Deutschland-Takt – Erste Schritte von der Vision zur Umsetzung

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02.12.2018

Finanzierung nicht absehbar

Der Deutsch­land-Takt bedeu­tet einen über­fäl­li­gen Para­dig­men­wech­sel weg von der Belie­big­keit bei der Infra­struk­tur­pla­nung hin zu einer geziel­ten Netz­ent­wick­lung.

Mit der Bahn fah­ren und dabei pünkt­lich und schnell am Ziel ankom­men – das soll der sog. Deutsch­land-Takt ermög­li­chen. Wir Grü­nen for­dern ihn seit Jah­ren. Nun hat die Bun­des­re­gie­rung ihre im Koali­ti­ons­ver­trag ver­an­ker­ten Absich­ten wei­ter kon­kre­ti­siert. Die Absichts­be­kun­dung in Form einer Mach­bar­keits­stu­die (letz­te Legis­la­tur­pe­ri­ode) und der Ver­öf­fent­li­chung eines Ziel­fahr­plans für das Jahr 2030 (vor weni­gen Wochen) kann als bedeu­ten­der Fort­schritt bewer­tet wer­den. Offen bleibt aller­dings, wie die­se Visi­on eines funk­ti­ons­fä­hi­ge­ren Bahn­ver­kehrs in die Tat umge­setzt wer­den soll.

Was ist der Deutsch­land-Takt?

Der Deutsch­land-Takt ist ein sog. Inte­gra­ler Takt­fahr­plan. Ein sol­cher Fahr­plan, der sich zum ers­ten Mal auf ganz Deutsch­land erstre­cken soll, sieht vor, dass die Züge in fes­ten Zeit­in­ter­val­len ver­keh­ren – also immer zu der­sel­ben Minu­te im Stun­den- oder Zwei­stun­den­takt. Auf den Haupt­ach­sen soll sich sogar ein Halb­stun­den­takt erge­ben. Über­ge­ord­ne­tes Ziel ist es, die Anschlüs­se in den Kno­ten­bahn­hö­fen auf­ein­an­der abzu­stim­men und rei­bungs­los ablau­fen­de Umstie­ge zwi­schen Fern­ver­kehrs­zü­gen sowie zwi­schen Fern­ver­kehrs- und Regio­nal­zü­gen zu gewähr­leis­ten. Dadurch sol­len neue Rei­se­zie­le ent­ste­hen, die Züge pünkt­li­cher und die Rei­se­zei­ten ins­ge­samt kür­zer wer­den (Bei­spiel: Die Rei­se­zeit von Ber­lin nach Cux­ha­ven soll sich um ein Vier­tel ver­kür­zen). Der Deutsch­land-Takt ist aber mehr als nur eine rein tech­ni­sche Maß­nah­me: Der Ziel­fahr­plan 2030 des Deutsch­land-Takts sieht eine (Wieder-)Anbindung von Städ­ten wie Heil­bronn und Fried­richs­ha­fen (stünd­lich) sowie Tübin­gen und Schwä­bisch Hall-Hes­sen­tal (zwei­stünd­lich) an den Fern­ver­kehr vor und hat das Poten­ti­al, einen ent­schei­den­den Bei­trag dazu zu leis­ten, mehr Men­schen eine nach­hal­ti­ge Mobi­li­tät zu ermög­li­chen. Mit dem Deutsch­land-Takt kün­digt sich ein ent­schei­den­der Para­dig­men­wech­sel im Schie­nen­ver­kehr an: Erst der Fahr­plan, dann die Infra­struk­tur­pla­nung! Mit Mil­li­ar­den­pro­jek­ten wie Stutt­gart 21 und der Neu­bau­stre­cke Mün­chen-Ber­lin wurde/wird genau umge­kehrt vor­ge­gan­gen: Erst wur­de gebaut und dann geschaut, was sich mit der neu­en Infra­struk­tur anfan­gen lässt. Nicht sel­ten muss­te man dann fest­stel­len, dass trotz mil­li­ar­den­schwe­rer Inves­ti­tio­nen oft­mals über­lan­ge Umstei­ge­zei­ten ent­ste­hen, die teu­er erkauf­te Fahrt­zeit­ge­win­ne durch Hoch­ge­schwin­dig­keit auf­fres­sen und die Bahn­nut­zung unat­trak­tiv machen. Nun sol­len Über­hol­glei­se und zusätz­li­che Bahn­steig­kan­ten in den Kno­ten­bahn­hö­fen ent­ste­hen sowie Stre­cken beschleu­nigt wer­den, um gezielt Anschlüs­se mit kur­zen Umstei­ge­zei­ten zu ermög­li­chen und zu sichern.

