Gäubahn im Tunnel zum Flughafen?

Hinweis: Dieser Beitrag ist schon älter und wurde möglicherweise noch nicht in das neue Format umgewandelt.

Die­se Kar­te zeigt die bis­he­ri­gen Plä­ne für die Gäu­bahn­füh­rung, die als geschei­tert ange­se­hen wer­den kön­nen. Im lin­ken Bild­rand (in schwarz) ist die Stre­cke aus Rich­tung Süden kom­mend (Sin­gen – Böb­lin­gen) zu sehen, die durch die neue “Rohrer Kur­ve) (in Rot) auf die bestehen­de S‑Bahn-Stre­cke ein­ge­schleift wer­den soll­te. Direkt neben der S‑Bahn-Sta­ti­on am Flug­ha­fen soll­te die Gäu­bahn-Sta­ti­on “3. Gleis” ent­ste­hen (auf der Kar­te nicht zu sehen). Der Tun­nel, der nun ange­dacht wird, soll in der geplan­ten Sta­ti­on unter der Mes­se (nörd­lich der S‑Bahn-Sta­ti­on, im Plan zu sehen) ein­mün­den. Für die neue Plani­dee gibt es noch kei­ne Kar­te, da noch kei­ne Pla­nung gestar­tet wur­de.

27.06.2020

Mischverkehr auf S‑Bahn wohl vom Tisch

Für die meis­ten Beob­ach­ter wohl völ­lig über­ra­schend lässt der Bund eine Alter­na­tiv­va­ri­an­te für die Füh­rung der Gäu­bahn im Rah­men von Stutt­gart 21 prü­fen. Bis­lang war vor­ge­se­hen, dass die Fern- und Regio­nal­zü­ge zwi­schen der neu zu bau­en­den „Rohrer Kur­ve“ über die S‑Bahn-Glei­se an die Flug­ha­fen­sta­ti­on „3. Gleis“ geführt wer­den. Aus der Pro­jekt­ge­sell­schaft war in den letz­ten Jah­ren immer wie­der zu hören, dass die­se Pla­nun­gen gro­ße Pro­ble­me berei­ten. Es gibt kei­nen Plan­fest­stel­lungs­be­schluss. Die­ser Teil von Stutt­gart 21 soll­te, das ist seit eini­gen Jah­ren bekannt, spä­ter fer­tig­ge­stellt wer­den als das „Kern­pro­jekt“ mit dem Tief­bahn­hof im Stutt­gar­ter Tal­kes­sel und den Zuläu­fen in den Tun­neln. Nun lässt der Bund prü­fen, ob eine geson­der­te Tun­nel­an­la­ge von der Stre­cke zwi­schen Böb­lin­gen und Stutt­gart-Rohr bis zum Flug­ha­fen gebaut wer­den kann, der dann in der geplan­ten Flug­ha­fen­sta­ti­on unter dem Mes­se­ge­län­de mün­det. Die „Rohrer Kur­ve“ in bis­her geplan­ter Wei­se, Anpas­sun­gen an der S‑Bahn-Stre­cke zwi­schen Ober­aichen und dem Flug­ha­fen sowie die Sta­ti­on „3. Gleis“ wür­de ent­fal­len. Die S‑Bahn wäre nicht mehr tan­giert. Die­ser Tun­nel soll den Zügen einen Zeit­vor­teil von eini­gen Minu­ten ver­schaf­fen, was für die Anschlüs­se in Stutt­gart, Sin­gen und Zürich hilf­reich und not­wen­dig ist. Bis­lang war hier­für der Ein­satz von Nei­ge­tech­nik­zü­gen vor­ge­se­hen – was jedoch zuneh­mend unwahr­schein­lich gewor­den war, da sich kein Eisen­bahn­ver­kehrs­un­ter­neh­men fand, das die­se Züge fah­ren möch­te.

Außer­dem wur­de bekannt, dass ein fünf­tes und sechs­tes Gleis im Nord­zu­lauf zum Haupt­bahn­hof ver­mut­lich wirt­schaft­lich ist. Die­se Glei­se wur­den unter ande­rem vom Land schon lan­ge gefor­dert, um einen Eng­pass zu behe­ben.

