Deutsche Bahn reagiert auf Kritik an „Engpass Tiefbahnhof“

Hinweis: Dieser Beitrag ist schon älter und wurde möglicherweise noch nicht in das neue Format umgewandelt.

03.05.2021

Kein Widerspruch in der Sache – Meine Antwort

Dass die Deut­sche Bahn einen Bei­trag auf mei­ner Home­page kom­men­tiert, geschieht nicht alle Tage. Bei der Bewer­tung des Gleis­be­le­gungs­plans für den Tief­bahn­hof von Stutt­gart 21 war dem so. In der Sache gab es kein Wider­spruch.

Was gesche­hen war: Ich hat­te mir den Gleis­be­le­gungs­plan für Stutt­gart 21 besorgt und die Ver­kehrs­in­ge­nieu­re mei­nes Büros eini­ge bei­spiel­haf­te Ver­spä­tun­gen simu­lie­ren las­sen. Im Ergeb­nis wur­de fest­ge­stellt, dass bereits eine ein­zel­ne Ver­spä­tung schnell mal vier wei­te­re Ver­spä­tun­gen nach sich zie­hen kann, da der Bahn­hof sehr eng belegt ist. Hier der Bei­trag, um den es geht: https://www.matthias-gastel.de/stuttgart-21-aus-einem-verspaeteten-zug-werden-fuenf-verspaetete-zuege/

Die Deut­sche Bahn hat nun kri­ti­siert, ich hät­te sug­ge­riert, dass der neue Haupt­bahn­hof gleich nach sei­ner Eröff­nung an sei­ner Kapa­zi­täts­gren­ze ope­rie­re. Ich hat­te aber aus­drück­lich geschrie­ben, dass der Betrach­tung nicht der Gleis­be­le­gungs­plan für den Inbe­trieb­nah­me­fahr­plan, son­dern der des drit­ten Ziel­fahr­plans für den Deutsch­land­takt zugrun­de gelegt wor­den war. Dazu, dass ein neu­er Bahn­kno­ten, der für 80 bis 100 Jah­re geschaf­fen wird, mehr erfül­len kön­nen muss, als viel­leicht (das haben wir nicht unter­sucht) den Anfor­de­run­gen zur Betriebs­auf­nah­me zu ent­spre­chen, ste­he ich wei­ter­hin. Die Deut­sche Bahn deu­te­te in ihrem Brief zwar etwas von Opti­mie­rungs­mög­lich­kei­ten an, wur­de hier­bei aber nicht kon­kre­ter. Sie schrieb auch, dass es zu weni­ger Dop­pel­be­le­gun­gen kom­men wer­de, nann­te aber kei­ne Zahl. Dies soll­te mit einer Redu­zie­rung der Hal­te­zei­ten rea­li­siert wer­den, da die­se unnö­tig lan­ge sei­en. Dabei ist doch ein wesent­li­ches Merk­mal eines inte­gra­len Takt­fahr­plans, dass Züge etwas län­ger hal­ten, um bes­se­re Umstie­ge zu ermög­li­chen. Dazu kommt, dass durch die län­ge­ren Hal­te­zei­ten auch die Rei­hen­fol­ge in den Zu- und Abläu­fen gere­gelt wird. Erstaun­lich fand ich auch die Äuße­run­gen der Deut­schen Bahn, wonach in Stutt­gart zukünf­tig ein „S‑Bahn-ähn­li­cher Hoch­leis­tungs­be­trieb“ geplant sei, ohne zu erklä­ren, wie dies auf den Zulauf­stre­cken funk­tio­nie­ren soll, bei denen die gefah­re­nen Geschwin­dig­kei­ten unter­schied­lich sein wer­den.

Den Ergeb­nis­sen unse­rer aus­schnitts­wei­sen Mini-Simu­la­ti­on wur­de nicht wider­spro­chen: Der Bahn­hof kann den drit­ten Ziel­fahr­plan und die dar­über hin­aus­ge­hen­den Anfor­de­run­gen für eine Ver­kehrs­wen­de nicht mit guter Betriebs­qua­li­tät abbil­den.

