Vortrag: Nachhaltiger Bustourismus

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„Rei­se­bus und Nach­hal­tig­keit – wo liegt die Zukunft?“

20.04.2017 Fried­richs­ha­fen, Neue Mes­se

Vor­trag beim RDA, dem Inter­nat. Bus­tou­ris­tik-Ver­band mit 3.000 Mit­glieds­be­trie­ben

Ich freue mich, dass Sie Ihre Ver­an­stal­tung an mei­nen Urlaubs­ort gelegt haben und ich bei­des – ein paar weni­ge Urlaubs­ta­ge und mei­ne poli­ti­sche Arbeit – so wun­der­bar mit­ein­an­der ver­knüp­fen kann.

Die­se Regi­on hier ist eine ver­kehrs­po­li­tisch sehr span­nen­de. Alle Ver­kehrs­trä­ger sind hier ver­tre­ten: Stra­ße, Schie­ne, Flug­ver­kehr und Schiff­fahrt. Der Boden­see­raum stellt eine wirt­schafts­star­ke Regi­on und zugleich einen viel­fäl­ti­gen Natur­raum dar. Eine tra­gen­de Säu­le des Wirt­schafts­rau­mes ist der Tou­ris­mus. Eine der gro­ßen Her­aus­for­de­run­gen ist der Ver­kehr. Er ist die Vor­aus­set­zung für eine star­ke Wirt­schaft und auch für den Tou­ris­mus. Zugleich ist zu viel Ver­kehr – zu viel moto­ri­sier­ter Ver­kehr oder noch genau­er: Zu viel Ver­kehr auf Basis von fos­si­len Ver­bren­nungs­mo­to­ren – auch einer der Aspek­te, die Tou­ris­mus behin­dern kön­nen. Letz­te Woche war ich in Über­lin­gen, einer wun­der­schö­nen Klein­stadt hier am Boden­see­ufer. Der star­ke Motor­rad­ver­kehr hat die gesam­te Innen­stadt bis hin zur Ufer­pro­me­na­de ver­lärmt. Stau, Lärm und Abga­se sind aber das, was die wenigs­ten zuhau­se und noch weni­ger im Urlaub wol­len. Dies ist ein Grund wes­halb es gut und drin­gend not­wen­dig ist, sich die Fra­ge nach nach­hal­ti­gem Tou­ris­mus zu stel­len.

Wenn man sich den Per­so­nen­ver­kehr in Deutsch­land – gemes­sen in Per­so­nen­ki­lo­me­tern anschaut – dann dürf­te sich für vie­le ein über­ra­schen­des Bild erge­ben: Auf den Urlaubs- und Frei­zeit­ver­kehr ent­fällt 43 Pro­zent der ins­ge­samt zurück­ge­leg­ten Ent­fer­nung! Dies heißt, wir legen mehr Kilo­me­ter für Urlaub und Frei­zeit als für die beruf­lich beding­ten Wege (36%) zurück!

Dies macht deut­lich: Es ist für unse­re Umwelt, das Kli­ma und die Gesund­heit der Men­schen von sehr gro­ßer Bedeu­tung, mit wel­chen Ver­kehrs­mit­teln wir rei­sen! Und da sieht es lei­der alles ande­re als gut aus (bezo­gen auf den Per­so­nen­ver­kehr ins­ge­samt):

Knapp 80 Pro­zent ent­fal­len auf den MIV und damit über­wie­gend auf das Auto. Auf den sog. „Umwelt­ver­bund“ (Fuß‑, Rad‑, Bus- und Bahn­ver­kehr) ent­fal­len zusam­men nur rund 20 %. Das umwelt­schäd­lichs­te aller Ver­kehrs­mit­tel, das Flug­zeug, hat­te in den letz­ten Jah­ren das stärks­te Wachs­tum. Sein Anteil liegt inzwi­schen bei 5%. Inter­es­sant ist der Blick spe­zi­ell auf das Urlaubs­rei­se­ver­hal­ten: Auch hier steht der Pkw ganz vor­ne. 45 Pro­zent aller Urlaubs­rei­sen wer­den mit dem Auto oder Wohn­mo­bil unter­nom­men. Es folgt das Flug­zeug, mit dem 40 Pro­zent aller Urlau­ben­den ans Ziel gelan­gen. Der Flie­ger liegt seit Jah­ren im Trend. Auf den Bus ent­fal­len nur 7 und auf die Bahn 5 Pro­zent aller Urlaubs­fahr­ten.

