Thementag „Handwerk“

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16.07.2018

Dialog mit Handwerkern und Auszubildenden

Mei­nen jüngs­ten The­men­tag wid­me­te ich dem Hand­werk und der Fra­ge­stel­lung, wie gol­den des­sen Boden tat­säch­lich ist. Die wirt­schaft­li­che Bedeu­tung jeden­falls ist mit knapp 800.000 Beschäf­tig­ten enorm.

Mein Tag begann bei der Schrei­ne­rei Alber in Fil­der­stadt, die von Kurt (Dipl. Ing. Holz­tech­nik) und Gün­ther Alber (Schrei­ner­meis­ter) in zwei­ter Gene­ra­ti­on geführt wird. Bereits die Home­page ver­riet, wor­auf man sich spe­zia­li­siert hat: Denk­mal­schutz, Trep­pen, Hand­läu­fe, Möbel, Objekt­bau, Türen, Innen­aus­bau sowie Küchen. 15 Mit­ar­bei­ten­de plus 5 Schrei­ner-Azu­bis, dar­un­ter eine Frau, zählt das Unter­neh­men. Für mich waren das Gespräch und der Rund­gang durch die Werk­statt von zwei Über­ra­schun­gen geprägt: Es sei nicht schwie­rig, gute Aus­zu­bil­den­de zu fin­den, bekom­me ich zu hören. Das klang anders als in den Betrie­ben, in denen ich in der Ver­gan­gen­heit war. Dies lie­ge an den vie­len Schü­ler­prak­ti­ka, der Home­page und der Tat­sa­che, dass der Betrieb sich nicht spe­zia­li­siert habe, son­dern die gan­ze Band­brei­te des Hand­werks­be­ru­fes abbil­de. Man bil­de jun­ge Men­schen unter­schied­lichs­ten Schul­ni­veaus, von der Son­der­schu­le bis hin zum Gym­na­si­um aus, ach­te dabei aber auf Kennt­nis­se in Mathe­ma­tik und Phy­sik. Die zwei­te Über­ra­schung: Anders als im Bau­ge­wer­be wer­de man nicht mit Anfra­gen und Auf­trä­ge geflu­tet. Es gäbe einen star­ken Wett­be­werb, der für sta­bi­le Prei­se sor­ge, wäh­rend die­se anders­wo deut­lich stei­gen.

Wei­ter ging es in die Phil­ipp-Mat­thä­us-Hahn-Schu­le (Tech­ni­sche Schu­le) in Nür­tin­gen. Zunächst stell­te mir Rek­tor Wolf Hof­mann die Schu­le mit ihren 1.800 Schü­le­rin­nen und Schü­lern vor, die aus vie­len Abtei­lun­gen besteht: Bau (Zim­me­rer und Mau­rer), Far­be (Maler und Lackie­rer sowie Fahr­zeug­la­ckie­rer), Holz (Schrei­ner), Metall (Fein­werk­me­cha­ni­ker, Indus­trie­me­cha­ni­ker usw.) und KFZ-Tech­nik (KfZ-Mecha­tro­ni­ker) sowie wei­ter­füh­ren­den Schul­ar­ten wie Tech­ni­sche Ober­schu­le, Tech­ni­sches Gym­na­si­um, Berufs­kol­le­ge 1 und 2 sowie der Meis­ter­schu­le. In der Klas­se der Zim­me­rer des zwei­ten Aus­bil­dungs­jah­res durf­te ich mich mit dem Nach­wuchs unter­hal­ten. Eini­ge bemän­gel­ten das schlech­te Image des Hand­werks spe­zi­ell unter jun­gen Men­schen und den oft­mals rau­en Ton auf dem Bau. Man­che berich­te­ten auch von unzu­rei­chen­der Anlei­tung in ihren Aus­bil­dungs­be­trie­ben. Für vie­le war das Hand­werk nicht der Wunsch­be­ruf, sie wirk­ten aber ent­schlos­sen und sehr moti­viert, die Aus­bil­dung abzu­schlie­ßen. Eini­ge der Schü­ler wol­len nach der Aus­bil­dung nicht über­nom­men wer­den, son­dern mit der Schu­le wei­ter­ma­chen oder ein Stu­di­um auf­neh­men. Das Gespräch, das in gro­ßer Offen­heit und sehr kon­zen­triert geführt wur­de, konn­te bei einem gemein­sa­men Mit­tag­essen fort­ge­führt wer­den.

Anschlie­ßend durf­te ich ange­hen­de Maler und Lackie­rer in der Aus­bil­dungs­werk­statt besu­chen und auch mit ihnen über ihre Moti­ve für die Berufs­wahl und die Zukunfts­plä­ne spre­chen. Die Klas­se wur­de durch Aus­bil­dungs­ab­bre­cher nicht unwe­sent­lich geschrumpft. Nur für einen der Schüler*innen han­delt es sich um den Wunsch­be­ruf (um anschlie­ßend in den elter­li­chen Betrieb ein­stei­gen zu kön­nen). Ein ande­rer kün­dig­te an, die Aus­bil­dung nach dem ers­ten Lehr­jahr been­den zu wol­len („Macht mir kei­nen Spaß“), ohne bereits kon­kre­te Alter­na­tiv­pla­nun­gen zu haben. Auch die­ses Gespräch wur­de in gro­ßer Ernst­haf­tig­keit geführt und war für mich sehr auf­schluss­reich.

Zum Abschluss mei­nes The­men­ta­ges schau­te ich mir die KfZ-Werk­stät­te von Karl Boss­ler in Det­tin­gen unter Teck an. Boss­ler, der zugleich auch Kreis­hand­werks­meis­ter ist, wies dar­auf hin, dass das Hand­werk schnell sei­ne aus­ge­bil­de­ten Fach­kräf­te an die Indus­trie ver­liert, die eine höhe­re Bezah­lung bei oft­mals bes­se­ren Arbeits­zei­ten und manch­mal auch beson­de­re Leis­tun­gen wie Betriebs­ki­tas bie­ten kann. Wich­tig ist Boss­ler, dass er „Selbst­stän­dig“ im wahrs­ten Sin­ne des Wor­tes bleibt und nicht in die Abhän­gig­keit von Auto­kon­zer­nen und Ban­ken gerät. Daher setzt er, der zwei Per­so­nen in der Werk­statt und drei in der Tank­stel­le beschäf­tigt, auch nicht auch Wachs­tum, son­dern wei­ter­hin auf unkom­pli­zier­te, schnel­le Klein­re­pa­ra­tu­ren und damit einen guten Ser­vice für die Kun­den. In unse­rem Gespräch kamen wir auch auf den Meis­ter­zwang zu spre­chen, den Boss­ler in eini­gen Beru­fen wie­der ger­ne sehen wür­de, um die Berufs­aus­bil­dung zu stär­ken. Von der Poli­tik wünsch­te er sich, wie es auch Schrei­ner­meis­ter Alber aus­ge­spro­chen hat­te, ger­ne weni­ger Büro­kra­tie.

Mein Fazit: Ob das Hand­werk einen gol­de­nen Boden hat, hängt nicht von der Auf­trags­la­ge, son­dern davon ab, ob genü­gend gut moti­vier­ter Nach­wuchs zu fin­den ist.