 

Mei­ne Ant­wort fiel recht aus­führ­lich aus:

 

Sehr geehr­te Damen und Her­ren der Deut­schen Bahn,

vie­len Dank für Ihr Schrei­ben.

Wie Sie wis­sen, ist mir eine sach­li­che Dis­kus­si­on gera­de um die­ses oft mit vie­len Emo­tio­nen behaf­te­te The­ma gele­gen. Pole­mik wäre ein­fa­cher, als die Ver­kehrs­in­ge­nieu­re mei­nes Büros an eine auf­wän­di­ge Ana­ly­se des Gleis­be­le­gungs­plans und an bei­spiel­haf­te Unter­su­chun­gen der Aus­wir­kun­gen ein­zel­ner Zug­ver­spä­tun­gen zu set­zen. Mir ist bewusst, dass der end­gül­ti­ge Inbe­trieb­nah­me­fahr­plan noch nicht vor­liegt. Um jeg­li­ches Miss­ver­ständ­nis zu ver­mei­den, wei­se ich ein zwei­tes und drit­tes Mal auf der Web­site aus­drück­lich dar­auf hin, dass der Ziel­fahr­plan die Basis für den Gleis­be­le­gungs­plan dar­stellt. Noch wich­ti­ger ist jedoch der Hin­weis, dass der neue Bahn­kno­ten für eine min­des­tens 80-jäh­ri­ge Betriebs­zeit gebaut wird und hier­für der Ziel­fahr­plan des Deutsch­land­tak­tes eine Min­dest­vor­aus­set­zung für die erfor­der­li­che Leis­tungs­fä­hig­keit dar­stellt. Das maß­geb­li­che Instru­ment für die Bemes­sung der min­des­tens erfor­der­li­chen Intra­struk­tur ist nicht der Inbe­trieb­nah­me­fahr­plan, son­dern der drit­te Ziel­fahr­plan des Deutsch­land­takts, um Poten­ti­al für eine Wei­ter­ent­wick­lung des Bahn­ver­kehrs bis zum Jahr 2030 und dar­über hin­aus zu bie­ten. Unter dem Pla­nungs­pa­ra­dig­ma „Ange­bots­pla­nung vor Infra­struk­tur­pla­nung“ hal­te ich also die Kon­zep­tio­nie­rung des im drit­ten Ziel­fahr­plans hin­ter­leg­ten Fahr­plans lang­fris­tig für die bestim­men­de Grö­ße, an der sich die Infra­struk­tur bemes­sen muss. Nun ist der neue Stutt­gar­ter Tief­bahn­hof unbe­streit­bar vor den Kon­zep­tio­nen des Deutsch­land­takts ent­stan­den. Trotz­dem muss auch die­ser Bahn­hof den Anfor­de­rung die­ses Takt­fahr­plans genü­gen – und, wo erfor­der­lich, infra­struk­tur­sei­tig ange­passt wer­den. An ande­re Stel­len des Bahn­kno­tens, so mit der gro­ßen Wend­lin­ger Kur­ve und zusätz­li­chen Glei­sen im Nord­zu­lauf, ist dies bereits gelun­gen.