Zurück zu allen Wegen, unab­hän­gig von ihrem Zweck. Wenn man nicht die zurück­ge­leg­ten Ent­fer­nun­gen, son­dern die Anzahl der Wege anschaut, sieht die Sache über­wie­gend etwas bes­ser aus: Von allen Wegen hat das Auto aber noch immer einen Anteil von knapp 60 Pro­zent. Mess­bar hin­zu­kom­men der Fuß- und Rad­ver­kehr. Jeder vier­te Weg wird zu Fuß zurück­ge­legt und jeweils jeder zehn­te mit dem Rad sowie mit öffent­li­chen Ver­kehrs­mit­teln.

Für die mensch­li­che Gesund­heit, das Kli­ma und die Umwelt macht es einen sehr gro­ßen Unter­schied, wie wir uns fort­be­we­gen, wie wir rei­sen.

Begin­nen wir bei der Gesund­heit:

Bei den Stick­oxi­den, die sich auf unse­re Atem­we­ge aus­wir­ken, schnei­den das Flug­zeug und der Lini­en­bus am schlech­tes­ten ab. Mit gro­ßem Abstand am bes­ten schnei­den der Fern­ver­kehr mit der Bahn und die Stra­ßen- bzw. U‑Bahn ab.

Der Rei­se­bus belegt einen mitt­le­ren Platz und emit­tiert ein Drit­tel weni­ger NOx als das Auto.

Die Fein­staubbelas­tun­gen sind zum Glück ins­ge­samt deut­lich zurück­ge­gan­gen. Stutt­gart ist die ein­zi­ge Stadt, in der auf­grund der beson­de­ren Lage die Grenz­wer­te noch immer regel­mä­ßig über­schrit­ten wer­den.

Kom­men wir zur Kli­ma­bi­lanz, also den Treib­haus­ga­sen, gemes­sen in CO2-Äqui­va­len­ten.  Hier schnei­det der Rei­se­bus am bes­ten ab. Alle ande­ren Ver­kehrs­mit­tel (Fahr­rad- und Fuß­ver­kehr aus­ge­nom­men) pus­ten mehr in die Luft. Die Nega­tiv­bi­lanz des Autos wird nur noch vom Flug­ver­kehr getoppt.

Mir per­sön­lich ein beson­ders wich­ti­ges Anlie­gen ist immer die Fra­ge nach dem Res­sour­cen­ver­brauch. Denn wir beu­ten die Erde inner­halb weni­ger Jahr­zehn­te mit dem aus, was sie über vie­le Mil­lio­nen von Jah­ren geschaf­fen hat und nach mensch­li­chem Ermes­sen nicht mehr nach­wächst. Auch des­we­gen – und natür­lich wegen unse­rem Kli­ma, das immer mehr ver­rückt­spielt – ist es so wich­tig, dass wir uns von Öl, Gas und Koh­le unab­hän­gi­ger und eines Tagen weit­ge­hend unab­hän­gig machen.

Der Ver­brauch von Ver­kehrs­mit­teln wird in Ben­zin­äqui­va­len­ten gemes­sen. Die Bilanz ist klar: Der Rei­se­bus sticht mit einem Ver­brauch von 1,4 Litern pro 100 Per­so­nen­ki­lo­me­ter das Auto und das Flug­zeug klar aus. Aber auch die Fern­ver­kehrs­zü­ge schnei­den mit 1,9 Litern beson­ders gut ab. Ich weiß, wes­halb ich zwi­schen Stutt­gart und Ber­lin nahe­zu aus­schließ­lich mit der Bahn pend­le. Die Ver­kehrs­mit­tel des öffent­li­chen Nah­ver­kehrs ver­brau­chen je rund 3 Liter und damit halb so viel wie das Auto.

