Die Familie umweltfreundlicher Verkehrsmittel hat Zuwachs

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Die Fami­lie umwelt­freund­li­cher Ver­kehrs­mit­tel hat Zuwachs: Fern­bus­se

Zum ers­ten Janu­ar 2013 wur­de der Fern­bus­markt libe­ra­li­siert. War bis dahin der Fern­bus­markt im Wesent­li­chen nur nach Ber­lin geöff­net, kön­nen die Anbie­ter heu­te nahe­zu frei neue Lini­en­an­ge­bo­te ein­rich­ten.

Zwei Vor­ga­ben gibt es zu beach­ten: Die Abstän­de zwi­schen den Hal­te­stel­len müs­sen min­des­tens 50 Kilo­me­ter betra­gen und auf die­ser Stre­cke darf es kein ÖPNV-Ange­bot geben, das die­se Stre­cke in weni­ger als einer Stun­de bewäl­tigt. Damit möch­te die Poli­tik den aus öffent­li­chen Töp­fen geför­der­ten ÖPNV schüt­zen. Die Fern­bus­un­ter­neh­men müs­sen sich neue Fern­bus­li­ni­en von den Bun­des­län­dern geneh­mi­gen las­sen.
Im ers­ten Jahr der Libe­ra­li­sie­rung waren rund neun Mil­lio­nen Fahr­gäs­te mit den Fern­bus­sen unter­wegs (zum Ver­gleich: Die Bah­nen beför­der­ten im glei­chen Zeit­raum etwa 140 Mil­lio­nen Fahr­gäs­te). Die Fahr­gäs­te waren zumeist jung und preis­sen­si­bel und als Ein­zel­rei­sen­de unter­wegs. 63 Pro­zent von ihnen waren zu pri­va­ten Besu­chen unter­wegs, 20 Pro­zent zu Frei­zeit- und Tou­ris­mus­zwe­cken und 14 Pro­zent aus beruf­li­chen Grün­den. Markt­füh­rer im Jahr 2013 war das Unter­neh­men Mein Fern­bus (das Foto ent­stand im Bus­bahn­hof Ber­lin, zu sehen ist Mat­thi­as Gastel, MdB, mit Mein Fern­bus-Geschäfts­füh­rer Tor­ben Gre­ve) mit einem Markt­an­teil von 40 Pro­zent, gefolgt von der DB, die sel­ber seit lan­gem als Fern­bus­an­bie­ter auf­tritt, und Flix­bus.

Die meis­ten Zah­len und bis­he­ri­gen Erfah­run­gen spre­chen dafür, dass der Schritt zur Libe­ra­li­sie­rung rich­tig war:

  1. Die Kun­den haben die Wahl­frei­heit zwi­schen mehr res­sour­cen­scho­nen­den Ver­kehrs­mit­teln als bis­her. Moder­ne Bus­se fah­ren mit ähn­lich ver­gleichs­wei­se gerin­gen Umwelt­be­las­tun­gen wie die Bah­nen. Der Treib­stoff­ver­brauch eines durch­schnitt­lich besetz­ten, moder­nen Rei­se­bus­ses liegt bei etwa einem Liter pro Fahr­gast und 100 Kilo­me­ter.
  2. Es ent­stand eine kos­ten­güns­ti­ge Mobi­li­täts­form, was für die gesell­schaft­li­che Teil­ha­be von gro­ßer Bedeu­tung ist.
  3. Eine aktu­el­le Umfra­ge unter Fern­bus­rei­sen­den ergab, dass 38 Pro­zent von ihnen frü­her die­sel­be Stre­cke mit dem Auto fuhr. 44 Pro­zent waren mit der Bahn unter­wegs, 4 Pro­zent mit dem Flug­zeug. Jeder Zehn­te Befrag­te reis­te vor der Libe­ra­li­sie­rung des Fern­bus­mark­tes gar nicht (mit die­sem Ziel). Zwei­fels­oh­ne hat die Schie­nen­bahn eine neue Kon­kur­renz bekom­men. Aber eine ver­gleich­bar umwelt­freund­li­che. Und wenn die Bahn­un­ter­neh­men den neu­en Wett­be­wer­ber zum Anlass neh­men, sich stär­ker an Kun­den­be­dürf­nis­sen aus­zu­rich­ten, dann hat der Umwelt­ver­bund ins­ge­samt gewon­nen.
  4. Fern­bus­an­ge­bo­te ent­ste­hen häu­fig dort, wo sich die Bahn zurück­ge­zo­gen hat oder nie prä­sent war. Damit ist der Fern­bus dank sei­ner Fle­xi­bi­li­tät eine Chan­ce für die umwelt­freund­li­che Mobi­li­tät in der Flä­che. Und es wer­den neue, umstei­ge­freie Stre­cken ange­bo­ten.
  5. Künf­tig könn­te auch der Tou­ris­mus ver­mehrt von den Fern­bus­an­ge­bo­ten pro­fi­tie­ren. Bei­spiel: Titi­see im Schwarz­wald pro­fi­tiert schon heu­te von den Anbin­dun­gen durch den Fern­bus.
  6. Fern­bus­se müs­sen künf­tig zwei Plät­ze für Men­schen, die auf den Roll­stuhl ange­wie­sen sind, anbie­ten. Die bar­rie­re­freie Mobi­li­tät macht mit den Fern­bus­sen einen wich­ti­gen Schritt nach vor­ne.