Der Haupt­bahn­hof darf nicht län­ger der dro­hen­de Eng­pass blei­ben. Aus den aus­ge­führ­ten Grün­den kann ich mir nicht vor­stel­len, wie ein “opti­mier­ter” Gleis­be­le­gungs­plan unter Berück­sich­ti­gung der hin­ter­leg­ten Lini­en des drit­ten Ziel­fahr­plans aus­se­hen könn­te, ohne dass die­ser von den dort ange­stell­ten Über­le­gun­gen wesent­lich abweicht. Gera­de die von Ihnen ange­spro­che­nen lan­gen Hal­te­zei­ten sind wesent­li­ches Kenn­merk­mal eines inte­gra­len Takt­fahr­plans, wie der Deutsch­land­takt auch einer sein soll. Eine Kür­zung der Hal­te­zei­ten die­ser Züge wür­de ent­spre­chen­de Kon­se­quen­zen für die Anschlüs­se und Umstie­ge im Kno­ten Stutt­gart bedeu­ten, die bei einem opti­mier­ten Gleis­be­le­gungs­plan trans­pa­rent dar­zu­stel­len wären. Dar­über hin­aus ist zu beach­ten, dass in einem Kno­ten­bahn­hof auch die Zug­fol­ge der Zu- und Abläu­fe gere­gelt wird. Daher ist es durch­aus denk­bar, dass eine lan­ge Hal­te­zeit eines Zuges auch dadurch zu recht­fer­ti­gen ist, dass ein schnel­le­rer Zug mit glei­chem Zu- und Ablauf zwar spä­ter ankommt, aller­dings noch vor dem Zug mit der kür­ze­re Hal­te­zeit abfah­ren muss, um sei­ne schnel­le­re Fahr­zeit rea­li­sie­ren zu kön­nen. Die Hal­te­zeit ist nicht unbe­dingt mit der aus der Fahr­gast­wech­sel­zeit resul­tie­ren­den ver­kehr­li­chen Hal­te­zeit gleich­zu­set­zen. Wenn die Deut­sche Bahn mit eige­nen Gleis­be­le­gungs­plä­nen nach­wei­sen kann, dass der Kno­ten Stutt­gart auch lang­fris­tig – also unter Annah­me des drit­ten Ziel­fahr­plans – mit guter Qua­li­tät betrie­ben wer­den kann, bin ich an die­sen Plä­nen sehr inter­es­siert, inklu­si­ve der Dar­stel­lung, wie sich dies auf die Umstei­ge­zei­ten und Fahr­zei­ten der gesam­ten Lini­en aus­wir­ken wür­de. Noch bes­ser wäre natür­lich eine Unter­su­chung des Fahr­plans auf sei­ne Sta­bi­li­tät hin – ich gehe davon aus, dass dies ange­sichts der hohen Grund­be­las­tung des Bahn­hofs und der Zulauf­stre­cken zu kei­ner opti­ma­len oder guten Betriebs­qua­li­tät füh­ren wird. Soll­ten Sie sol­che Ergeb­nis­se vor­lie­gen haben, wäre eine Offen­le­gung sicher­lich ziel­füh­rend. In die­sem Zusam­men­hang ver­wun­dert mich auch die auf­ge­stell­te Hypo­the­se, dass wäh­rend der Hal­te­zeit eines 10 Minu­ten hal­ten­den Zuges statt­des­sen angeb­lich drei Züge ohne Dop­pel­be­le­gung hal­ten könn­ten. Selbst unter Ein­be­zug des Poten­ti­als von ETCS hal­te ich dies bei Regio­nal- und Fern­ver­kehrs­zü­gen im Ange­sicht von all­täg­li­chen Stö­run­gen und Ver­zö­ge­run­gen und unter Berück­sich­ti­gung der nach den DB-Richt­li­ni­en anzu­set­zen­den Hal­te­zei­ten für Kno­ten­punk­te für eine betrieb­lich nicht rea­li­sier­ba­re Aus­sa­ge, ins­be­son­de­re unter Betrach­tung des Zu- und Ablaufs. Ein Bahn­hof kann nicht nur an der theo­re­ti­schen Mach­bar­keit gemes­sen wer­den, son­dern muss auch ein Grund­maß an Resi­li­enz ins­be­son­de­re in Bezug auf die Ver­spä­tungs­über­tra­gung auf­wei­sen. Wie dies in dem von Ihnen auf­ge­stell­ten Bei­spiel tat­säch­lich funk­tio­nie­ren soll, wür­de mich sehr inter­es­sie­ren.

