Baustellen lähmen die Gäubahn

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29.08.2021

Koordinierung erscheint verbesserungsbedürftig

In den letz­ten Jah­ren muss­ten die Nut­zer der Gäu­bahn viel über sich erge­hen las­sen. Stre­cken­sper­run­gen, Fahr­plan­än­de­run­gen und Schie­nen­er­satz­ver­keh­re in Fol­ge von Bau­ar­bei­ten stan­den prak­tisch auf der Tages­ord­nung. Um her­aus­zu­ar­bei­ten, war­um dies der Fall ist und ob Män­gel, etwa bei der Koor­di­nie­rung der Bau­maß­nah­men began­gen wur­den, habe ich unter­sucht, wann, wo wel­che Arbei­ten in den letz­ten Jah­ren statt­fan­den.
Dabei habe ich mich für den Zeit­raum 2016 bis 2021 für die detail­lier­te Betrach­tung ent­schie­den. Beach­tung fin­den in die­ser Auf­stel­lung nur Bau­maß­nah­men. Ande­re Beein­träch­ti­gun­gen, etwa durch Unfäl­le (Ent­glei­sun­gen im Bahn­hof Horb) oder tech­ni­sche Defek­te an Fahr­zeu­gen und damit ver­bun­de­ne Sper­run­gen sind nicht mit ein­ge­flos­sen.

In den sechs betrach­te­ten Jah­ren fan­den zwi­schen Stutt­gart und Schaff­hau­sen, bzw. Stutt­gart und Kon­stanz 16 grö­ße­re Bau­maß­nah­men statt. Ins­ge­samt war die Stre­cke an knapp 400 Tagen¹ nicht voll­stän­dig ohne Beein­träch­ti­gung zu befah­ren, weil an einem oder meh­re­ren Stre­cken­ab­schnitt Bau­ar­bei­ten statt­fan­den. Das ent­spricht 18% des gesam­ten Unter­su­chungs­zeit­raums. Ins­ge­samt konn­ten durch Stre­cken­sper­run­gen seit 2016 rund 32.000 Zug­fahr­ten² nicht wie geplant statt­fin­den, fie­len in Tei­len oder voll­stän­dig aus oder wur­den durch SEV ersetzt.

Bei der Betrach­tung, wo gebaut wur­de, ste­chen vor allem zwei Abschnit­te ins Auge (sie­he Abbil­dung 1). Ein­mal der Abschnitt Böb­lin­gen – Horb mit vier sper­rungs­in­du­zie­ren­den Maß­nah­men und einer gesam­ten Sperr­zeit von 95 Tagen und zum ande­ren der Stre­cken­ab­schnitt zwi­schen Tutt­lin­gen und Sin­gen, der in den ver­gan­ge­nen Jah­ren eben­falls vier­mal für ins­ge­samt 121 Tage gesperrt war.

Dabei stellt sich vor allem auf die­sen Abschnit­ten, aber auch für die Gesamt­stre­cke, die Fra­ge, ob sich Maß­nah­men nicht bes­ser bün­deln las­sen, um Sperr­zei­ten kür­zer zu hal­ten und die Beein­träch­ti­gung für die Nut­zer des Umwelt­freund­li­chen Ver­kehrs­mit­tels Bahn mög­lichst gering zu hal­ten. Zumal die Deut­sche Bahn auch immer wie­der für ihre, zum Teil lang andau­ern­den, Bau­maß­nah­men wirbt, indem sie von „integrierte[r] Bün­de­lung“ (Bau­in­for­ma­ti­ons­fly­er DB), etwa bei der 26 Tage andau­ern­den Total­sper­rung zwi­schen Bon­dorf und Horb im Mai und Juni 2018. Nun zeigt sich aller­dings, dass im Som­mer 2021, drei Jah­re spä­ter, erneut lang­wie­ri­ge Sper­run­gen für den Abschnitt Böb­lin­gen-Horb anste­hen.

