Rede auf Parteitag: Für eine Offensive für den öffentlichen Verkehr, barrierefreie Mobilität und den Radverkehr!

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Rede, gehal­ten auf dem Lan­des­par­tei­tag am 09.11.2014 in Tutt­lin­gen

 

Lie­be Freun­din­nen, lie­be Freun­de,

der Bahn­streik führt uns anschau­lich vor Augen, wie zen­tral Mobi­li­tät unser Leben bestimmt und wie ver­wund­bar wir hier sind. Ich fin­de es beacht­lich, wie es alle Dele­gier­te und Gäs­te geschafft haben, hier­her zu kom­men: Mit eigens organ­sier­ten Bus­sen und gebil­de­ten Fahr­ge­mein­schaf­ten. Eini­ge sind sogar aus Tübin­gen und ande­ren Orten mit dem Fahr­rad ange­reist. Für mich sel­ber hat der Bahn­streik aller­dings bedeu­tet, dass ich erst­mals in mei­nem Leben den Flie­ger neh­men muss­te.

Erlaubt mir an die­ser Stel­le einen klei­nen Ein­schub: Die grü­ne Bun­des­tags­frak­ti­on steht zum Tarif­plu­ra­lis­mus und zum Streik­recht.

Mobi­li­tät ist eines der wich­tigs­ten Grund­be­dürf­nis­se in unse­rer Gesell­schaft. Sie ist Vor­aus­set­zung für wirt­schaft­li­che und gesell­schaft­li­che Teil­ha­be.

Die gän­gigs­ten Ver­kehrs­mit­tel tra­gen aber auch in hohem Maße zum Raub­bau auf die­sem Pla­ne­ten bei:

  • Sie ver­brau­chen Unmen­gen begrenz­ter fos­si­ler Roh­stof­fe.
  • Sie tra­gen zur Kli­ma­ka­ta­stro­phe bei.
  • Sie bean­spru­chen viel Flä­che und Natur.
  • Sie kos­ten Opfer durch Unfäl­le.
  • Sie belas­ten die Men­schen mit Lärm.

Unser Job als Grü­ne lau­tet:

Mobi­li­tät gewähr­leis­ten mit deut­lich gerin­ge­rem Res­sour­cen­ver­brauch und deut­lich weni­ger Belas­tung von Mensch und Umwelt.

Dafür brau­chen wir eine Ver­kehrs­wen­de. Die­se Ver­kehrs­wen­de muss Teil der Ener­gie­wen­de sein. Nur bei­des zusam­men bringt Res­sour­cen­ef­fi­zi­enz und Kli­ma­schutz vor­an.

Bei­de – Ener­gie- und Ver­kehrs­wen­de – sind damit zen­tra­le Auf­ga­ben für grü­ne Poli­tik!

Die Ver­kehrs­wen­de ist nicht gegen das Auto gerich­tet. Sie wird nur mit dem Auto gelin­gen. Aber mit ande­ren Autos als den­je­ni­gen, die gegen­wär­tig das Stra­ßen­bild prä­gen:

  • Autos müs­sen effi­zi­en­ter wer­den. Haupt­in­no­va­ti­ons­trei­ber dafür sind stren­ge CO2-Grenz­wer­te.
  • Und Mobi­li­tät darf nicht mehr mit Auto­mo­bi­li­tät gleich­ge­setzt wer­den.

Hier voll­zieht sich bereits ein bemer­kens­wer­ter Wan­del:

  • Jun­ge Men­schen machen immer spä­ter oder gar nicht den Füh­rer­schein.
  • Car-Sha­ring steht im Trend. Nut­zen statt besit­zen heißt die Devi­se.
  • Immer häu­fi­ger wer­den ver­schie­de­ne Ver­kehrs­mit­tel mit­ein­an­der kom­bi­niert.

All dies ist fest­stell­bar im länd­li­chen wie auch im städ­ti­schen Bereich.

Nur an Bun­des­maut­mi­nis­ter Dob­rindt ist die­ser Wan­del vor­bei gegan­gen. Er setzt wei­ter auf längst geschei­ter­te Ver­kehrs­mo­del­le:

  • Er baut wei­ter neue Stra­ßen und lässt der Ver­fall vor­han­de­ner Infra­struk­tur zu
  • Anstatt die Prio­ri­sie­rung von Stra­ßen­bau­wün­schen der Län­der für den neu­en Bun­des­ver­kehrs­we­ge­plan (BVWP) abzu­war­ten erteilt er vor­ab 27 Bau­frei­ga­ben. Sie­ben davon aus­ge­rech­net in Bay­ern.
  • Für die öffent­li­chen Ver­kehrs­mit­tel schafft er kei­ne Finan­zie­rungs­si­cher­heit.

Und dann kommt die­ser Dob­rindt und wirft Win­ne Her­mann vor, „fach­lich über­for­dert“ zu sein! Ange­sichts der genann­ten und vie­ler wei­te­rer offe­ner Bau­stel­len gilt die­ser Vor­wurf ein­zig dem Bun­des­ver­kehrs­mi­nis­ter! Statt die Backen auf­zu­bla­sen und vie­le war­me Luft zu pro­du­zie­ren soll­te er mal end­lich die Ärmel hoch­krem­peln und die vie­len Bau­stel­len im Ver­kehrs- und Breit­band­be­reich auf­lö­sen!

Aber was macht er statt­des­sen?

Mit sei­ner CSU-Maut lähmt er seit einem Drei­vier­tel­jahr sein Minis­te­ri­um. Außer Stra­ßen­bau und Maut­pla­nung ist von ihm nichts zu hören. Jähr­lich feh­len für den Erhalt der Ver­kehrs­in­fra­struk­tur 7,2 Mil­li­ar­den Euro. Und was macht die­ser Dob­rindt? Er finan­ziert mit sei­ner PKW-Maut den Betrag hin­ter dem Kom­ma!