Aller­dings muss dar­auf hin­ge­wie­sen wer­den, dass die Öko­bi­lan­zen der Ver­kehrs­mit­tel sehr stark von der Aus­las­tung der jewei­li­gen Fahr­zeu­ge abhängt. Hier wur­den vom Umwelt­bun­des­amt Durch­schnitts­wer­te zugrun­de gelegt. Beim Pkw wur­de bei­spiels­wei­se von 1,5 Per­so­nen aus­ge­gan­gen – einem Wert, der im Berufs­ver­kehr und damit dann, wenn alle gleich­zei­tig fah­ren, nicht erreicht wird. Bei der Bahn wur­de von 50% im Fern- und von nur 28% im Nah­ver­kehr aus­ge­gan­gen. Beim Lini­en­bus im Nah­ver­kehr wur­de eine Aus­las­tung von 21% ange­nom­men. Und beim Rei­se­bus (inklu­si­ve Fern­bus) ging man von 60% aus. Klar ist, dass beim Rei­se­bus die Grö­ße der zu beför­dern­den Grup­pe zumeist vor­her ziem­lich genau bekannt ist. Damit lässt sich die geeig­ne­te Gefäß­grö­ße bestim­men und eine hohe Aus­las­tung und damit eine posi­ti­ve Öko­bi­lanz erzie­len.

Im Ergeb­nis lässt sich fest­hal­ten:

Die Öko­bi­lanz des Flug­zeugs und des Autos ist bei allen Para­me­tern schlecht. Am bes­ten schnei­den der Rei­se­bus und die Bahn im Fern­ver­kehr ab. Für den Rei­se­bus spre­chen ins­be­son­de­re der Kli­ma­schutz und der Ener­gie­ver­brauch. Dies zeigt, dass es kei­nen Sinn macht, Bahn und Rei­se- bzw. Fern­bus gegen­ein­an­der aus­zu­spie­len. Bei den Stick­oxi­den muss der Rei­se­bus aller­dings bes­ser wer­den.

Zur Öko­bi­lanz der Bahn möch­te ich noch eini­ge kur­ze Ergän­zun­gen hin­zu­fü­gen:

40 Pro­zent der Schie­nen­stre­cken in Deutsch­land sind nicht elek­tri­fi­ziert. Mit jeder Stre­cken­elek­tri­fi­zie­rung – erst Recht in Kom­bi­na­ti­on mit der wei­te­ren Erhö­hung des Öko­strom-Anteils – wird die Bahn effi­zi­en­ter und kli­ma­freund­li­cher.

Ich bin sehr froh, dass es damit gera­de hier in der Regi­on end­lich vor­an­geht: Die Elek­tri­fi­zie­rung der Süd­bahn (Ulm-Fried­richs­ha­fen) und des öst­li­chen Teils der Boden­see­gür­tel­bahn (Fried­richs­ha­fen-Lin­dau) wird gera­de geplant. Das Land B‑W betei­ligt sich frei­wil­lig an der Finan­zie­rung, dadurch kam end­lich Bewe­gung in die Sache.

Ein umwelt­re­le­van­ter Aspekt, der sel­ten berück­sich­tigt wird, ist der Flä­chen­ver­brauch. Hier schnei­det der Bus gut ab. Sogar bes­ser als voll­be­setz­te Autos.

Zurück zu den Stick­oxi­den und dem Rei­se­bus. Über die Hälf­te der Rei­se­bus­se ent­spre­chen nur der Euro­norm 3 oder weni­ger (Daten aus 2016). Mit der not­wen­di­gen Flot­ten­er­neue­rung wird die Bus­bran­che ihre Öko­bi­lanz deut­lich ver­bes­sern kön­nen. Dass not­wen­di­ge Inves­ti­tio­nen finan­ziert wer­den müs­sen und dafür erst ein­mal Gewin­ne erfor­der­lich sind ist mir klar. Aber Sie sind ja eine erfolg­rei­che und gro­ße Bran­che.

