Für den barrierefreien Fernbusverkehr

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Wheelchair25.02.2015, einem Rede­bei­trag im Ver­kehrs­aus­schuss ent­nom­men

 

Heu­te hat sich der Ver­kehrs­aus­schuss des Bun­des­ta­ges mit dem The­ma „Bar­rie­re­frei­heit im Fern­bus­ver­kehr“ befasst. Dabei wur­den Exper­ten gehört.

1. Der Hintergrund

Der Fern­bus­markt in Deutsch­land wur­de zum 1. Janu­ar 2013 libe­ra­li­siert. Bis dahin war der natio­na­le Fern­bus­li­ni­en­ver­kehr bis auf weni­ge Aus­nah­men unter­sagt, um die Bahn im Fern­ver­kehr vor der Bus­kon­kur­renz zu schüt­zen. Seit der Libe­ra­li­sie­rung hat sich der Fern­bus­markt dyna­misch ent­wi­ckelt: Nach acht Mil­lio­nen Pas­sa­gie­ren 2013 waren es im Jahr 2014 bereits geschätz­te 16 bis 19 Mil­lio­nen.

Par­al­lel zur Libe­ra­li­sie­rung des Fern­bus­mark­tes wur­de fest­ge­legt, dass ab 2016 neue Fern­bus­se und ab 2020 alle Fern­bus­se min­des­tens zwei Stell­plät­ze für Roll­stuhl­fah­re­rIn­nen und einen bar­rie­re­frei­en Zugang in die Bus­se besit­zen müs­sen. Dadurch wur­den die Emp­feh­lun­gen einer EU-Richt­li­nie umge­setzt. Die Bun­des­re­gie­rung wur­de durch eine Bun­des­tags­ent­schlie­ßung auf­ge­for­dert, zeit­nah zu prü­fen, ob auf EU-Ebe­ne Rege­lun­gen geschaf­fen wer­den soll­ten, die einen euro­pa­weit ein­heit­li­chen bar­rie­re­frei­en Fern­bus­ver­kehr gewähr­leis­ten. Dies ist aus zwei Grün­den wich­tig: Ers­tens sind bar­rie­re­freie Bus­se, wie sie in Deutsch­land vor­ge­schrie­ben wer­den, teu­re Son­der­an­fer­ti­gun­gen, solan­ge nicht der gesam­te euro­päi­sche Markt die­se Bus­se nach­fragt. Zwei­tens geht es dar­um, in Zukunft auch grenz­über­schrei­tend bar­rie­re­frei­en Fern­bus­ver­kehr zu ermög­li­chen.

2. Grüne Bewertung

Wir Grü­nen begrü­ßen, dass in Deutsch­land ab 2016 neue und ab 2020 alle Fern­bus­se zwei Roll­stuhl­plät­ze besit­zen. Bestre­bun­gen aus der Bus­bran­che, die­se Fris­ten auf­zu­wei­chen, wei­sen wir zurück. Seit dem Jahr 2012 sind die Anfor­de­run­gen bekannt – und vier bzw. acht Jah­re müs­sen aus­rei­chen, um die Vor­ga­ben für bar­rie­re­freie Fern­bus­se umzu­set­zen.

Bar­rie­re­frei­heit darf aber nicht an den Staats­gren­zen auf­hö­ren. Daher unter­stüt­zen wir die Ein­füh­rung ein­heit­li­cher Rege­lun­gen auf EU-Ebe­ne. Wir kri­ti­sie­ren, dass die Bun­des­re­gie­rung dem Auf­trag, alles dafür zu tun, dass die deut­schen Stan­dards auf EU-Ebe­ne über­tra­gen wer­den, so gut wie kei­ne Taten fol­gen las­sen hat. Die Initi­ie­rung eines For­schungs­vor­ha­bens durch das Bun­des­ver­kehrs­mi­nis­te­ri­um reicht dafür nicht aus.

