Discounter als Wohnungsvermieter

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16.06.2018

Lidl, Aldi und Co kombinieren Einkaufen mit Wohnen

Woh­nun­gen, Büros und Arzt­pra­xen über dem Dis­coun­ter – ein neu­er Trend, der Schwung in den Woh­nungs­markt brin­gen und einen ande­ren Umgang mit begrenz­ten Flä­chen för­dern könn­te.

„Par­ken mit Ein­kaufs­ge­le­gen­heit“ – Ein­ge­schos­si­ge, über­all gleich aus­se­hen­de Lebens­mit­tel­dis­coun­ter mit deut­lich über­di­men­sio­nier­ten Park­flä­chen könn­ten zuneh­mend der Ver­gan­gen­heit ange­hö­ren. Beson­ders in den Städ­ten erzwin­gen stei­gen­de Grund­stücks­prei­se grund­le­gen­de Ver­än­de­run­gen bis­he­ri­ger Geschäfts­mo­del­le der Ein­zel­han­dels­gi­gan­ten. Davon könn­ten alle pro­fi­tie­ren. Vie­le Städ­te haben die­se Chan­cen erkannt und koope­rie­ren mit den Lebens­mit­tel­dis­coun­tern.

Nor­ma hat im Ober­ge­schoss eines sei­ner Läden eine Kin­der­ta­ges­stät­te ein­ge­rich­tet. Lidl plant in Frank­furt zusam­men mit einem kom­mu­na­len Unter­neh­men 110 Woh­nun­gen auf und neben einer Filia­le. Ein Teil der Park­plät­ze wird in eine Tief­ga­ra­ge ver­bannt. Auch Ikea – den Möbel­händ­ler zieht es zuneh­mend in die Städ­te – stellt der­ar­ti­ge Über­le­gun­gen an. In Ber­lin plant Aldi Nord der­zeit im Zusam­men­hang mit dem Abbruch und dem Neu­bau von Laden­ge­schäf­ten 2.000 Woh­nun­gen zu rea­li­sie­ren.

Gemein­sam mit mei­nem Frak­ti­ons­kol­le­gen Chris Kühn habe ich mich mit Ver­tre­tern von Aldi Nord getrof­fen, um mehr über die­sen Trend zu erfah­ren. Da auf­grund der Sta­tik nicht ein­fach Woh­nun­gen auf bestehen­de Märk­te gebaut wer­den kön­nen, plant Aldi Nord bis­he­ri­ge Nie­der­las­sun­gen abzu­rei­ßen. Am glei­chen Stand­ort wer­den dann Märk­te mit grö­ße­rer Ver­kaufs­flä­che inklu­si­ve Woh­nun­gen dar­über und ggf. zusätz­lich neben­an auf­ge­baut. Die grö­ße­re Ver­kaufs­flä­che bie­tet aus Unter­neh­mens­sicht mehr Platz für die attrak­ti­ve Dar­stel­lung der Waren, bie­tet mehr Grund­flä­che für Woh­nun­gen dar­über und redu­ziert oft­mals unge­nutz­te Park­platz­flä­chen.

Die Woh­nun­gen sol­len dann über eine eigens gegrün­de­te Woh­nungs­bau­ge­sell­schaft güns­tig ver­mie­tet wer­den. Geplant ist ein Sozi­al­woh­nungs­an­teil von 30 Pro­zent mit einer Kalt­mie­te von 6,50 Euro pro Qua­drat­me­ter. Die übri­gen Woh­nun­gen sol­len für höchs­tens 10 Euro auf den Markt gebracht wer­den. Beim Ber­li­ner Woh­nungs­markt, auf dem der Miet­preis pro Qua­drat­me­ter der­zeit bei ca. 13 Euro liegt, ist das ein gutes Ange­bot. Aldi kann des­halb ver­gleichs­wei­se güns­ti­ge Mie­ten in ihren Neu­bau­ten anbie­ten, weil die Grund­stü­cke vor län­ge­rer Zeit güns­tig erwor­ben wur­den.

Ande­re Lebens­mit­tel­händ­ler sind oft nicht Eigen­tü­mer der Grund­stü­cke. Außer­dem erschwert die Struk­tu­rie­rung in Genos­sen­schaf­ten mit ein­zeln geführ­ten Märk­ten wie bei Ede­ka oder Rewe, dass die Schlie­ßung eines Mark­tes für die Dau­er des Umbaus in Kauf genom­men wer­den kann. Bei Aldi kann solch ein Pro­jekt quer­sub­ven­tio­niert wer­den. Bei Ede­ka ist der Päch­ter wirt­schaft­lich von einem oder einer gerin­gen Anzahl an Objek­ten abhän­gig.

Ein Pro­blem kann dar­stel­len, dass die Han­dels­ket­ten die Ver­grö­ße­rung der Ver­kaufs­flä­chen – über die „magi­schen“ 800 Qua­drat­me­ter hin­aus – mit dem Woh­nungs­bau ver­knüp­fen. Für die Kom­mu­nen kön­nen damit schwie­ri­ge Abwä­gun­gen erfor­der­lich wer­den. Man kommt der Stadt der kur­zen Wege näher, gefähr­det aber womög­lich klein­tei­li­ge Ein­zel­han­dels­struk­tu­ren. Die (schwie­ri­ge) Abwä­gung liegt in den Hän­den der Kom­mu­nal­po­li­tik.

Inter­es­sant war auch die Aus­sa­ge von Aldi, dass die ver­füg­ba­re Par­kie­rungs­flä­che manch­mal über­haupt nicht benö­tigt wür­de. Stell­plät­ze für Mie­ter der Woh­nun­gen und die für Kund­schaft könn­ten mög­li­cher­wei­se mit Zeit­vor­ga­ben für die Nut­zung kom­bi­niert wer­den. In man­chen zen­tra­len, groß­städ­ti­schen Lagen benö­ti­ge man über­haupt kei­ne Park­plät­ze. „Umso zen­tra­ler, umso weni­ger Stell­plät­ze wer­den benö­tigt“. Das klingt nach einem Plä­doy­er für kur­ze Wege. Und das wie­der­um klingt nach grü­ner Poli­tik.