Span­nend (auch poli­tisch span­nend) gewor­den ist Ihre Bran­che beson­ders durch die Fern­bus­se. Ich glau­be, dass bei allem Preis­druck, der in die­sem Seg­ment besteht, vom Fern­bus eine Rie­sen­chan­ce für den Rei­se­bus, ja für den Bus ins­ge­samt, aus­geht: Wäh­rend die Bus­rei­sen­den im Rei­se­bus ein Durch­schnitts­al­ter von 56 Jah­ren auf­wei­sen, sorgt der libe­ra­li­sier­te Fern­bus­markt für eine deut­li­che Ver­jün­gung der Fahr­gäs­te. Die Hälf­te der Fern­bus-Fahr­gäs­te ist noch kei­ne 30 Jah­re alt. Und der Fern­bus hat mei­ner Wahr­neh­mung zufol­ge zu einem deut­li­chen Image­wan­del geführt: Rei­sen mit dem Bus hat sein etwas ange­staub­tes Image ver­lo­ren und gilt wie­der als zeit­ge­mäß und sogar cool.

Das macht auch Hoff­nung für vie­ler­orts neu ent­ste­hen­de, öffent­lich geför­der­te Bus­li­ni­en in Ergän­zung zum Schie­nen­ver­kehr. So hat bei­spiels­we­se die Regi­on Stutt­gart als Reak­ti­on auf die Fein­staub- und Stick­oxid­pro­ble­ma­tik drei Schnell­bus­li­ni­en geschaf­fen, die etwas län­ge­re Distan­zen als die übli­chen Lini­en­bus­se abde­cken. Eine ers­te Zwi­schen­bi­lanz sieht posi­tiv aus. Was den Rei­sen­den wich­tig ist, wur­de auch beim neu­en Schnell­bus deut­lich: Aus­rei­chend Platz fürs Gepäck, WLAN, gute Echt­zeit-Fahr­gast­in­for­ma­tio­nen und Bar­rie­re­frei­heit. Zum WLAN eine Anmer­kung: Dies ist auch des­halb so wich­tig, weil sich damit Rei­se­ket­ten von unter­wegs aus über­prü­fen und ändern las­sen. Die Digi­ta­li­sie­rung erweist sich damit als Chan­ce für eine nach­hal­ti­ge und ver­läss­li­che Mobi­li­tät.

Gera­de unter Jün­ge­ren trägt der Fern­bus dazu bei, dass das eige­ne Auto nicht mehr so wich­tig ist und Mobi­li­tät immer sel­te­ner auto­ma­tisch mit Auto­mo­bi­li­tät gleich gesetzt wird.

Rund jeder fünf­te Fern­bus­rei­sen­de ist übri­gens zu tou­ris­ti­schen Zwe­cken unter­wegs.

Je nach Stu­die stark schwan­kend kom­men 30 bis 60 Pro­zent der Fern­bus­nut­zer vom Auto. Sogar vom Flug­zeug wur­den Umstei­ger gezählt – in der Grö­ßen­ord­nung von etwa 5 Pro­zent. Aller­dings wäre rund jeder Drit­te Fern­bus­kun­de alter­na­tiv mit der Bahn gereist. Das schmerzt die Bahn. Inter­es­sant und lei­der nicht von der Hand zu wei­sen ist daher die Fest­stel­lung in einer der vie­len Stu­di­en, wonach zwi­schen öffent­li­chen Ver­kehrs­mit­teln wesent­lich stär­ke­re Sub­sti­tu­ti­ons­be­zie­hun­gen bestehen dürf­ten als zu einem Indi­vi­du­al­ver­kehrs­mit­tel. Dem Auto Markt­an­tei­le weg­zu­neh­men ist also extrem schwie­rig, wenn­gleich öko­lo­gisch drin­gend gebo­ten.

Wir Grü­ne haben der Libe­ra­li­sie­rung des Fern­bus­mark­tes zuge­stimmt. Und wir ste­hen dazu: Es ist gut, dass die Fami­lie umwelt­freund­li­cher Ver­kehrs­mit­tel Zuwachs bekom­men hat!

Über die Umwelt­bi­lanz des Fern­bus­ses lie­gen noch wenig belast­ba­re Erkennt­nis­se vor. Das Umwelt­bun­des­amt arbei­tet gera­de jedoch an einer Öko­bi­lanz für den Fern­bus. Ende Mai sol­len die Ergeb­nis­se vor­lie­gen. Was wir bereits wis­sen:

  1. Die Fern­bus­flot­te ist jung. Wegen der hohen Kilo­me­ter­leis­tung wer­den die Bus­se nur 3–4 Jah­re im Fern­bus­be­trieb genutzt. Damit ist der Anteil von Bus­sen mit Euro­norm 6 sehr hoch. Dies wirkt sich vor allem posi­tiv auf die Stick­oxid-Emis­sio­nen aus.
  2. Bei den Treib­haus­ga­sen schnei­det der Fern­bus bes­ser ab als die Bahn. Bei Fein­staub hin­ge­gen hat die Bahn einen Vor­teil.
  3. Es gibt – mehr als vor allem bei der Bahn – indu­zier­te Ver­keh­re. Dies sind durch die nied­ri­gen Prei­se zusätz­lich ange­reiz­te Ver­keh­re. Man geht von 5 bis 10 Pro­zent der Fahr­gäs­te aus, die nur wegen der bil­li­gen Fahr­kar­ten über­haupt eine Rei­se antre­ten. Mal sehen wie sich der Markt ent­wi­ckelt, nach­dem die fast-geschenkt-Prei­se von einem Euro, in Aus­nah­me­fäl­len sogar von nur einem Cent, zum Glück ver­schwun­den sind. Mobi­li­tät muss nicht teu­er sein. Einen Preis darf sie aber durch­aus haben.

Was wir Grü­ne für kor­rek­tur­be­dürf­tig hal­ten ist die Maut­be­frei­ung. Es passt nicht ins Sys­tem der Nut­zer­fi­nan­zie­rung, dass Fern­bus­se kei­ne Maut bezah­len müs­sen. Für jeden Lkw muss Maut bezahlt wer­den. Zuneh­mend muss auch für klei­ne­re Lkw und auf zusätz­li­chen Stra­ßen Maut abge­führt wer­den. Auch im Pkw-Bereich wur­de – wenn auch auf völ­lig unsin­ni­ge Wei­se – der Ein­stieg in die Nut­zer­fi­nan­zie­rung gemacht. Auch bei der Bahn muss für die Tras­sen­nut­zung bezahlt wer­den. Wir sehen kei­nen Grund, den Fern­bus aus die­ser Sys­te­ma­tik aus­zu­neh­men. Wir sehen auch kei­ne Gefahr, dass dies dem Fern­bus nen­nens­wert scha­den wür­de. Der Fern­bus ist erfolg­reich und hat sich eta­bliert. Das ist gut so und das wird auch so blei­ben.

In man­cher­lei Hin­sicht ist der Fern­bus – wie auch die Bahn – ande­ren Ver­kehrs­mit­teln gegen­über benach­tei­ligt. Ich erin­ne­re an die­ser Stel­le dar­an, dass der Flug­ver­kehr viel­fach sub­ven­tio­niert ist, so bei­spiels­wei­se bei der Mehr­wert­steu­er im grenz­über­schrei­ten­den Ver­kehr oder bei den Regio­nal­flug­hä­fen.

Was sich am Fern­bus­ver­kehr aus öko­lo­gi­scher Sicht ver­bes­sern kann und muss ist der Hol- und Bring­ver­kehr. Fast jeder drit­te Fern­bus­kun­de fährt mit dem Auto zur Fern­bus­hal­te­stel­le oder lässt sich mit dem Auto dort­hin fah­ren. Man­cher­orts wird durch die­sen Auto­ver­kehr auch der Betriebs­ab­lauf gestört. Ich fin­de es not­wen­dig, dass die Mit­nut­zung des öffent­li­chen Nah­ver­kehrs am Start- und Ziel­ort des Fern­bus­ses im Ticket­preis inbe­grif­fen ist.

Was uns Grü­nen nicht gefällt ist die Markt­kon­zen­tra­ti­on im Fern­bus­be­reich. Dass inzwi­schen 92 Pro­zent des Mark­tes auf einen Anbie­ter ent­fällt, wer­fen wir aller­dings nicht dem füh­ren­den Anbie­ter vor. Ers­tens waren nicht alle so inno­va­tiv und nicht alle hat­ten das Durch­hal­te­ver­mö­gen von Flix­bus. Zwei­tens hat sich gezeigt, dass das Kar­tell­recht Schwach­stel­len auf­weist und ange­passt wer­den muss. Sich nur an Umsatz­gren­zen zu ori­en­tie­ren ist unzu­rei­chend, wenn man Mono­po­le ver­hin­dern möch­te.