Aber auch in Deutsch­land bestehen bei der Bar­rie­re­frei­heit im Fern­bus­ver­kehr eine Rei­he von unge­lös­ten Pro­ble­men, die von der Bun­des­re­gie­rung nicht ange­gan­gen wer­den. Trotz mehr­jäh­ri­ger Bera­tung konn­te bis­her kei­ne ver­kehrs­recht­li­che Rege­lung gefun­den wer­den, die gewähr­leis­tet, dass alle Roll­stuhl­fah­re­rIn­nen rechts- und ver­kehrs­si­cher in einem Kraft­fahr­zeug beför­dert wer­den kön­nen. Die Steue­rungs­grup­pe aus Omni­bus- und Behin­der­ten­ver­bän­den, die hier Lösun­gen ent­wi­ckeln soll­te (Las­ten­haft bar­rie­re­freie Mobi­li­tät), hat sich im Som­mer 2014 ergeb­nis­los auf­ge­löst. Auf­grund ver­schie­de­ner tech­ni­scher Stan­dards und vie­len indi­vi­du­ell ange­pass­ten Roll­stüh­len, ist die Rei­se im eige­nen Roll­stuhl bis­her nur in eini­gen weni­gen DIN-gerech­ten Roll­stüh­len (nur ca. 20% aller Roll­stüh­le) mög­lich. Feh­len­de ein­heit­li­che Kenn­zeich­nungs­pflich­ten über die Eig­nung eines Roll­stuhls für die Beför­de­rung im Kfz füh­ren zudem zu Kom­pli­ka­tio­nen für Roll­stuhl­fah­rer und Bus­fah­rer. Pro­ble­ma­tisch ist fer­ner die feh­len­de Bar­rie­re­frei­heit in Bezug auf die gesam­te Rei­se­ket­te. Dies liegt unter ande­rem an den häu­fig schlecht aus­ge­bau­ten Bus­termi­nals, deren Umbau sich auf­grund unkla­rer Zustän­dig­kei­ten kaum vor­an­kommt. Hier zieht sich die Bun­des­re­gie­rung auf die Posi­ti­on zurück, die Kom­mu­nen sei­en für die bau­li­che Infra­struk­tur ver­ant­wort­lich. Die Kom­mu­nen wei­sen dies mit der Begrün­dung, der Fern­ver­kehr sei nicht ihre Auf­ga­be, hin­ge­gen all­zu häu­fig zurück. Mit der Rati­fi­ka­ti­on der UN-Behin­der­ten­rechts­kon­ven­ti­on im Jahr 2009 ver­pflich­te­te sich Deutsch­land, Maß­nah­men zu tref­fen, um Men­schen mit Behin­de­rung per­sön­li­che Mobi­li­tät mit größt­mög­li­cher Unab­hän­gig­keit sicher­zu­stel­len. Die­se Maß­nah­men ist die Bun­des­re­gie­rung bis­lang weit­ge­hend schul­dig geblie­ben.

3. Grüne Forderungen für einen barrierefreien Fernbusverkehr

Es muss drin­gend geklärt wer­den, wer für den Aus- und Umbau der Fern­bus­ter­mi­nals zustän­dig ist; dass sich die Fern­bus­be­trei­ber bspw. in Form von Gebüh­ren an der Finan­zie­rung betei­li­gen müs­sen ist selbst­ver­ständ­lich.

Die Bar­rie­re­frei­heit der Fern­bus­ter­mi­nals muss bis spä­tes­tens 2020 sicher­ge­stellt wer­den.

  • Für geeig­ne­te Roll­stüh­le muss eine ein­fach nach­voll­zieh­ba­re Kenn­zeich­nung ein­ge­führt wer­den (Hin­weis: Dabei geht es um die Befes­ti­gung der Roll­stüh­le im Bus und damit um die Ver­kehrs­si­cher­heit der beför­der­ten Men­schen, also um Roll­stuhl- und Per­so­nen­rück­hal­te­sys­te­me – denn die Anschnall­pflicht gilt auch für Men­schen im Roll­stuhl).
  • Die Bun­des­re­gie­rung muss sich für einen bar­rie­re­frei­en Fern­bus­ver­kehr auch auf euro­päi­scher Ebe­ne ein­set­zen.
  • Der Hilfs­mit­tel­ka­ta­log der Kran­ken­kas­sen gehört dahin­ge­hend erwei­tert, dass trans­port­fä­hi­ge Roll­stüh­le finan­ziert wer­den.
  • Unsi­cher­hei­ten bei der Ver­kehrs­si­cher­heit im Hin­blick auf die Beför­de­rung von Roll­stüh­len mit elek­tri­schem Antrieb (hier­bei geht es um die siche­re Befes­ti­gung der Bat­te­rien) und von Sau­er­stoff­fla­schen (hier­bei geht es um die Ein­stu­fung als Gefahr­gut) müs­sen rechts­si­cher geklärt wer­den.