Und dafür ver­ur­sacht er einen gigan­ti­schen büro­kra­ti­schen Auf­wand und will Per­so­nen­da­ten bis zu 13 Mona­te lang speichern. Die­se Maut ist ein Murks. Die Mehr­heit der Men­schen hat dies erkannt. Es wird Zeit, dass auch die Regio­nal­par­tei CSU dies end­lich erkennt!

Was brau­chen wir, damit die Ver­kehrs­wen­de gelingt?

1. Wir brauchen eine Offensive für den öffentlichen Verkehr

Der Bund muss Finan­zie­rungs­si­cher­heit schaf­fen:

Wir brau­chen Klar­heit bei den Regio­na­li­sie­rungs­mit­teln. Sonst dro­hen Abbe­stel­lun­gen von Zügen. Die Län­der haben sich auf einen gemein­sa­men Vor­schlag geei­nigt. Jetzt ist der Bund am Zuge.

Und wir brau­chen Klar­heit beim Gemein­de­ver­kehrs­fi­nan­zie­rungs­ge­setz (GVFG). Wie geht es wei­ter nach 2019? Das muss man jetzt wis­sen, um Pro­jek­te wie die die Breis­gau-S-Bahn, die Her­mann-Hes­se-Bahn, die Regio­nal­stadt­bahn Reut­lin­gen – Tübin­gen und das Mobi­li­täts­netz Hei­del­berg ange­hen zu kön­nen.

Und der Bund muss sich an die Ver­spre­chen für die Elek­tri­fi­zie­rung der Süd­bahn zwi­schen Ulm und Fried­richs­ha­fen erin­nern und end­lich ver­bind­lich zusa­gen, wann die Mit­tel dafür flie­ßen.

Und schließ­lich brau­chen wir eine neue, aber bes­se­re Leis­tungs- und Finan­zie­rungs­ver­ein­ba­rung (LuFV II) zwi­schen Bund und Deut­scher Bahn. Der Bund möch­te in den nächs­ten fünf Jah­ren 20 Mil­li­ar­den für Ersatz­in­ves­ti­tio­nen in die Schie­ne bereit­stel­len. Das ist gut! Das ist nötig! Dann muss aber auch sicher­ge­stellt wer­den, dass die Mit­tel dort­hin flie­ßen, wo sie zum Sub­stanz­er­halt und zur Behe­bung von Eng­stel­len bei­tra­gen!

Das heißt auch, wir müs­sen weg­kom­men von teu­ren und oft­mals sinn­lo­sen Groß­pro­jek­ten. Din­ge wie Stutt­gart 21 sind kei­ne Zukunfts­pro­jek­te!

 

2. Wir brauchen eine Offensive für barrierefreie Mobilität

Wir brau­chen ein ambi­tio­nier­tes Sanie­rungs­pro­gramm für Bahn­hö­fe. Und mehr fahr­zeug­ge­bun­de­ne Ein­stiegs­hil­fen in die Züge des Regio­nal- und Fern­ver­kehrs. Bus­se im Nah- wie im Fern­ver­kehr müs­sen spä­tes­tens ab dem Jahr 2020 zwei Roll­stuhl­plät­ze anbie­ten. Ins­be­son­de­re für die Bus­hal­te­stel­len bleibt dann in Sachen Bar­rie­re­frei­heit aber noch viel zu tun.

 

 3. Wir brauchen eine Offensive für den Radverkehr

Bereits 15 Pro­zent aller Wege in Deutsch­land wer­den mit dem Fahr­rad zurück­ge­legt. Ten­denz stei­gend. Wir wol­len die­sen Trend beschleu­ni­gen durch

  • Mehr und siche­re Rad­we­ge­ver­bin­dun­gen. Nur 40% aller Bun­des­fern­stra­ßen ver­fü­gen über einen Rad­weg. Da hat der Bund noch etwas zu tun.
  • Mehr siche­re Abstell­an­la­gen an Bahn­hö­fen und ande­ren zen­tra­len Orten.
  • Bes­se­re Mit­nah­me­be­din­gun­gen für Fahr­rä­der in Bus­sen und Bah­nen.

Baden-Würt­tem­berg ist bei der Rad­ver­kehrs­för­de­rung inzwi­schen vor­bild­lich. Der Bund und ande­re Bun­des­län­der schau­en genau hin, was hier gemacht wird!

Und wir brau­chen einen grü­nen Ver­kehrs­mi­nis­ter – oder eine grü­ne Ver­kehrs­mi­nis­te­rin – auch im Bund, wie wir einen im Land schon haben. Die Sicher­stel­lung von Mobi­li­tät bei gleich­zei­ti­ger Nach­hal­tig­keit ist kei­ne Auf­ga­be, die man jeman­dem von CDU/CSU oder SPD über­las­sen kann!

 

Lie­be Freun­din­nen, lie­be Freun­de,

Wann soll die Ver­kehrs­wen­de ange­packt wer­den, wenn nicht jetzt, wo die Ener­gie­wen­de so rich­tig ange­lau­fen ist?

Wo soll die Ver­kehrs­wen­de gelin­gen kön­nen, wenn nicht in Deutsch­land, das bereits mit der Ener­gie­wen­de die Rich­tung auch für ande­re Län­der vor­gibt?

Wer, wenn nicht wir Grü­nen, die bereits den Atom­aus­stieg und den mas­si­ven Aus­bau erneu­er­ba­rer Ener­gien ange­sto­ßen haben, soll die­se Auf­ga­be anpa­cken kön­nen?