Ver­säum­nis­se der Bun­des­re­gie­rung kün­di­gen sich an

Die von der Bun­des­re­gie­rung gesetz­ten Impul­se sind zu begrü­ßen. Auf die Fra­ge, wie der Ziel­fahr­plan 2030 tat­säch­lich umge­setzt wer­den soll, lie­fert sie bis­her kei­ne über­zeu­gen­den Ant­wor­ten. Ange­fan­gen bei der Finan­zie­rung zei­gen der Haus­halt für 2019 und die mit­tel­fris­ti­ge Finanz­pla­nung, dass die Bun­des­re­gie­rung auch wei­ter­hin ihrer bis­he­ri­gen Linie treu bleibt und am Finan­zie­rungs­pri­vi­leg des Stra­ßen­ver­kehrs fest­hält. Das Vor­ha­ben Deutsch­land-Takt steht und fällt aber mit einer abge­si­cher­ten Finan­zie­rung. Klar ist bereits jetzt, dass die Rea­li­sie­rung des Pro­jekts nur in Etap­pen erfol­gen kann. Jede die­ser Etap­pen soll den Fahr­gäs­ten auf ein­zel­nen Rela­tio­nen bereits Vor­tei­le brin­gen. Damit die Idee aber ihre vol­le Wir­kung ent­fal­ten kann und die beab­sich­tig­ten Zie­le im gesam­ten Netz auch tat­säch­lich erreicht wer­den, bedarf es der voll­stän­di­gen Umset­zung aller bau­li­chen Maß­nah­men für den abge­stimm­ten Ziel­fahr­plan. Die Ant­wort auf unse­re Anfra­ge an die Bun­des­re­gie­rung deckt zusätz­li­che Hin­der­nis­se auf dem Weg zur Umset­zung des Deutsch­land-Takts auf. Ange­nom­men, das Opti­mum ist erreicht und alle für den Ziel­fahr­plan 2030 erfor­der­li­chen Infra­struk­tur­maß­nah­men wur­den rea­li­siert, so stellt sich die Fra­ge, ob die Eisen­bahn­ver­kehrs­un­ter­neh­men das Tras­sen­an­ge­bot des Ziel­fahr­plans auch tat­säch­lich mit einem voll­stän­di­gen Betriebs­an­ge­bot bedie­nen wer­den. Die Bun­des­re­gie­rung stuft die Ange­bots­ge­stal­tung als unter­neh­me­ri­sche Auf­ga­be der Eisen­bahn­ver­kehrs­un­ter­neh­men ein. Mit einer der­ar­ti­gen Posi­tio­nie­rung ver­säumt es die Bun­des­re­gie­rung, Bedin­gun­gen zu schaf­fen, die ein dem Ziel­fahr­plan ent­spre­chen­des lücken­lo­ses Zug­an­ge­bot sicher­stel­len kön­nen – auch auf Stre­cken, die nicht eigen­wirt­schaft­lich bedient wer­den kön­nen.

(Wann) kommt der Deutsch­land-Takt?

Die Fra­ge nach dem Deutsch­land-Takt darf nicht sein „ob“, son­dern in wel­chen Schrit­ten und „wann“ er kommt! Mit ihrer Ankün­di­gung hat die Bun­des­re­gie­rung bereits einen nahe­zu unum­kehr­ba­ren Schritt gemacht, der vor allem im Hin­blick auf die drin­gend erfor­der­li­che Ver­kehrs­wen­de mehr als gebo­ten ist. Die Ver­kehrs­wen­de braucht den Schie­nen­ver­kehr und die­ser wie­der­um bedarf eines deutsch­land­weit funk­tio­nie­ren­den Net­zes. Bereits jetzt ist aller­dings abseh­bar, dass unter den der­zeit bestehen­den Bedin­gun­gen eine Rea­li­sie­rung bis zum Jahr 2030 mehr als frag­lich ist. Wir Grü­nen im Bun­des­tag wer­den mit einer Rei­he von Anfra­gen die bis­he­ri­gen Pla­nun­gen abfra­gen und auf ein durch­dach­tes Gesamt­kon­zept drän­gen.