Maskentragen im Fernverkehr der Bahn durchsetzen!

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03.08.2020

Thesen zum Infektionsschutz bei der Bahn

Das Tra­gen eines Mund-Nasen-Schut­zes im Öffent­li­chen Raum, so im Ein­zel­han­del und im Öffent­li­chen Ver­kehr, gehört neben dem Ein­hal­ten eines aus­rei­chen­den räum­li­chen Abstan­des zu ande­ren Men­schen zu den effek­tivs­ten Maß­nah­men zur Ein­däm­mung der Coro­na-Pan­de­mie. Mit dem schritt­wei­sen Zurück­keh­ren des öffent­li­chen Lebens nach dem Coro­na-Shut­down und den gelo­cker­ten Ver­ord­nun­gen der Län­der lässt sich das Abstand­hal­ten im All­tag nicht immer prak­ti­ka­bel umset­zen. Gera­de im Bahn­ver­kehr, ins­be­son­de­re jetzt in der Haupt­rei­se­zeit im Som­mer, wird das Mas­ken­tra­gen daher wich­ti­ger als bis­her. Was aber, wenn Fahr­gäs­te in den Zügen das Mas­ken­tra­gen bewusst igno­rie­ren? Der Autor plä­diert für ein kla­res und für jeden ver­ständ­li­ches Vor­ge­hen.

Seit April 2020 habe ich rund 20 Fern­zü­ge der Deut­schen Bahn genutzt. In vie­len Fäl­len konn­ten Abstands­re­geln eini­ger­ma­ßen ein­ge­hal­ten wer­den und die aller­meis­ten Fahr­gäs­te, schät­zungs­wei­se 80 bis 90 Pro­zent aller Rei­sen­den, tru­gen einen Mund-Nasen-Schutz. Nach mei­ner Beob­ach­tung stößt die von den Län­dern ein­ge­führ­te Pflicht zum Tra­gen eines Mund-Nasen-Schut­zes in wesent­li­chen Berei­chen des öffent­li­chen Lebens auf eine gro­ße Akzep­tanz in der Bevöl­ke­rung. Das Mas­ken­tra­gen ver­mit­telt nicht nur ein Gefühl von Sicher­heit in einer unsi­che­ren Zeit. Die Mas­ke bie­tet dem Soli­dar­ge­dan­ken – „Ich schüt­ze dich, du schützt mich“ – fol­gend auch tat­säch­lich einen gewis­sen Infek­ti­ons­schutz. Die Stadt Jena, die als ers­te Stadt bun­des­weit eine Pflicht zum Tra­gen eines Mund-Nasen-Schut­zes u.a. im Öffent­li­chen Ver­kehr ver­fügt hat­te, hat seit­dem nach­ge­wie­se­ner­ma­ßen eine lokal deut­lich bes­se­re Ent­wick­lung beim Infek­ti­ons­ge­sche­hen als ver­gleich­ba­re Städ­te.

Der Anteil der Men­schen, die in Fern­ver­kehrs­zü­gen einen Mund-Nasen-Schutz tra­gen, ist der­zeit rela­tiv hoch, soll­te aber nahe an die 100-Pro­zent-Mar­ke her­an­ge­führt wer­den. Regel­mä­ßig erfol­gen kla­re und unmiss­ver­ständ­li­che Durch­sa­gen im Zug. Das ist gut und auch not­wen­dig. Es wird völ­lig zu Recht an Ver­ant­wor­tung und Respekt gegen­über den Mit­rei­sen­den appel­liert. Wer in vol­ler wer­den­den Zügen kei­nen Mund-Nasen-Schutz trägt, ver­hält sich in Zei­ten der Coro­na-Pan­de­mie ande­ren Men­schen gegen­über ver­ant­wor­tungs- und respekt­los. Ich selbst muss­te immer wie­der mal Mit­rei­sen­de anspre­chen, die ohne Mas­ke in mei­ner Nähe saßen. Ist das mei­ne Auf­ga­be? Kein ein­zi­ges Mal habe ich bei mei­nen Fahr­ten in Fern­zü­gen wahr­ge­nom­men, dass das Bahn­per­so­nal Rei­sen­de ohne Mas­ke auf ihr Fehl­ver­hal­ten anspricht. Die zahl­rei­chen Dis­kus­sio­nen in den sozia­len Medi­en zei­gen, dass dies auch in der Bevöl­ke­rung breit dis­ku­tiert wird.