Eben­so ver­wun­dert mich ihre Aus­sa­ge, mit ETCS einen S‑Bahn-ähn­li­chen Hoch­leis­tungs­be­trieb im Stutt­gar­ter Tief­bahn­hof ermög­li­chen zu kön­nen. Dies mag für den Bereich des Bahn­hofs gel­ten, in dem die Fahrt­ge­schwin­dig­kei­ten ver­gleich­bar sind, nicht jedoch auf den Zulauf­stre­cken, bei dem sich auch mit ETCS die Fahr­zei­ten so unter­schei­den, dass dies kapa­zi­täts­min­dernd wirkt. Wir Grü­ne begrü­ßen den Ein­satz von ETCS aus­drück­lich, haben dies für den Kno­ten Stutt­gart mit vor­an­ge­trie­ben, wei­sen jedoch dar­auf hin, dass ETCS nicht die Lösung aller Kapa­zi­täts­pro­ble­me sein kann. Mit­tels ein­fa­cher Mit­tel konn­ten wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­ter mei­nes Büros Sze­na­ri­en erstel­len, in dem ein ein­zel­ner Zug mit fünf Minu­ten Ver­spä­tung Fol­ge­ver­spä­tun­gen bei sechs ande­ren Zügen aus­lö­sen konn­te. Dies ist kei­ne Sel­ten­heit, son­dern wäre in der Rea­li­tät All­tag – es sei denn, der Bahn­be­trieb wür­de 2030 ohne Ver­spä­tun­gen aus­kom­men. Sie erwäh­nen dar­über hin­aus, dass der Bahn­hof fle­xi­bler bei Ver­spä­tun­gen sei. Dies ist sicher­lich kor­rekt, jedoch dient ein Bahn­hof vor allem der Pünkt­lich­keit der Fahr­gäs­te und nicht der Züge. So wür­de es bei der von Ihnen besag­ten Fle­xi­bi­li­tät bei­spiels­wei­se bei Bahn­steig­wech­seln zu grö­ße­ren Bewe­gun­gen der Fahr­gäs­te kom­men, die das Gleis wech­seln müs­sen. Der Zug könn­te zwar dann mög­li­cher­wei­se plan­mä­ßig nach zwei Minu­ten Hal­te­zeit abfah­ren, jedoch ohne die Fahr­gäs­te, die auf­grund der gege­be­nen Platz­ver­hält­nis­se in den Bahn­hofs­be­rei­chen nicht in der glei­chen Zeit die Bahn­stei­ge wech­seln kön­nen, wie dies dis­po­si­tiv für Züge ver­hält­nis­mä­ßig spon­tan mög­lich ist und bei den sei­tens der Deut­schen Bahn prä­fe­rier­ten Fahr­plä­nen wohl nicht anders durch­führ­bar ist.