Stich­wort Mono­pol: Das Unter­neh­men Flix­bus sagt ja immer wie­der, es sei gar kein Mono­po­list, da das Auto rund 80 Pro­zent des Mark­tes beherrscht und Flix­bus nur ein Teil des öffent­li­chen Ver­kehrs sei. Ganz falsch ist die­se Sicht­wei­se nicht. Völ­lig über­zeu­gen kann sie den­noch nicht. Denn vie­le mit­tel­stän­di­sche Bus­un­ter­neh­men sind inzwi­schen in hohem Maße von Flix­bus und sei­nen Bedin­gun­gen abhän­gig. Wenn ich über Nach­hal­tig­keit rede, dann gehört auch die­ser Aspekt dazu. Bis­lang, das möch­te ich hin­zu­fü­gen, ist ein Miss­brauch die­ser Markt­stel­lung zumin­dest bei den Prei­sen für die Fahr­gäs­te nicht erkenn­bar. Wenn ich eine nach­hal­ti­ge Mobi­li­tät im Blick habe, dann spielt dabei der Bus eine wich­ti­ge Rol­le. Ich hof­fe, das ist deut­lich gewor­den.

In einem nach­hal­ti­gen Mix aus Ver­kehrs­mit­teln, mit dem sich res­sour­cen­scho­nend, kli­ma­freund­lich und mit redu­zier­ten Luft­schad­stof­fen Mobi­li­tät sichern lässt, gehört neben dem Bus, Fahr­rad und zu Fuß gehen auch die Bahn dazu. Wie in den nächs­ten Jah­ren in Schie­ne und Stra­ße inves­tiert wer­den soll, wird im Bun­des­ver­kehrs­we­ge­plan bzw. den dar­aus abge­lei­te­ten Aus­bau­ge­set­zen fest­ge­legt. Die­se Geset­ze wur­den im Dezem­ber 2016 vom Deut­schen Bun­des­tag beschlos­sen. Wir Grü­ne sehen dar­in eine mas­si­ve Fehl­ent­wick­lung. Mein Hei­mat­land Baden-Würt­tem­berg steht dafür exem­pla­risch: Alle vom Land ange­mel­de­ten Stra­ßen­pro­jek­te wur­den vom Bund auf­ge­grif­fen. Sogar noch mehr: Auch Bun­des­stra­ßen, die das Land über­haupt nicht woll­te, sind dar­in ent­hal­ten! Bei den Schie­nen­we­gen ist es genau umge­kehrt: Zunächst war nicht ein ein­zi­ger Schie­nen­weg fürs Land ent­hal­ten. Erst durch mas­si­ven Druck kam die Gäu­bahn (Stutt­gart-Zürich) doch noch – genau­er gesagt: wie­der – ins Gesetz hin­ein.

Vom Land ange­mel­de­te Schie­nen­pro­jek­te hier aus der Gegend hat­ten und haben hin­ge­gen kei­ne Chan­ce: Dazu gehört die ein­glei­si­ge Boden­see­gür­tel­bahn, die noch dazu zwi­schen Radolf­zell und Fried­richs­ha­fen noch immer nicht für die Elek­tri­fi­zie­rung vor­ge­se­hen ist. Der Bahn­be­trieb ver­läuft unter die­sen Bedin­gun­gen nur mit ein­ge­schränk­ten Kapa­zi­tä­ten und einem gro­ßen Ver­spä­tungs­ri­si­ko. Die Situa­ti­on der Schie­ne im Boden­see­raum ist übri­gens ein Grund, wes­halb ich mich der­zeit hier auf­hal­te: Ich tref­fe mich mit Ver­bän­den und Ein­zel­per­so­nen, um mich bes­ser zu infor­mie­ren und zu ver­net­zen.