Nach­fol­gend ers­te Reak­tio­nen mei­ner­seits:

  1. Zur Prü­fung eines Gäu­bahn-Tun­nels an den Flug­ha­fen

Die Tat­sa­che, dass eine Füh­rung der Gäu­bahn per Tun­nel an den Flug­ha­fen unter­sucht wird, zeigt auf, wie mas­siv die Pro­ble­me mit dem Misch­ver­kehr auf der für S‑Bahnen gebau­ten Stre­cke wären. Auch die geplan­ten Umbau­ten am Flug­ha­fen­bahn­hof sind offen­bar zu kom­plex. Ich freue mich über die­se Ein­sicht und dar­über, dass die Zuver­läs­sig­keit der S‑Bahnen in die­sem Bereich nicht durch Stutt­gart 21 gefähr­det wird. Ob ein Tun­nel die pas­sen­de Lösung ist wird sich zei­gen. Ein Zurück zu den alten Pla­nun­gen kann es nach dem Ein­ge­ständ­nis, dass die bis­he­ri­gen Pla­nun­gen nicht funk­tio­nie­ren, nicht geben. Damit muss auch die min­des­tens ein­jäh­ri­ge Betriebs­un­ter­bre­chung der S‑Bahn zwi­schen dem Flug­ha­fen und Fil­der­stadt vom Tisch sein. Das ist gut!

  1. Unter­bre­chung der Erreich­bar­keit des Haupt­bahn­hofs im Zuge der Bau­maß­nah­men für Stutt­gart 21

Da für die Züge der Gäu­bahn nun eine Tun­nel­lö­sung an den Flug­ha­fen ange­dacht wird, ver­zö­gert sich die Her­stel­lung einer Stre­cken­füh­rung über den Flug­ha­fen an den Haupt­bahn­hof wei­ter hin­aus. Ein sol­cher Tun­nel ist, wenn über­haupt, erst nach dem Jahr 2030 denk­bar. Dies wür­de nach den Plä­nen für den Bau­ab­lauf von Stutt­gart 21 bedeu­ten, dass die Züge der Gäu­bahn mehr als fünf Jah­re nicht an den Stutt­gar­ter Haupt­bahn­hof fah­ren kön­nen. Die Fahr­gäs­te müss­ten dann jah­re­lang in Stutt­gart-Vai­hin­gen auf die S‑Bahn umstei­gen. Dies ist unzu­mut­bar und hät­te Fahr­gast­ver­lus­te zur Fol­ge. Umso wich­ti­ger ist, dass der Haupt­bahn­hof über die inner­städ­ti­sche Gäu­bahn­tras­se anfahr­bar bleibt. Dazu muss der Bau­ab­lauf leicht ange­passt und für eine Über­gangs­zeit müs­sen eini­ge ober­ir­di­sche Glei­se erhal­ten blei­ben. Damit kann auch ein Not­fall­kon­zept für die S‑Bahn umge­setzt wer­den, wel­ches dann greift, wenn der Tun­nel zwi­schen Haupt­bahn­hof und der Sta­ti­on Öster­feld gesperrt ist. Die Lan­des­haupt­stadt und der Ver­band Regi­on Stutt­gart soll­ten einer sol­chen Über­gangs­lö­sung den Weg berei­ten.

  1. Zusätz­li­che Glei­se im Nord­zu­lauf zum Haupt­bahn­hof wirt­schaft­lich

Wie ich erfah­ren habe, sind die zusätz­li­chen Glei­se wirt­schaft­lich und erfül­len damit die Vor­aus­set­zung für die Auf­nah­me in den Vor­dring­li­chen Bedarf des Bun­des­ver­kehrs­we­ge­plans (Bun­des­schie­nen­we­ge­aus­bau­ge­setz). Die­se zusätz­li­chen Kapa­zi­tä­ten am Nord­zu­lauf auf den künf­ti­gen Haupt­bahn­hof haben wir Grü­ne jah­re­lang gefor­dert. Damit wird die seit Jah­ren bestehen­de Eng­pass­si­tua­ti­on auf­ge­löst. Aller­dings erhöht sich der Druck, auch im Bereich des zukünf­ti­gen Haupt­bahn­hofs zusätz­li­che Kapa­zi­tä­ten zu schaf­fen. Es braucht eine Ergän­zungs­sta­ti­on, um wei­te­re Züge fah­ren las­sen zu kön­nen und den Deutsch­land­takt umset­zen zu kön­nen. Es liegt ins­be­son­de­re an der Lan­des­haupt­stadt und dem Ver­band Regi­on Stutt­gart, sich dar­auf ein­zu­las­sen. Es gilt eine Lösung zu fin­den, die städ­te­bau­li­chen wie auch ver­kehr­li­chen Anfor­de­run­gen gerecht wird.