Zudem muss berück­sich­tigt wer­den, dass inzwi­schen fast allen Par­tei­en Einig­keit besteht, deut­lich mehr Ver­keh­re als bis­her von der Stra­ße auf die Schie­ne zu ver­la­gern. Dies ist sicher­lich mit einem gan­zen Werk­zeug­kas­ten an Instru­men­ten zu errei­chen, von denen aber die aus­rei­chen­de Kapa­zi­tät der Infra­struk­tur und gera­de die der Kno­ten­punk­te sicher­lich eines der wirk­mäch­tigs­ten ist und sogar als Grund­vor­aus­set­zung betrach­tet wer­den muss. In Bezug auf die Dop­pel­be­le­gun­gen ver­wei­se ich auf die von mir mehr­fach gestell­ten klei­nen Anfra­gen, bei deren Beant­wor­tung sicher­lich die Deut­sche Bahn zu Rate gezo­gen wur­de. Bei der Beant­wor­tung schwank­te die ange­ge­be­ne Anzahl an Dop­pel­be­le­gun­gen allei­ne seit Som­mer letz­ten Jah­res zwi­schen 102 und 180 Dop­pel­be­le­gun­gen pro Tag (vgl. Fra­ge 39 Bun­des­tag­druck­sa­che 19/22479 und Fra­ge 22 Bun­des­tags­druck­sa­che 19/23871). Ich habe zuletzt mit den 102 Dop­pel­be­le­gun­gen argu­men­tiert, was deut­lich macht, dass sich die The­se eines als Eng­pass ent­ste­hen­den Bahn­kno­tens auch gut mit der nied­ri­ge­ren Zahl begrün­den lässt. Im Rah­men des Deutsch­land­takts weist ledig­lich der Bahn­hof Han­no­ver eine höhe­re Anzahl von Dop­pel­be­le­gun­gen auf, wobei die­se im Ver­gleich zu Stutt­gart bei wen­den­den Zügen durch­ge­führt wer­den, wodurch sich die Effek­te der Ver­spä­tungs­über­tra­gung stark redu­zie­ren im Ver­gleich zu den in Stutt­gart zu erwar­ten­den Dop­pel­be­le­gun­gen (vgl. Bun­des­tags­druck­sa­che 19/25774). Gera­de für einen neu errich­te­ten Bahn­hof sehe ich die hohe Anzahl an Dop­pel­be­le­gun­gen äußerst kri­tisch. Bezüg­lich des in Stutt­gart-Vai­hin­gen enden­den Regio­nal­ex­press ist fest­zu­hal­ten, dass die­ser dort sicher­lich ein gutes Fahr­gast­po­ten­ti­al erschließt. Noch grö­ßer wäre das Fahr­gast­po­ten­ti­al jedoch, wenn der Zug bis zum Stutt­gar­ter Haupt­bahn­hof durch­ge­bun­den wür­de, was mit einer Ergän­zungs­sta­ti­on unter Erhalt der Pan­ora­m­abahn mög­lich wäre.

Sie zitie­ren in ihrem Brief auch das Ver­kehrs­wis­sen­schaft­li­che Insti­tut (nicht zu ver­wech­seln mit dem Insti­tut für Eisen­bahn- und Ver­kehrs­we­sen, das im Gegen­satz zum VWI tat­säch­lich zur Uni­ver­si­tät Stutt­gart gehört) sowie das Ver­kehrs­mi­nis­te­ri­um Baden-Würt­tem­berg. Das voll­stän­di­ge Zitat von Gerd Heck­mann lau­tet: „Eine Ver­dop­pe­lung der Ver­kehrs­leis­tung ist mach­bar, dar­über hin­aus wird es eng“. Dazu kommt, dass sich besag­te Unter­su­chung des Insti­tuts nur auf die theo­re­ti­sche Kapa­zi­tät bezog, nicht jedoch auf die tat­säch­li­che Fahr­bar­keit des Fahr­plans – dies wur­de nicht unter­sucht. Daher folgt dar­aus nicht, dass der Ziel­fahr­plan betrieb­lich sta­bil fahr­bar wäre.