Aller­dings gibt es auch Ver­lie­rer und kri­ti­sche Aspek­te, die nicht ver­schwie­gen wer­den dür­fen:

  • Die Schie­nen­bah­nen bekom­men eine Kon­kur­renz, denen sie preis­lich und von ihrer Fle­xi­bi­li­tät her nur wenig ent­ge­gen­zu­hal­ten haben.
  • Kos­ten­güns­ti­ge Ange­bo­te der Fern­bus­un­ter­neh­men lösen eine zusätz­li­che Mobi­li­tät aus, die aus Umwelt­ge­sichts­punk­ten nicht begrüßt wer­den kann.
  • Fern­bus­se wer­den auch neue Lini­en­an­ge­bo­te an der Nähe zu Auto­bah­nen aus­rich­ten. Die meis­ten auto­bahn­fern gele­ge­nen Orte wer­den daher auch bei einem wei­te­ren Boom des Fern­bus­mark­tes eher sel­ten direkt pro­fi­tie­ren.

Und es gibt noch eini­ge „offe­ne Bau­stel­len“ für die Poli­tik, die Kom­mu­nen und die Fern­bus­un­ter­neh­men:

  • Für die bar­rie­re­freie Mobi­li­tät mit Fern­bus­sen müs­sen in den Bus­sen Siche­rungs­sys­te­me für alle Roll­stuhl­ty­pen (Anschnall­pflicht!) ent­wi­ckelt wer­den. Außer­dem müs­sen die Hal­te­stel­len bar­rie­re­frei gestal­tet wer­den.
  • Die Bus­hal­te­stel­len und ‑bahn­hö­fe („Ter­mi­nals“) müs­sen aus­ge­baut und an die Fahr­gast­be­dürf­nis­se ange­passt wer­den. Als Min­dest­aus­stat­tung gel­ten über­dach­te War­te­be­rei­che und Fahr­gast­in­for­ma­tio­nen (Fahr­plä­ne, Infor­ma­tio­nen bei Ver­spä­tun­gen). An grö­ße­ren Bus­bahn­hö­fen soll­te an WC-Anla­gen, Kios­ke und Ver­kaufs­schal­ter für Fahr­kar­ten vor­ge­se­hen wer­den. Dazu ist die Zustän­dig­keit für den Bau und Aus­bau der Hal­te­stel­len zu klä­ren. Der Bund sieht die Kom­mu­nen in der Ver­ant­wor­tung, was die­se jedoch häu­fig von sich wei­sen. Die Fern­bus­un­ter­neh­men müs­sen sich an den Kos­ten für die Sta­tio­nen – ana­log den Schie­nen­bah­nen – betei­li­gen.
  • Die Fern­bus­se gehö­ren in die LKW-Maut ein­be­zo­gen, da sie in ähn­li­cher Wei­se die Stra­ßen­in­fra­struk­tur (ab-)nutzen.