Auf eini­ge Her­aus­for­de­run­gen der Rei­se­bus- und der Fern­bus­bran­che bin ich bereits ein­ge­gan­gen. Eini­ge wei­te­re möch­te ich noch benen­nen:

  1. Immer mehr euro­päi­sche Städ­te sper­ren wegen der Luft­be­las­tung älte­re oder gleich alle Die­sel­fahr­zeu­ge aus. Dies kann je nach Aus­ge­stal­tung der Regeln auch Ihre Bran­che betref­fen. Mit einer blau­en Pla­ket­te kann zumin­dest für ein­heit­li­che Spiel­re­geln in Deutsch­land gesorgt wer­den und ein Fli­cken­tep­pich regio­nal unter­schied­li­cher Ver­bo­te ver­mie­den wer­den. Auch des­halb wol­len wir Grü­ne die­se Pla­ket­te. Nun müs­sen sich alle, die mit Fahr­zeu­gen mit Ver­bren­nungs­mo­to­ren in die Städ­te wol­len, auf Fahr­be­schrän­kun­gen ein­stel­len. Für die meis­ten Ein­pend­ler gibt es akzep­ta­ble Alter­na­ti­ven. Für Ihre Bran­che wird dies schwie­ri­ger. Ich sehe nur Lösun­gen, die schwer umsetz­bar oder der­zeit noch nicht ver­füg­bar sind: An der Stadt­gren­ze Umstieg auf öffent­li­che Ver­kehrs­mit­tel; Hybrid­bus­se, mit denen sich elek­trisch durch die Stadt fah­ren lässt; Voll­elek­tri­sche Bus­se, wenn die Bat­te­rie­tech­nik die erfor­der­li­che Reich­wei­te ermög­licht[1]. Fast die Hälf­te aller Bus­un­ter­neh­men sieht in Fahr­be­schrän­kun­gen die größ­te Her­aus­for­de­rung für die betrieb­li­che Ent­wick­lung. Ich kann die Befürch­tun­gen ver­ste­hen. In den Städ­ten wird aber zukünf­tig das The­ma „Luft­rein­hal­tung und Gesund­heits­schutz“ eine immer wich­ti­ge­re Rol­le spie­len. Die Betrof­fe­nen haben einen Rechts­an­spruch, den es ein­zu­lö­sen gilt. Die Gerich­te las­sen sich nicht mehr hin­hal­ten und erwar­ten, dass dem Recht end­lich zum Durch­bruch ver­hol­fen wird. Wir dür­fen nicht ver­ges­sen, dass der Immis­si­ons­grenz­wert seit 18 Jah­ren bekannt ist. Auch die Auto­mo­bil­in­dus­trie hat­te also mehr als genug Zeit, sich dar­auf ein­zu­stel­len! Hier sind Ideen und Inno­va­tio­nen gefragt. Dar­an müs­sen auch die Städ­te, die nicht unwe­sent­lich vom Bus­tou­ris­mus leben, ein Inter­es­se haben und dürf­ten daher ger­ne Teil der Lösung sein wol­len. Es wird aller­dings nicht die eine Lösung für alle Unter­neh­men der Bus­tou­ris­tik bzw. für alle Rei­se­grup­pen geben. Zur Auto­mo­bil­wirt­schaft muss ich aller­dings lei­der noch ein ernüch­tern­des Bei­spiel benen­nen. Ich war vor eini­gen Mona­ten bei Evo­bus, der Bus­toch­ter des Daim­ler­kon­zerns. Bei der Werks­be­sich­ti­gung und im Gespräch mit der Werks­lei­tung wur­de mir erläu­tert, dass das Unter­neh­men auf kon­ven­tio­nel­le Antrie­be und Hybridtch­nik, nicht aber auf voll­elek­tri­sche Bus­se setzt. Vor weni­gen Wochen war ich dann bei Bom­bar­dier – eben­falls in Mann­heim. Das Unter­neh­men ent­wi­ckelt dort Loko­mo­ti­ven und auch an Elek­tro­mo­to­ren und Bat­te­rien. Da die Ent­wick­lungs­kos­ten hier­für hoch sind, kam die Fir­ma auf die Idee, bei Evo­bus anzu­klop­fen und eine Zusam­men­ar­beit beim Bau von E‑Bussen vor­zu­schla­gen. Von dort kam aber eine Absa­ge mit der Begrün­dung, man habe so viel Geld in die Ent­wick­lung der Euro­norm 6‑Motoren gesteckt, das man kein Inter­es­se an Elek­tro­bus­sen habe. Bom­bar­dier baut nun zusam­men mit einer schwei­zer Fir­ma E‑Busse. Ihnen als Bus­tou­ris­tik-Unter­neh­men ist es ver­mut­lich nicht so wich­tig, wo die Bus­se her­kom­men. Ich muss aber sagen, dass ich das Ver­hal­ten eta­blier­ter Auto­bau­er ein­fach nur trau­rig fin­de.
  2. Das gestie­ge­ne Ter­ror­ri­si­ko führt zu mehr Urlaub in Deutsch­land, was sich in Ihrer Bran­che anhand stei­gen­der Buchungs­zah­len im Inlands­tou­ris­mus able­sen lässt. Zugleich wer­den Bus­rei­sen – vor allem ins Aus­land – aber immer spon­ta­ner gebucht und auch wie­der stor­niert. Das erschwert Ihre Pla­nun­gen.
  3. Schließ­lich ist die Bus­bran­che von Fah­rer­man­gel in beson­de­rer Wei­se betrof­fen. Es muss mehr aus­ge­bil­det wer­den. Hin­zu kom­men die Fra­gen der Bezah­lung und der Arbeits­zei­ten, die sich sel­ten fami­li­en­freund­lich orga­ni­sie­ren las­sen.
  4. Mobi­li­täts­ein­ge­schränk­te Rei­sen­de machen schon heu­te sechs Pro­zent Ihrer Ziel­grup­pen aus. Dies dürf­te ange­sichts des demo­gra­fi­schen Wan­dels ein wach­sen­der Markt sein. Das erfor­dert dann aber auch dafür geeig­ne­te Bus­se und Fahrt­zie­le. Im Fern­bus­be­reich hat der Gesetz­ge­ber die Vor­ga­be gemacht, dass jeder Bus über min­des­tens zwei roll­stuhl­ge­rech­te Plät­ze ver­fü­gen muss. Was noch fehlt sind seri­en­mä­ßi­ge Ange­bo­te der Bus­her­stel­ler und ent­spre­chend aus­ge­bau­te Bus­hal­te­stel­len.

