Fragwürdiger Pfaffensteigtunnel – Engpass nördlich von Böblingen

Eine Klei­ne Anfra­ge 21/1722 der Bun­des­tags­frak­ti­on Bünd­nis 90/Die Grü­nen um den Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­ten Mat­thi­as Gastel brach­te mas­si­ve Män­gel an den Plä­nen für den Pfaf­fen­steig­tun­nel und den Aus­bau der Gäu­bahn ins­ge­samt zu Tage. Nach­fol­gend wird auf die wesent­li­chen Aspek­te ein­ge­gan­gen:

Pfaf­fen­steig­tun­nel und die Stre­cke ab/bis Böb­lin­gen

Der Pfaf­fen­steig­tun­nel soll ein poli­tisch ver­ur­sach­tes Pro­blem, näm­lich die vor­ge­se­he­ne völ­li­ge Besei­ti­gung des Gleis­vor­fel­des am Stutt­gar­ter Haupt­bahn­hof inklu­si­ve der Gäu­bahn-Glei­se, lösen. Mit dem Pfaf­fen­steig­tun­nel soll die Anbin­dung der Gäu­bahn an den Haupt­bahn­hof, mög­li­cher­wei­se nach Jah­ren der Abkopp­lung, (wie­der) her­ge­stellt wer­den. Der Fra­ge nach den Kos­ten für den Tun­nel weicht die Bun­des­re­gie­rung zum wie­der­hol­ten Male aus. Die Berech­nung des Kos­ten-Nut­zen-Ver­hält­nis­ses (NKV) kann bis­her noch nicht voll­stän­dig nach­voll­zo­gen wer­den. Was wir wis­sen: Der Tun­nel ist im NKV von 1,6 der Gäu­bahn (Bedarfs­plan­pro­jekt ABS/NBS Stutt­gart – Sin­gen – Gren­ze D/CH) ent­hal­ten. Die Berech­nung des NKV soll laut Bun­des­ver­kehrs­mi­nis­te­ri­um noch im Herbst ver­öf­fent­licht wer­den.

Die Aus­las­tung des Tun­nels wird auf 45 Pro­zent pro­gnos­ti­ziert. Dies zeigt ein­mal mehr, wie frag­wür­dig das teu­re Bau­werk ist (zumal ande­re, ver­kehr­lich wesent­lich dring­li­che­re Pro­jek­te bis­her nicht finan­ziert sind). Erstaun­lich ist, dass die Vari­an­ten­ab­wä­gung, also die Bewer­tung von Alter­na­ti­ven, erst im Rah­men des Plan­fest­stel­lungs­ver­fah­rens erfol­gen soll. Übli­cher­wei­se fin­det die­se bereits zuvor, näm­lich in der Vor­pla­nung, statt. Posi­tiv ist, dass die Aus­le­gung der Maxi­mal­ge­schwin­dig­keit im Tun­nel im Lau­fe der Pla­nun­gen auf 200 Stun­den­ki­lo­me­ter hoch­ge­setzt wur­de. Dies hilft, die Fahr­zei­ten für den Deutsch­land­takt ein­zu­hal­ten und passt zu den neu­en Regio­nal­zü­gen des Lan­des, die die­se Geschwin­dig­keit fah­ren kön­nen.

Gera­de­zu absurd ist, dass zwi­schen Böb­lin­gen und dem Abzweig zum Pfaf­fen­steig­tun­nel kei­ne zusätz­li­chen Glei­se vor­ge­se­hen sind. Zwi­schen die­sem Abzweig zum neu­en Tun­nel und dem Haupt­bahn­hof in Stutt­gart sol­len zukünf­tig in Sum­me vier Glei­se mit hoher Kapa­zi­tät (ETCS) zur Ver­fü­gung ste­hen (zwei Glei­se in der Stamm­stre­cke der S‑Bahn und zwei Glei­se im Pfaffensteigtunnel/Filderaufstiegtunnel). Der Abschnitt davor muss als Eng­pass bewer­tet wer­den: Gegen­über heu­te sie­ben Züge pro Stun­de wer­den es abseh­bar bis zu sechs­zehn Züge pro Stun­de sein (vgl. https://www.zukunftsfahrplan.de/files/content/downloads/Zukunftsfahrplan_Broschuere_barrierefrei.pdf). Daher ist es not­wen­dig, dass auch der Abschnitt bis Böb­lin­gen jetzt vier­glei­sig aus­ge­baut wer­den muss. Nur so kann bei­spiels­wei­se die Tak­tung der S‑Bahn wei­ter erhöht wer­den.

