Ein Mediziner berichtet – Kretschmann macht sich Gedanken
Zwei sehr informative bzw. kluge Interviews haben mich die letzten Tage beschäftigt. Boris Nohé, Chefarzt im Zollernalb-Klinikum, spricht aus der Praxis im Umgang mit Covid. Ministerpräsident Kretschmann macht sich Gedanken über Freiheit und Veranwtortung.
Der Mediziner Nohé beschreibt die Auswirkungen der vierten Welle auf den klinischen Alltag. Er spricht von erschöpften Kapazitäten, dem nach fast zwei Pandemiejahren ausgelaugten Personal – und unberechenbaren Krankheitsverläufen sowie vom Tod, der auch jüngere Infizierte ereilen kann. Anschaulich schildert er Diskussionen mit Coronaleugnern und Impfgegnern unter den schwer Erkrankten. So habe ein Patient bis zu seinem letzten Atemzug geleugnet, überhaupt an Corona erkrankt zu sein. Aktuell seien 90 Prozent der Intensivpatienten nicht geimpft. Die Vakzine seien mittlerweile milliardenfach verabreicht worden. Kein Impfstoff sei jemals so gut untersucht und überwacht worden. Auch jene nicht, die sich Urlauber verabreichen lassen würden, um in exotische Länder fliegen zu können – und die oftmals vor Risiken schützen, die sehr unwahrscheinlich sind. Die Gefahr, an Covid zu erkranken, sei dagegen sehr real – und deutlich höher als das Risiko der Impfung. Klare Worte aus der medizinischen Praxis!
Klug finde ich die Aussagen von Winfried Kretschmann im taz-Interview. Er bezeichnet es als verstörend, dass sich in der Pandemie eine starke Minderheit weigert, sich „auf der Grundlage von Tatsachen“ impfen zu lassen. Spätestens seit Kant sei der Freiheitsbegriff immer an die Vernunft gebunden. Die bestehende Entscheidungsfreiheit des Einzelnen, sich jetzt nicht impfen zu lassen, begrenze die Freiheitsspielräume der vielen auf lange Sicht in erheblichem Maße. In einer funktionierenden Gesellschaft müssten Bürger einen Teil ihrer Entscheidungsfreiheit und damit einen Teil ihrer persönlichen Freiheit abgeben, um ein Mehr an Freiheit für alle im menschlichen Zusammenleben zu ermöglichen.
Besonders des Nachdenkens wert finde ich diese Aussage Kretschmanns: „Wir hören ja im Moment, dass die Diskussion über das Impfen, Familien und Freundschaften sprengt. Mit der Impfpflicht zieht der Staat den Konflikt aus der Gesellschaft heraus, und die Bürger müssen sich nicht gegenseitig moralisch beharken. Ich bin davon überzeugt: Das befriedet die Gesellschaft mittelfristig.“
Quellen:
https://taz.de/Kretschmann-ueber-Klima-und-Pandemie/!5817676/