In Bezug auf das Not­fall­kon­zept habe ich die Bun­des­re­gie­rung mehr­fach mit Fra­gen kon­fron­tiert (vgl. Ant­wort Bun­des­tags­druck­sa­che 19/23871: “Da der Inbe­trieb­nah­me­fahr­plan für Stutt­gart 21 noch nicht final zwi­schen allen Betei­lig­ten abge­stimmt ist, liegt nach der Aus­kunft der DB AG noch kein detail­lier­tes zukünf­ti­ges Stör­fall­kon­zept vor”). Da auch bei die­sen Ant­wor­ten die Deut­sche Bahn sicher­lich kon­sul­tiert wor­den ist, bin ich etwas über­rascht, dass anschei­nend doch ein Not­fall­kon­zept für die S‑Bahn vor­lie­gen soll. Das von Ihnen vor­ge­stell­te Sze­na­rio ist aber aus mei­ner Sicht kein Not­fall­kon­zept: Zwar kön­nen sicher­lich Tei­le der Fahr­gäs­te im Stö­rungs­fall auf das Regio­nal­ex­press- oder Stadt­bahn­netz aus­wei­chen. Unter Anbe­tracht, dass die Regi­on Stutt­gart per­spek­ti­visch auf­grund der hohen Nach­fra­ge wäh­rend der Haupt­ver­kehrs­zeit nur noch Lang­zü­ge (Kapa­zi­tät 1.500 Fahr­gäs­te) ein­setzt, ist mir unklar, wie bei einem Stö­rungs­fall unter einem Min­dest­maß von Betriebs­sta­bi­li­tät sämt­li­che Fahr­gäs­te der S‑Bahn auf sicher­lich nicht lee­re Regio­nal­ex­pres­se oder gar Stadt­bah­nen umstei­gen sol­len. Die ein­ge­setz­te S‑Bahn Lang­zü­ge sind die Züge mit der größ­ten Kapa­zi­tät im Raum Stutt­gart. Ich bit­te daher um Dar­stel­lung, wie ein Umstieg im Stö­rungs­fall auf ande­re Züge prak­tisch umge­setzt wer­den kann. An einer detail­lier­ten Dar­stel­lung eines Not­fall­kon­zepts wäre ich inter­es­siert, ins­be­son­de­re über eine Offen­le­gung, wie die S‑Bahn-Züge wäh­rend der Haupt­ver­kehrs­zeit in den Tief­bahn­hof Stutt­gart ein­ge­fä­delt wer­den kön­nen (nicht bezo­gen auf mög­li­che Tras­sen, son­dern auf die real fahr­ba­re Situa­ti­on und die dar­aus resul­tie­ren­den Wir­kun­gen für die Fahr­gäs­te). Nur wenig beru­higt bin ich, dass der Bahn­hof nach Ihren Aus­sa­gen bei der Inbe­trieb­nah­me kei­ne Kapa­zi­täts­pro­ble­me auf­weist. Dass dies auch mit­tel- und lang­fris­tig der Fall ist, muss lei­der bezwei­felt wer­den.

Wir Grü­ne haben im Dezem­ber 2020 eine grü­ne Bahn­stra­te­gie ver­ab­schie­det, die bis 2030 eine Erhö­hung des Modal-Split im Per­so­nen­ver­kehr von aktu­ell knapp unter 10% auf 20% for­dert. Dies ist nur ein Etap­pen­ziel auf dem Weg zu einer kli­ma­neu­tra­len Mobi­li­tät, in der die Schie­ne einen deut­lich grö­ße­ren Ver­kehrs­an­teil haben muss als aktu­ell. An die­ser Her­aus­for­de­rung für eine Bahn als Rück­grat der Ver­kehrs­wen­de bemes­se ich auch die Anfor­de­run­gen an die Kapa­zi­tä­ten der Infra­struk­tur. Zwei­fel, dass der neue Stutt­gart Tief­bahn­hof ohne Ergän­zungs­sta­ti­on die­se Anfor­de­run­gen auch lang­fris­tig erfül­len kann, habe ich wei­ter­hin.

Ihr Schrei­ben hat mei­ne Zwei­fel an der not­wen­di­gen Kapa­zi­tät und Betriebs­qua­li­tät nicht ver­rin­gert. Ein Ver­kehrs­wen­de­sze­na­rio, das über das Jahr 2030 hin­aus­geht, wird der Bahn­hof in sei­nem aktu­el­len Leis­tungs­um­fang nicht abbil­den kön­nen, schon gar nicht mit ange­mes­se­ner Betriebs­qua­li­tät. Abschlie­ßend ver­wei­se ich noch­mal dar­auf, dass der Bahn­kno­ten Stutt­gart nicht nur den Inbe­trieb­nah­me­fahr­plan bewäl­ti­gen muss, son­dern auch min­des­tens den Ziel­fahr­plan des Deutsch­land­tak­tes – mit einer Per­spek­ti­ve von 80 Jah­ren soll­te er eher mehr leis­ten kön­nen, um zusätz­li­che Ver­keh­re bei guter Betriebs­qua­li­tät auf­neh­men zu kön­nen.

Mit freund­li­chen Grü­ßen

Mat­thi­as Gastel, MdB