Auf Nach­fra­gen mei­ner­seits, wes­halb das Tra­gen einer Mund-Nasen-Bede­ckung nicht in die Beför­de­rungs­be­din­gun­gen der Deut­schen Bahn auf­ge­nom­men wird, blie­ben sei­tens der Bun­des­re­gie­rung bis­lang unbe­ant­wor­tet. Statt­des­sen wird sei­tens der Bun­des-regie­rung dar­auf ver­wie­sen, ein­zig die Län­der sei­en für die Durch­set­zung der Coro­na-Rege­lun­gen ver­ant­wort­lich. Im bun­des­wei­ten Fern­ver­kehr kann dies jedoch kein erfolg­ver­spre­chen­der Ansatz sein.

Tat­säch­lich sieht das Infek­ti­ons­schutz­ge­setz den Voll­zug der Ver­ord­nun­gen durch die Län­der vor (§ 54 IfSG). Auch sind die Eisen­bahn­ver­kehrs­un­ter­neh­men ange­hal­ten, die Ein­hal­tung der Lan­des­ver­ord­nun­gen abzu­si­chern. Sie haben aller­dings nicht die recht­li­chen Befug­nis­se, die Pflicht zum Tra­gen des Mund-Nasen-Schut­zes auch selbst­stän­dig durch­zu­set­zen. Daher stellt sich die recht­li­che Fra­ge, ob der Aus­schluss von der Beför­de­rung eine denk­ba­re Opti­on ist. Grund­sätz­lich gilt im Bahn­ver­kehr eine Beför­de­rungs­pflicht (§ 10 AEG), aller­dings setzt die Eisen­bahn-Ver­kehrs­ord­nung  die­ser Beför­de­rungs­pflicht kla­re Gren­zen (§ 4 Abs. 2 EVO):

„Per­so­nen, die eine Gefahr für die Sicher­heit und Ord­nung des Betrie­bes oder für die Sicher­heit der Mit­rei­sen­den dar­stel­len oder den Anfor­de­run­gen des Eisen­bahn­per­so­nals nicht fol­gen, kön­nen von der Beför­de­rung aus­ge­schlos­sen wer­den.“

Die Umset­zung der Mas­ken­pflicht unter­liegt damit recht­lich gese­hen für die Bahn­un­ter­neh­men einer Ermes­sens­ent­schei­dung. Zugleich muss das Bahn­per­so­nal bei sol­chen Fäl­len erst die Bun­des­po­li­zei am nächs­ten Bahn­hof ein­schal­ten, um den Aus­schluss von der wei­te­ren Beför­de­rung durch­zu­set­zen, was ggf. Ver­spä­tun­gen nach sich zie­hen wür­de. Die Umset­zung eines effek­ti­ven Infek­ti­ons­schut­zes in den Fern­ver­kehrs­zü­gen ver­liert sich im Aus­ein­an­der­fal­len der Zustän­dig­kei­ten zwi­schen Bund und Län­dern. Ins­be­son­de­re in der Som­mer­rei­se­zeit ist dies ein untrag­ba­rer und für alle Sei­ten unbe­frie­di­gen­der Zustand.

Wie das Pro­blem gelöst wer­den kann:

  1. Die poli­ti­sche Ant­wort kann in die­sem recht­lich schwie­ri­gen Umfeld nur sein: Wir brau­chen eine kla­re Zustän­dig­keit der Bun­des­po­li­zei, damit die­se unan­ge­kün­dig­te Kon­trol­len in den Fern­ver­kehrs­zü­gen durch­füh­ren und das Tra­gen eines Mund-Nasen-Schut­zes im Fern­ver­kehrs­zug durch­set­zen kann. Bei noto­ri­schen Mas­ken­ver­wei­ge­rern muss die Bun­des­po­li­zei den Aus­schluss von der wei­te­ren Beför­de­rung bereits im Zug fest­stel­len und durch­set­zen kön­nen. Eini­ge Län­der wie Sach­sen-Anhalt haben für den Nah­ver­kehr ein prak­ti­ka­bles Vor­ge­hen fest­ge­legt, wel­ches auch im Fern­ver­kehr Anwen­dung fin­den kann.
  2. Zudem braucht es eine Rechts­grund­la­ge zur Ver­hän­gung von Buß­gel­dern durch die Bun­des­po­li­zei, wel­che auf Bun­des­ebe­ne geschaf­fen wer­den muss und so die bis­he­ri­ge Rege­lungs­lü­cke schließt. Für die meis­ten Fahr­gäs­te ist nicht erkenn­bar, wes­halb im Nah­ver­kehr mit ver­gleichs­wei­se kur­zem Auf­ent­halt im Bus, in der Stra­ßen­bahn, S‑Bahn oder U‑Bahn ein Buß­geld fäl­lig wer­den kann, im Fern­ver­kehr mit zeit­lich län­ge­rem Kon­takt der Fahr­gäs­te unter­ein­an­der hin­ge­gen die bewuss­te Ver­wei­ge­rung der Mas­ken­pflicht nicht sank­tio­niert wer­den kann. Mit einer kla­ren Rechts­grund­la­ge wird das Bahn­per­so­nal nicht allein gelas­sen und erhält so Rechts­si­cher­heit. Das Feh­len einer sol­chen Rechts­grund­la­ge geht auf Bun­des­ver­kehrs­mi­nis­ter Scheu­er zurück, der sein Han­deln in der Coro­na-Kri­se weit­ge­hend auf mög­lichst pres­se­wirk­sa­me Ter­mi­ne redu­ziert hat.
  3. Über die Durch­set­zung der Mas­ken­pflicht hin­aus braucht es wei­te­re Maß­nah­men, um den Schutz vor Anste­ckun­gen in Fern­zü­gen wei­ter zu ver­bes­sern. Dazu gehört v.a. ein Reser­vie­rungs­sys­tem, wel­ches Sitz­plät­ze mög­lichst auf Abstand zuteilt. Dass die Deut­sche Bahn AG die­se Ein­stel­lung mit ihrer Soft­ware auch Mona­te nach Aus­bruch der Coro­na-Pan­de­mie nicht leis­ten kann, ist ein Armuts­zeug­nis für den Eigen­tü­mer, der durch die Bun­des­re­gie­rung ver­tre­ten wird. Die Bun­des­re­gie­rung hat schlicht­weg kaum Erwar­tun­gen an die Digi­ta­li­sie­rung im eige­nen Bun­des­un­ter­neh­men gerich­tet.
  4. Solan­ge es kein über­ar­bei­te­tes Buchungs­sys­tem gibt, wel­ches Sitz­plät­ze auf Abstand ver­gibt, könn­ten in den Zügen ein­zel­ne Wagen für Risi­ko­grup­pen vor­ge­hal­ten wer­den, so dass Risi­ko­grup­pen (Defi­ni­ti­on nach RKI: Älte­re Per­so­nen ab 50 bis 60 Jah­re, mit bestimm­ten Vor­er­kran­kun­gen) einen beson­de­ren Schutz genie­ßen. In die­sen Wagen kön­nen so vie­le Sitz­plät­ze „ana­log“ bzw. digi­tal durch die Sitz­platz­an­zei­ge gesperrt wer­den, so dass ein aus­rei­chen­der Abstand effek­tiv ein­ge­hal­ten wird. Die Bahn­un­ter­neh­men soll­ten hier­für zeit­lich befris­tet vom Bund eine Ent­schä­di­gung für die hier­durch ent­gan­ge­nen Erlö­se erhal­ten.
  5. Spar­preis- und Super­spar­preis-Tickets soll­ten nur für gering aus­ge­las­te­te Züge ange­bo­ten wer­den, um nicht wei­te­re Fahr­gäs­te in der Som­mer­rei­se­zeit in Fern­ver­kehrs­zü­ge zu locken, in denen sich früh eine hohe Aus­las­tung abzeich­net.

Die „Mas­ken­fra­ge“ ist in Zei­ten der Coro­na-Pan­de­mie ent­schei­dend dafür, in wel­chem Umfang die Rei­sen­den wei­ter­hin die Bahn nut­zen. Es braucht daher einen kla­ren Hand­lungs­rah­men für die Bun­des­po­li­zei, der auch Sank­tio­nen umfasst (Anspra­che, Buß­gel­der und Aus­schluss von der wei­te­ren Beför­de­rung). Die Durch­set­zung der Vor­ga­ben und die prak­ti­sche Ermög­li­chung des Abstands­ge­bo­tes sind gleich zwei­fach von Bedeu­tung: Ers­tens, weil dadurch ein tat­säch­lich wirk­sa­mer (wenn auch kein 100%-iger) Infek­ti­ons­schutz gewähr­leis­tet wird und zwei­tens, weil das Gefühl der Sicher­heit auch nach einem Ende der Pan­de­mie über die Akzep­tanz der Bahn als Ver­kehrs­mit­tel ent­schei­det.