Der Deutschlandtakt ist das zentrale Instrument zur Erreichung der im Koalitionsvertrag vereinbarten Ziele im Schienenverkehr.
Die Schiene zu stärken ist Konsens unter allen demokratischen Parteien. Die Debatten um einzelne Projekte im Rahmen des Deutschlandtakts zeigen jedoch, dass das neue Planungsparadigma noch keine ausreichende Akzeptanz hat oder die Logik noch nicht von allen durchschaut wurde. Als Berichterstatter für Bahnpolitik der grünen Bundestagsfraktion möchte ich mit diesem Schreiben und den vorgeschlagenen Ergänzungen für den Deutschlandtakt deutlich machen: Die stringente Ableitung von Zielen wie CO2-Einsparung, Flächen- und Energieeffizienz über die Kenngrößen zur Erreichung bestimmter Marktanteile des Schienenverkehrs hin zu einem konkreten Fahrplan und der sich daraus ableitenden Infrastruktur ist der richtige Weg. Dadurch wird das Bahnsystem als Ganzes gedacht und die einzelnen Puzzleteile passen zueinander. Die geplante Etappierung ist ebenso zu begrüßen, auch wenn der Zeitraum bis zur Fertigstellung des Etappierungskonzepts kommunikativ herausfordernd wird. Es ist zu begrüßen, dass hier die Fehlstellen aus der letzten Wahlperiode gezielt angegangen werden. Sowohl bei Etappierung als auch bei dem Update zum Deutschlandtakt bitte ich um Beachtung, dass die Themen ETCS-Rollout (inklusive Koordinierung Fahrzeugumrüstung) sowie Sanierung des Netzes (z.B. Hochleistungskorridorsanierungen) in den Deutschlandtakt integriert werden. Die Einrichtung der Stabsstelle Deutschlandtakt zeigt erste Wirkung. Neue Ansätze und Themen zum Deutschlandtakt werden endlich angegangen. Der Sektor braucht aber auch in Zukunft einen zentralen Ansprechpartner und Ideengeber für den Deutschlandtakt im BMDV, den es weiter zu stärken und auszustatten gilt.
An Zielen orientierte Infrastrukturpolitik
Die jetzt anstehende Überarbeitung des Deutschlandtakts muss aus meiner Sicht eine umfassendere Ergänzung sein als die reine Anpassung an eine Verkehrsprognose 2040, die absehbar die verkehrspolitische Ziele dieser Koalition nicht abbildet. Der Deutschlandtakt ist ein angebotsorientiertes Konzept. Statt also aus der Verkehrsprognose Maßnahmen abzuleiten, wäre es in der Logik einer angebotsorientierten Infrastrukturplanung richtig, zuerst die Überarbeitung des Deutschlandtakts anhand der politischen Ziele (Masterplan Schienenverkehr, Koalitionsvertrag) durchzuführen und im Anschluss diesen Fahrplan in ein Verkehrsmodell einzuspeisen. Durch eine iterative Betrachtung zwischen Fahrplan und der Betrachtung verkehrlicher Wirkung des Fahrplans wird sichergestellt, dass der Deutschlandtakt die verkehrlichen Ziele dieser Koalition erreicht. Die Potentiale des Deutschlandtakts werden durch eine reine Orientierung an einer Verkehrsprognose verschenkt. Auch das Internationale Transport Forum ruft dazu auf, die Infrastrukturplanung nicht an einer Fortschreibung des status quo, sondern an politischen Zielen auszurichten.
Deswegen sind die dem Schreiben angehängten beispielhaften Vorschläge Teil einer am Angebot ausgerichteten Verkehrspolitik zu verstehen, die verkehrliche Ziele erfüllt. Der Fokus liegt dabei auf Ergänzungen des bestehenden Zielfahrplans, um im Koalitionsvertrag vereinbarte Punkte umzusetzen.
Forderungen zum Schienengüterverkehr
Der Schienengüterverkehr ist ein zentrale Hebel zur Erreichung der Klimaziele im Verkehrsbereich. Dazu kommt noch eine bedeutend bessere Energieeffizienz, gerade in Zeiten unsicherer Energiepreise ein nicht zu unterschätzender Wirtschaftlichkeitsfaktor. Die Industrie in Deutschland ist zum Umstieg auf die Schiene bereit. Daher ist es zwingend notwendig, dass die Infrastruktur entsprechende Kapazitäten zu Verfügung stellt. Deswegen ist es erforderlich, dass der Deutschlandtakt zum einen das Marktziel 25% in 2030 und danach weitere Zugewinne am Modal Split für den Schienengüterverkehr abbildet. Die entsprechende Menge an Systemtrassen ist zwingend im Update des Deutschlandtakts abzubilden. Darüber hinaus braucht es für jede Systemtrasse eine zugesicherte Mindestqualität, damit die Transporte wirtschaftlich effizient erfolgen können. Daher ist neben der ausreichenden Menge an Systemtrassen sicherzustellen, dass jede Systemtrasse einen Beförderungszeitquotient von maximal 1,25 aufweist. Alternativ wäre als Qualitätskriterium auch die Reisegeschwindigkeit bei 70 km/h für Güterzüge als Kriterium sinnvoll. Wir erwarten vom Ministerium die Sicherstellung, dass die politisch mehrfach bestätigten Verlagerungsziele sich in den Fahrplänen des aktualisierten Deutschlandtakts wiederfinden.