Mei­ne Damen und Her­ren,

ich bin fest über­zeugt davon: Nur nach­hal­ti­ge Mobi­li­tät kann eine Zukunft haben und wird eine Zukunft haben. Gera­de im Bereich des Tou­ris­mus ist dies beson­ders wich­tig. Dazu gehö­ren neben der Wahl des Ver­kehrs­mit­tels auch die Unter­kunft und die Akti­vi­tä­ten am Urlaubs­ort. Bei Ihnen lie­gen ja die eigen ver­an­stal­te­ten Bus­rei­sen im Trend. Damit haben Sie auch Ein­fluss auf die­se Aspek­te der umfas­sen­den Nach­hal­tig­keit. Denn es wäre absurd, wenn der Tou­ris­mus das, wovon er lebt, näm­lich schö­ne Land­schaf­ten, Natur und gesun­de Luft zer­stö­ren wür­de.

Ich glau­be, es war Erich Käst­ner, der sinn­ge­mäß ein­mal gesagt hat: „Eines Tages wer­den wir über­all hin rei­sen kön­nen. Nur wird es sich immer häu­fi­ger nicht mehr loh­nen, dort anzu­kom­men.“

Soweit darf es nicht kom­men. Dafür steht jede Bür­ge­rin und jeder Bür­ger eben­so in der Ver­ant­wor­tung wie die Poli­tik und die Mobi­li­täts­bran­che. Und damit auch die Bus­un­ter­neh­men. Die Aus­gangs­la­ge für Sie ist gut. Im Jahr 2016 waren so vie­le Men­schen wie nie zuvor mit Bus und Bahn unter­wegs. Das Auto ver­liert an Bedeu­tung – nicht aber der Urlaub. Die­ser wird aber immer häu­fi­ger in Distan­zen ver­bracht, die mit dem Bus erreich­bar sind. Hin­zu kommt, dass der Bus auf der Beliebt­heits­ska­la vor allem der jun­gen Men­schen gestie­gen ist.

Eini­ges ist noch zu schaf­fen. Machen Sie war dar­aus!

[1] Bdo-Kon­junk­tur­um­fra­ge 2016/2017: 43% der Bus­un­ter­neh­men glau­ben, dass der Elek­tro­an­trieb eine wich­ti­ge Ent­wick­lung für den Fern­li­ni­en­ver­kehr sein wird (S.31)