­vor­gän­ge cha­rak­te­ri­siert ist, eig­net sich für elek­tri­sche Antrie­be.

Elek­tro­bus­se sind ein immer wich­ti­ge­res The­ma. Dies zeigt sich deutsch­land- und euro­pa­weit in Pro­jek­ten und Tests mit E‑Bussen im Lini­en­be­trieb. Laut der Inter­net­sei­te des Ver­ban­des Deut­scher Ver­kehrs­un­ter­neh­men (VDV) gibt es der­zeit in min­des­tens 20 deut­schen Städ­ten E‑Bus-Pro­jek­te mit etwa 100 Bus­sen. Das ist im Ver­gleich zu Chi­na, wo bereits 170.000 Elek­tro­bus­se im Ein­satz sind, ein sehr nied­ri­ger Wert und auch im Ver­gleich zu ande­ren euro­päi­schen Län­dern, allen vor­an Groß­bri­tan­ni­en, noch aus­bau­fä­hig.

Auf­fäl­lig ist, dass eine gro­ße Viel­zahl an Her­stel­lern elek­trisch ange­trie­be­ne Bus­se anbie­ten. Allein in den beim VDV auf­ge­führ­ten Pro­jek­ten sind zur Zeit Fahr­zeu­ge von 15 ver­schie­de­nen Her­stel­lern im Ein­satz. Der ZeEUS eBus Report lis­tet sogar 26 Her­stel­ler auf. Der­zeit noch nicht in gro­ßer Zahl ver­tre­ten, aber auf den euro­päi­schen Merkt drän­gend, zeigt sich der chi­ne­si­sche Her­stel­ler CRRC, von dem zwei Elek­tro-Gelenk­bus­se in Graz im Pro­be­ein­satz sind. Die bei­den Groß­her­stel­ler Mer­ce­des-Benz und MAN haben eine Seri­en­pro­duk­ti­on von E‑Bussen für 2018 bezie­hungs­wei­se 2020 ange­kün­digt.

In For­schungs­pro­jek­ten für die Erpro­bung von Was­ser­stoff­an­trie­ben sind bereits Brenn­stoff­zel­len­hy­brid­bus­se von Mer­ce­des-Benz in Stutt­gart und ande­ren Städ­ten Euro­pas im Ein­satz. Deren Elek­tro­mo­to­ren bezie­hen ihre Ener­gie aus einer Brenn­stoff­zel­le und einer Bat­te­rie – daher die Bezeich­nung „Hybrid“. Beim Brem­sen gewon­ne­ne Ener­gie kann in der Bat­te­rie gespei­chert wer­den. Eine Betan­kung des Bus­ses mit Was­ser­stoff dau­ert zehn Minu­ten. Eine Tank­fül­lung reicht für etwa 250 Kilo­me­ter.

Ein rei­ner Bat­te­rie-Bus ist der Urbi­no 12 Elec­tric (12 Meter lang) vom pol­ni­schen Her­stel­ler Sola­ris. Die­ser fährt im Lini­en­be­trieb bei­spiels­wei­se in Ober­hau­sen, Han­no­ver und Ber­lin. Dabei kom­men ver­schie­de­ne Lade­sys­te­me zum Ein­satz: In Han­no­ver und Ober­hau­sen zum Bei­spiel erfolgt das Laden über einen Strom­ab­neh­mer und einen Lade­mast. In Ber­lin kommt ein induk­ti­ves Lade­sys­tem zum Ein­satz, bei dem die Ener­gie kon­takt­los von einer im Boden ein­ge­bau­ten Lade­plat­te auf den an der Bus­un­ter­sei­te mon­tier­ten Strom­auf­neh­mer über­tra­gen wird – ähn­lich wie beim Laden einer elek­tri­schen Zahn­bürs­te. Der Lade­vor­gang fin­det in Ber­lin jeweils an den End­hal­te­stel­len zwi­schen den Fahr­ten statt. Er dau­ert vier bis sie­ben Minu­ten. Damit ist neben dem Lade­sys­tem ein wei­te­res Merk­mal bei bat­te­rie­ge­speis­ten Elek­tro­bus­sen ange­spro­chen: Die Lade­stra­te­gie. Als Vor­teil des Kon­zepts mit Zwi­schen­la­dung, das in Ber­lin zur Anwen­dung kommt, wird auf­ge­führt, dass die Bat­te­rien klei­ner und leich­ter dimen­sio­niert wer­den kön­nen als bei Bus­sen, die nur nachts auf­ge­la­den wer­den.

Die Erfah­run­gen in Ber­lin sind sowohl posi­tiv als auch nega­tiv. In der Anfangs­pha­se des Pro­jekts waren nach Schä­den im Hoch­volt-Sys­tem alle vier Bus­se sechs Mona­te außer Betrieb. Nach die­sen Start­schwie­rig­kei­ten gab es zumin­dest kei­ne voll­stän­di­ge Außer­be­trieb­nah­me mehr, aber den­noch erreich­ten die E‑Busse nicht die Ver­füg­bar­keit und den gerin­gen War­tungs­auf­wand, wie man es bei der BVG für den Lini­en­be­trieb erwar­te­te. Sehr posi­tiv wur­de dage­gen die Lade­tech­nik bewer­tet. Sowohl die induk­ti­ve Lade­infra­struk­tur als auch die Lade­säu­len konn­ten mit sehr hoher Zuver­läs­sig­keit, gerin­gem War­tungs­auf­wand und Effi­zi­enz über­zeu­gen. Auch die Bedien­bar­keit wur­de sowohl vom Bus­be­trei­ber als auch von den Bus­fah­rern gut bewer­tet. Mit dem Ber­li­ner E‑Bus war ich bereits unter­wegs. Hier mein Bericht aus dem Jahr 2015: https://www.matthias-gastel.de/auf-probefahrt-mit-dem-e-bus/#.WISGi02QzIU