Forderungen zum Fernverkehr
Im Fernverkehr ist zuerst festzuhalten, dass der Deutschlandtakt zwingend mit einer Änderung der Marktstruktur im Fernverkehr einhergeht. Gerade die Forderungen im Koalitionsvertrag, mehr Oberzentren an den Fernverkehr anzuschließen, ist mit einer sturen Fortsetzung der reinen Eigenwirtschaftlichkeit nicht umzusetzen. Der Koalitionsvertrag gibt mit der Aussage, die organisatorische Umsetzung des Deutschlandtakts zu ermöglichen, ausreichend Spielraum für eine Anpassung der Marktstruktur im Fernverkehr. FDP und Grüne haben in der letzten Legislatur dazu jeweils Vorschläge erarbeitet, auch die Vorschläge des VCD zur Marktstruktur im Fernverkehr zeigen einen gangbaren Weg auf. Da das DZSF mit einer Studie in diesem Bereich beauftragt ist, darf es keine vorher erfolgende Ablehnung von Fernverkehrslinien geben, die mit dem aktuellen Marktmodell nicht eigenwirtschaftlich tragfähig sind. Diese wäre ein Widerspruch mit dem Koalitionsvertrag. Zudem ist bei der zukünftigen Wirtschaftlichkeit mancher Fernverkehrslinien auch die verstärkte Nutzung dieser Züge mit Nahverkehrstickets bzw. dem Deutschlandticket zu berücksichtigen. Zur Erfüllung der Ziele aus dem Koalitionsvertrag benötigt es eine strategische Planung der zukünftigen Fahrpläne.
Die angefügten Vorschläge im Fernverkehr zielen auf eine deutliche Ausweitung des Fernverkehrs in die Fläche ab. Sie erschließen aktuell abgehängte Räume neu, binden alle Oberzentren ein, die nicht durch einen schnelleren Nahverkehr erreicht werden können und verbessern zudem die Erreichbarkeit touristischer Regionen.
Dabei wird auf einigen Relationen auf passive Neigetechnik gesetzt, um attraktive sowie passende Kantenzeiten zu ermöglichen und manchen Infrastrukturausbau zu ersparen. Zwar können somit keine Fahrzeiten wie mit der aktiven Neigetechnik erreicht werden, dessen Ablehnung im Abschlussbericht Deutschlandtakt dokumentiert ist. Allerdings stellt die passive Neigetechnik eine wirtschaftlichere und technisch besser verfügbare Lösung dar. Da zudem das im Fernverkehr dominierende Eisenbahnverkehrsunternehmen bereits jetzt Züge mit passiver Neigetechnik beschafft (ICE L, Talgo), erscheint die Prüfung der Nutzung dieser Technik in Verbund mit Infrastrukturausbau im Rahmen des Updates Deutschlandtakt geboten. Zudem ist auch hier darauf zu verweisen, dass aufgrund der nicht festgelegten Marktstruktur im Fernverkehr auch ggf. entstehende Mehrkosten auf Fahrzeugseite finanziell kompensiert werden könnten, sodass diese Option bis zur finalen Einigung auf ein Marktmodell Fernverkehr nicht ausgeschlossen werden darf.
Bezüglich der im Koalitionsvertrag festgehaltenen Ausweitung der Nachtzüge laufen bereits Studien im Bereich des DZSF, die auch Abschätzungen zum Marktpotential von Nachtzügen enthalten. Die Ergebnisse der Studien sind in den Deutschlandtakt aufzunehmen, in dem zumindest für die Morgen- und Abendlagen Systemtrassen für Nachtzüge mit ihrem besonderen Anforderungsprofil berücksichtigt werden. Aufgrund der hohen Auslastung in diesen Stunden ist der Zugang zu Knoten inzwischen für Eisenbahnverkehrsunternehmen im Nachtzugbereich herausfordernd.
Forderungen Nahverkehr
Auch im Nahverkehr braucht es eine ambitionierte Umsetzung des Deutschlandtakts. Es wäre aus unserer Sicht dringend geboten, den Ländern Zielvorgaben für die Anmeldung des Nahverkehrs zu machen. Bei den hier aufgeführten beispielhaften Vorschlägen für den Nahverkehr liegt der Schwerpunkt erneut in einer flächendeckenderen Erschließung der Regionen durch die Schiene. Darüber hinaus ist ein Grundangebot von mindestens einem Stundentakt dringend notwendig. Linien mit geringerer Taktung sind kein auch nur annähernd sinnvoll nutzbares Angebot auf der Schiene. Zudem enthalten die Vorschläge die Anbindung von Mittelzentren – nach dem Vorbild der Schweiz ist es notwendig, den Deutschlandtakt mehr nach raumplanerischen Kriterien auszurichten. Außerdem sind einige Reaktivierungen von Strecken enthalten. Aussagen zur Elektrifizierung von Strecken werden nicht getätigt, da sich diese Maßnahmen wiederum aus dem geplanten Angebot ableiten.