  1. Aus­bau der Gäu­bahn

Dass die Züge zwi­schen Stutt­gart, Sin­gen und Zürich zügi­ger vor­an­kom­men müs­sen ist poli­ti­scher Kon­sens. Nun wer­den offen­bar sei­tens des Bun­des­ver­kehrs­mi­nis­te­ri­ums ein­zel­ne Tun­nel­ab­schnit­te süd­lich von Böb­lin­gen ange­dacht, um die Geschwin­dig­keit zu erhö­hen. Ich begrü­ße das Umden­ken in die­se Rich­tung. Damit dürf­te der Ein­satz von Nei­ge­tech­nik­zü­gen, der vom Bund bis­her vor­ge­se­hen, von der Deut­schen Bahn aber abge­lehnt wird, vom Tisch sein.

  1. Vier­tel­stun­den­takt nach Fil­der­stadt

Der bis­her vor­ge­se­he­ne Misch­ver­kehr aus S‑Bahn und Regio­nal-/Fern­ver­kehr soll­te vom Tisch sein. Die Tat­sa­che, dass der Bund einen Tun­nel plant ist – unab­hän­gig von der Fra­ge, ob der Tun­nel eine gute Lösung dar­stellt – als Ein­ge­ständ­nis zu ver­ste­hen, dass die bis­he­ri­gen Pla­nun­gen sich tech­nisch kaum rea­li­sie­ren las­sen und ver­kehr­lich einen Murks dar­stel­len. Das Zögern des Ver­bands Regi­on Stutt­gart (VRS) in Sachen „Vier­tel­stun­den­takt nach Fil­der­stadt“ muss nun ein Ende haben. Der Ver­band, Auf­ga­ben­trä­ger für die S‑Bahn, hat­te bis­her argu­men­tiert, man wol­le erst ein­mal den Fahr­plan für Stutt­gart 21 abwar­ten, bis man ent­schei­de. Ich habe das immer für falsch gehal­ten. Der ein­glei­si­ge Tun­nel unter dem Flug­ha­fen lässt den Vier­tel­stun­den­takt zu. Das wur­de in einer von mir unter­stütz­ten Bache­lor­ar­beit nach­ge­wie­sen und wenig spä­ter in einer Stu­die für den VRS bestä­tigt. Der VRS muss sich aus mei­ner Sicht nun zügig dar­an machen, den Vier­tel­stun­den­takt nach Fil­der­stadt vor­zu­be­rei­ten.

  1. Gesamt­fa­zit

Ich bin glück­lich, dass end­lich rich­tig Bewe­gung in die uralten Plä­ne für Stutt­gart 21 aus den 1990er Jah­ren gekom­men ist. Die bis­he­ri­gen Pla­nun­gen waren ein­fach nur teu­er, zugleich aber völ­lig unzu­rei­chend für die Kapa­zi­tä­ten. Die Anfor­de­run­gen an einen zukunfts­fä­hi­gen Bahn­kno­ten haben sich in den letz­ten Jah­ren deut­lich gewan­delt. Das Ziel, den Deutsch­land­takt mit bes­se­ren Anschlüs­sen auch in Stutt­gart umset­zen und Fahr­gast­zah­len ver­dop­peln zu wol­len, hät­te sich nicht umset­zen und schon gar nicht zukunfts­ori­en­tiert mehr stei­gern las­sen. Offen­bar haben sich die­se Erkennt­nis­se nun in wei­ten Tei­len durch­ge­setzt. Was es jetzt noch braucht ist den Mut, auch die Ergän­zungs­sta­ti­on am Stutt­gar­ter Haupt­bahn­hof anzu­ge­hen. Grö­ße­re Schie­nen­ka­pa­zi­tä­ten an den Zulauf­stre­cken zu schaf­fen ist gut. Tat­säch­lich wirk­sam wer­den kön­nen die­se aber erst, wenn auch die uralten Plä­ne am Haupt­bahn­hof ange­passt wer­den. All dies kommt extrem spät. Es kommt aber noch nicht zu spät, wenn jetzt ent­schlos­sen Ver­ant­wor­tung für einen funk­tio­nie­ren­den Bahn­kno­ten über­nom­men wird. Es muss jetzt die­se Devi­se lau­ten: Raus aus der Star­re, rein in eine stim­mi­ge Gesamt­lö­sung!