Ein eben­falls 12 Meter lan­ger Bat­te­rie-Lini­en­bus ist der Sileo S 12, der vom deutsch-tür­ki­schen Unter­neh­men Sileo in Salz­git­ter her­ge­stellt wird. Die­ser Bus kommt unter Ande­rem in Bonn zum Ein­satz. Nach einer Test­pha­se, in der Bus­se ver­schie­de­ner Her­stel­ler getes­tet wur­den, sind seit Anfang 2016 sechs Fahr­zeu­ge des Modells im Lini­en­be­trieb unter­wegs. Hier unter­schei­det sich das Lade­sys­tem von den vor­an­ge­gan­ge­nen Bei­spie­len: Die Bus­se wer­den nachts auf dem Betriebs­hof per Ste­cker gela­den. In Bonn sieht man die Vor­tei­le in der Über­nacht­la­dung dar­in, dass die Bus­se tags­über fle­xi­bel im gan­zen Netz ein­setz­bar sind und dass kei­ne Lade­ein­rich­tun­gen im öffent­li­chen Raum not­wen­dig sind. Die Reich­wei­te der ein­ge­setz­ten Bus­se beträgt min­des­tens 200 Kilo­me­ter. Die Erkennt­nis­se aus dem Pro­jekt in Bonn sind über­wie­gend posi­tiv. Es wird berich­tet, dass die Bus­se im Lini­en­be­trieb ihre Stre­cken und Ein­sät­ze gut bewäl­tigt haben und dass die Fahr­gäs­te den neu­en Bus­sen posi­tiv gegen­über ste­hen. Her­vor­ge­ho­ben wird der gerin­ge Geräusch­pe­gel. Die­ser ist auch in ande­ren Städ­ten der meist­ge­nann­te Aspekt der Fahr­gäs­te. Außer­dem wird oft das Fahr­ge­fühl, zum Bei­spiel das sanf­te­re Anfah­ren, in den E‑Bussen gelobt.

Ein ganz ande­res Sys­tem für den elek­tri­schen Antrieb bei Bus­sen gibt es seit über 70 Jah­ren in Ess­lin­gen. Dort ver­keh­ren auf drei Lini­en Ober­lei­tungs­bus­se. Bei die­sem Sys­tem, das es nur noch in zwei wei­te­ren Städ­ten in Deutsch­land gibt, bezieht der Bus die Ener­gie über Strom­ab­neh­mer aus einer Ober­lei­tung wie eine Stra­ßen­bahn. Da in Ess­lin­gen teil­wei­se Lini­en nicht durch­gän­gig elek­tri­fi­ziert sind, kom­men seit 2016 neben den „ein­fa­chen“ O‑Bussen von Van­Hool auch neue Hybrid-Elek­tro­bus­se von Sola­ris zum Ein­satz, die zusätz­lich eine Bat­te­rie besit­zen, die über die Ober­lei­tung gela­den wird und auf kur­zen Stre­cken ohne Lei­tung dem Motor Ener­gie lie­fern.  Dank Öko­strom fah­ren die Ober­lei­tungs­bus­se in Ess­lin­gen völ­lig ohne Schad­stoff­aus­stoß. Fahr­gäs­te und Fahr­per­so­nal loben auch das lei­se und ruhi­ge Fahr­ver­hal­ten. Den ein­zi­gen Nach­teil sieht Harald Boog, Tech­ni­scher Werk­lei­ter des Städ­ti­schen Ver­kehrs­be­triebs Ess­lin­gen am Neckar in den hohen Inves­ti­ti­ons­kos­ten im Bereich der Infra­struk­tur. Die Ober­lei­tungs­bus­se in Kom­bi­na­ti­on mit Bat­te­rie­tech­no­lo­gie haben aus Boogs Sicht „deut­li­che Vor­tei­le zu rei­nen Bat­te­rie­bus­sen, da sie ohne betrieb­li­che Unter­bre­chun­gen gela­den wer­den kön­nen und bei klei­ne­ren Spei­chern (weni­ger Kos­ten, weni­ger Gewicht, mehr Fahr­gäs­te) über eine unbe­grenz­te Reich­wei­te inner­halb des Net­zes ver­fü­gen.“ Alle 12–14 km müs­sen sie für cir­ca 20 Minu­ten zum Laden an die Ober­lei­tung. Die Hybrid-Ober­lei­tungs­bus­se funk­tio­nie­ren laut Harald Boog mitt­ler­wei­le so zuver­läs­sig wie Die­sel­bus­se. Daher wird auch über einen Aus­bau des Ober­lei­tungs­net­zes nach­ge­dacht.

Quel­len:

- https://www.vdv.de/ebus-projekt.aspx

- Bro­schü­re „Zukunft erfah­ren!“ zum Pro­jekt „Unse­re e‑Mission für Bonn“

- http://e‑bus.berlin/

- http://zeeus.eu/uploads/publications/documents/zeeus-ebus-report-internet.pdf

- 2016 – Jahr der E‑Busse, ÖPNV-Report 2016/2017

- Bus­se und Bah­nen – schad­stoff­arm und kli­ma­scho­nend, ÖPNV-Report 2016/2017

- Abschluss­be­richt des Vor­ha­bens E‑Bus Ber­lin