Ein gutes Bahnangebot ist gelebte Struktur- und Raumordnungspolitik und ein sichtbares Zeichen für die Lebensqualität einer Region. Gerade deswegen ist ein Fokus auf die weniger nachgefragten Relationen und ein flächendeckendes Bahnangebot zu legen. Parallel zum Update des Deutschlandtakts sollten – im Einvernehmen mit dem Vorhaben im Koalitionsvertrag, Strecken zu reaktivieren – Maßnahmen und Forschungen zur besseren Wirtschaftlichkeit dieser Strecken angegangen werden, beispielsweise Forschungen für kleine Triebwagen auf Nebenstrecken, die lokal emissionsfrei (absehbar batterieelektrisch) und perspektivisch automatisch verkehren.
Anpassung der Bewertungsmethodiken erforderlich
Die beigefügten Vorschläge fokussieren sich auf das Angebot. Konform mit der Logik des Deutschlandtakts wird auf Vorschläge zu Infrastrukturmaßnahmen weitgehend verzichtet, denn diese leiten sich aus den Zielen sowie dem Fahrplan ab. Bezüglich der dem Deutschlandtakt nachgelagerten Infrastrukturplanung ist darauf hinzuweisen, dass ein Wirtschaftlichkeitsnachweis nach §7 BHO nicht zwingend die BVWP-Methodik voraussetzt. Je nach Anwendungsfall braucht es den jeweils passenden Wirtschaftlichkeitsnachweis: Für Elektrifizierungsmaßnahmen bietet sich beispielsweise eine Vergleichsrechnung an, wie sie für den Nahverkehr bereits in der standardisierten Bewertung möglich ist. Für kleine und mittlere Maßnahmen können pauschalisierte Ansätze nach einfachen Kriterien (Mindestzugzahlen, Modellierung von Standardfällen) eingeführt werden. Auch der jetzt eingeschlagene Weg der Bündelung der Bewertung ist eine Möglichkeit, sofern keine erneute kleinteiligere Bewertung erfolgt und nicht am Ende der Fertigstellung Teilmaßnahmen nicht mehr umgesetzt werden können.
Bezüglich der Infrastruktur ist jedoch im weiteren Prozess grundsätzlich darauf zu achten, dass angesetzte Umsteigezeiten auch angesichts der deutlich zunehmenden Anzahl von Reisenden eingehalten werden können. Daher ist die Notwendigkeit von Maßnahmen zur Erhöhung der Kapazitäten sowie der Beschleunigung von Umsteigevorgängen in das Update für den Deutschlandtakt dringend miteinzubeziehen. Auch die Bahnhöfe sind Teil der Infrastruktur und müssen für den Deutschlandtakt angepasst werden.
Verbesserte Akzeptanz für Umsetzung des Deutschlandtakts
Schieneninfrastrukturprojekte sind oft mit Konflikten behaftet. Klar ist: Egal, bei welcher Alternative, Infrastrukturprojekte lösen meist Betroffenheiten aus. Wir freuen uns daher, wenn insbesondere die Startphasen der Projekte von BMDV und Deutscher Bahn als ausführendes Infrastrukturunternehmen besser kommuniziert werden. Beispiele aus dem Ausland (z.B. Dänemark) zeigen auf, dass eine intensive und im Zweifel sehr kleinteilige Öffentlichkeitsarbeit ein Schlüssel zur Akzeptanz und Umsetzung der Projekte sind. DB und BMDV müssen ihre Kommunikation zum Deutschlandtakt synchronisieren und vereinheitlichen, beispielsweise beim Auftritt des Deutschlandtakts auf den verschiedenen Projektwebsiten der DB.
Im Rahmen größerer Infrastrukturprojekte sind die Belange der Region im Update des Deutschlandtakts zu prüfen. Sie sorgen für Akzeptanz der Projekte und sind ein zentraler Schritt für eine bessere und attraktive Erschließung der Fläche. Mit modernen Triebfahrzeugen ergeben sich so auch für ländlichere Regionen hoch attraktive Fahrzeiten, die allen Gruppen – auch denen, die kein Auto nutzen können – eine moderne und attraktive Mobilität ermöglichen. Der Schlüssel für eine schnelle Infrastrukturplanung ist Akzeptanz. Ich wünsche mir daher, dass auch diejenigen Mitglieder des Bundestags, deren Arbeitsschwerpunkt nicht in der Verkehrspolitik liegt, mehr mit dem Deutschlandtakt vertraut gemacht werden und somit zu Verbündete für den damit verbundenen Paradigmenwechsel für eine fahrplanbasierte Weiterentwicklung der Schieneninfrastruktur werden.
Beispielhafte Vorschläge zur Ergänzung des Deutschlandtakts
Forderungen in Tabellen
Forderungen eingezeichnet in Zielfahrplänen. Dateien jeweils sehr groß