O‑Töne:

„Der Pfaf­fen­steig­tun­nel löst ein poli­tisch ver­ur­sach­tes Pro­blem auf denk­bar teu­ers­te Art und Wei­se. Die gerin­ge pro­gnos­ti­zier­te Aus­las­tung des Tun­nels unter­streicht die Frag­wür­dig­keit des Vor­ha­bens.“

„Um die Züge nicht unnö­tig aus­zu­brem­sen und um eine Ver­spä­tungs­fal­le zu ver­mei­den, sind zwi­schen Böb­lin­gen und dem Abzweig zum Pfaf­fen­steig­tun­nel zwei zusätz­li­che Glei­se erfor­der­lich. Alles ande­re wür­de die Logik des Pfaf­fen­steig­tun­nels noch mehr ad absur­dum füh­ren.“

Kapa­zi­tät im Fil­der­auf­stieg­tun­nel

Erstaun­lich ist, dass für den nahe­zu fer­tig­ge­stell­ten Fil­der­auf­stieg­tun­nel noch kei­ne Aus­sa­ge über des­sen Kapa­zi­tät getrof­fen wer­den kann, da „der kon­kre­te Aus­bau­um­fang noch nicht fest­steht“. Hin­ge­gen kann eine Kapa­zi­täts­aus­sa­ge für den noch in Pla­nung befind­li­chen Pfaf­fen­steig­tun­nel getrof­fen wer­den. 

Aus­bau Gäu­bahn süd­lich von Böb­lin­gen

Sehr ärger­lich ist, dass die Aus­bau­ab­schnit­te im süd­li­chen Teil kaum vor­an­kom­men. Das Pla­nungs­tem­po fällt weit hin­ter das für den Pfaf­fen­steig­tun­nel zurück, obwohl die Zwei­glei­sig­keit die Vor­aus­set­zung für bes­se­re und zuver­läs­si­ge­re Ange­bo­te dar­stellt. Die Vor­pla­nung hat­te im Jahr 2022 begon­nen und ver­harrt noch immer in die­sem frü­hen Pla­nungs­sta­di­um.

Ver­kehrs­ent­wick­lung

Ich habe die Ent­wick­lung der Zug­zah­len in einer Rei­he von Bahn­hö­fen des Lan­des Baden-Würt­tem­berg abge­fragt. Dar­un­ter befin­det sich Radolf­zell. Gegen­über dem Fahr­plan­jahr 2011 hal­ten dort statt 209 nun 241 Züge pro Tag. Dies ent­spricht einem Plus von 15 Pro­zent.

Dies ist zwar eine deut­li­che Zunah­me. Jedoch stieg die Anzahl von Zug­hal­ten in ande­ren Orten deut­lich stär­ker. Dies ist als Hin­weis dar­auf zu ver­ste­hen, dass die Stre­cken, die in Radolf­zell zusam­men­kom­men, nicht aus­rei­chend leis­tungs­fä­hig sind. Die Gäu­bahn, aber auch die Boden­see­gür­tel­bahn und die Hoch­rhein­bahn (seit kur­zem im Aus­bau) müs­sen drin­gend aus­ge­baut wer­den, um für zuver­läs­si­ge­re Züge, aber auch zugleich bes­se­re Ange­bo­te zu sor­gen.