Auch zwi­schen Tutt­lin­gen und Sin­gen wird der Begriff „inte­grier­te Bün­de­lung“ (Bau­in­for­ma­ti­ons­fly­er DB) ver­wen­det, um über eine 13-tägi­ge Sper­rung im Herbst 2018 zu infor­mie­ren. Der­sel­be Stre­cken­ab­schnitt war jedoch schon­mal, im Jahr 2012 für ins­ge­samt 40 Tage, gesperrt. Damals sprach man von einer „Bün­de­lung einer Viel­zahl von Bau­ar­bei­ten“ (DB). Bereits ein Jahr nach der „inte­grier­ten Bün­de­lung“ im Jahr 2018, kam es erneut zu Bau­ar­bei­ten und Sper­run­gen zwi­schen Tutt­lin­gen und Sin­gen. Dies­mal wur­de auf­grund von Gleis­ar­bei­ten die Stre­cke ins­ge­samt 70 Tage dicht­ge­macht. Die „Maß­nah­me [sei] eska­liert“ schreibt die DB dazu in ihrem Bau­kor­ri­dor­steck­brief. Im Früh­jahr 2021 ist es wie­der der Abschnitt zwi­schen Tutt­lin­gen und Sin­gen, der, dies­mal für 32 Tage auf­grund von Bahn­über­gangs­ar­bei­ten, beein­träch­tigt ist.

Bei­de Bei­spie­le zei­gen, dass man kaum von „Maß­nah­men­bün­de­lung“ spre­chen kann. Bau- und Sanie­rungs­be­darf von Schie­nen­in­fra­struk­tur zeich­net sich in der Regel früh­zei­tig ab zumal Bahn­an­la­gen eine ver­gleichs­wei­se hohe Lebens­dau­er haben. Sanie­rungs­ar­bei­ten sind sicher­lich not­wen­dig und Stre­cken­sper­run­gen dabei lei­der oft­mals unver­meid­bar, aller­dings soll­te ein gutes Bau­stel­len­ma­nage­ment in der Lage sein abseh­ba­re Arbei­ten zu bün­deln und Beein­träch­ti­gun­gen damit mög­lichst zu mini­mie­ren. Der Deut­schen Bahn ist dies auf der Gäu­bahn in den ver­gan­ge­nen Jah­ren nicht gelun­gen.

Hin­zu kommt noch, dass so gut wie alle auf­ge­führ­ten Pro­jek­te aus­schließ­lich unbe­dingt not­wen­di­ge Sanie­run­gen im Bestand waren, die so gut wie kei­ne Ver­bes­se­run­gen für Kapa­zi­tät, Fahr­zeit oder Fahr­gast­kom­fort gebracht haben. Hier zeigt sich wie­der ein­mal der Sanie­rungs­stau, den die DB vor sich her­schiebt.

Auch für die nächs­ten Jah­re müs­sen sich die Gäu­bahn­nut­zer wei­ter auf Sper­run­gen ein­stel­len und mit Schie­nen­er­satz­ver­keh­ren arran­gie­ren. 2023 steht die (Wieder-)Herstellung der Zwei­glei­sig­keit zwi­schen Horb und Neckar­hau­sen an, für wel­che die DB noch kei­ne Aus­sa­ge über den Umfang der Beein­träch­ti­gung geben kann oder will. Auch der aktu­ell in Pla­nung befind­li­che Tun­nel Sulz-Neckar­hau­sen wird mit Beein­träch­ti­gun­gen ver­bun­den sein und ab 2025 ist die Stre­cke zwi­schen Vai­hin­gen und Stutt­gart Hbf auf unbe­stimm­te Zeit, aber für min­des­tens sechs Jah­re unter­bro­chen. Wel­che wei­te­ren Maß­nah­men auf der Sanie­rungs- und Aus­bau­be­dürf­ti­gen Bahn­stre­cke noch spon­tan anfal­len und wie vie­le „inte­grier­te Bün­de­lun­gen“ auf uns zukom­men, bleibt abzu­war­ten.

¹Sie­he bei­geleg­tes Tabel­len­do­ku­ment. Auf­stel­lung aus ver­schie­de­nen Quel­le. Zahl nicht voll belast­bar.
²Ab­schät­zen­de Rech­nung unter der Berück­sich­ti­gung der Sperr­dau­er, Sperr­ab­schnit­te und dort in die­sem Zeit­raum nach Fahr­plan ver­keh­ren­den Züge.