Immer weniger Gleisanschlüsse
Raus aus den Sonntagsreden: Mehr Güter auf die Schiene!
Immer weniger Industriegebiete und Unternehmen verfügen über einen Gleisanschluss. Das wurde durch die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage von mir deutlich. Damit wird der Güterverkehr, insbesondere der Einzelwagenverkehr, auf der Schiene deutlich erschwert. Die Wege der Güter von der Bahn bzw. zur Bahn werden immer länger. Dieser Trend hält trotz aller politischen Sonntagsreden weiter an.
Was es braucht, um wieder mehr Güter per Bahn statt mit dem Lkw zu transportieren:
- Unbürokratische, praxistaugliche Gleisanschlussförderung
- Deutlich erhöhte, verlässliche Finanzierung des Ausbaus von Schienenwegen (u. a. Überholgleise, 740-Meter-Netz für längere Güterzüge, Ausbau der Knoten)
- Deutliche Reduzierung von Straßenneu- und ‑ausbau
- Erhöhung der Lkw-Maut, dauerhafte Senkung der Trassenpreise
- Abbau der Diesel-Subvention
- Durchsetzung der Digitalen Automatischen Kupplung (DAK) in Europa für einen wirtschaftlichen Schienengüterverkehr (Ausführungen unten)
- Vermittlung von mehr „Bahnwissen“ in den Logistikberufen
Statt weiter den Güterverkehr per Lastwagen zu stärken brauchen wir endlich eine Verkehrswende mit einer starken Güterbahn! Mehr Güter auf die Schiene, mehr Klimaschutz!
Mit der Kleinen Anfrage „Sachstand bei der Automatisierung und Digitalisierung im Schienengüterverkehr – Einführung der Digitalen Automatischen Kupplung (DAK)“ haben wir uns ausgiebig mit dieser Thematik befasst.
Das Positive vorweg: Die Bundesregierung hat zwischenzeitlich einen Sinneswandel bei der Bewertung der automatischen Kupplung vollzogen. Zu Zeiten von Peter Ramsauer und Alexander Dobrindt spielte das Thema praktisch keine Rolle und es wurde sogar darauf verwiesen, dass dies allein eine Angelegenheit der Eisenbahnverkehrsunternehmen sei. Nunmehr wird davon gesprochen, dass die DAK eine „Schlüsseltechnologie“ sei und ihre Einführung eine „Grundvoraussetzung für die Steigerung der Leistungsfähigkeit des Schienengüterverkehrs“. Die Bundesregierung unterstreicht insbesondere die Bedeutung der DAK für die Zukunft des Einzelwagenverkehrs, bei dem durch die Auflösung und Neubildung von Zügen in den Rangierbahnhöfen/Zugbildungsanlagen besonders viele Kupplungsvorgänge auftreten. Bisher muss jeder Güterwagen von Hand an den anderen gekuppelt werden, was teuer und zeitaufwändig ist. Die automatische Kupplung verringert diesen Aufwand erheblich. Weiterhin wird deutlich, dass die Einführung der DAK quasi Voraussetzung dafür ist, dass die Vorteile von ETCS voll zum Tragen kommen. Denn erst mit der DAK wird die automatische Zugintegritätsprüfung möglich, die Bedingung für die Einführung von ETCS Level 3 ist. ETCS (Level 3) und DAK sind technologisch quasi Geschwister.
In der Antwort der Bundesregierung wird auf die Studie zur Migrationsstrategie verwiesen. Vorgesehen ist ein Projekt „Demonstratorzug“, mit dem die Betriebserprobung verschiedener Ausführungen der DAK unter den Bedingungen des Betriebsalltags erfolgen soll. In Phase I soll die Standardkupplung aus den vier gängigen Typen ausgewählt werden. Ab Juli 2021 bis Dezember 2022 soll ein Zug bestehend aus 24 mit der DAK ausgerüsteten Güterwagen im In- und Ausland Probefahrten absolvieren.
Meine Bewertung
Mit der Automatisierung des Schienengüterverkehrs können große Potentiale zur Verbesserung von Betriebsabläufen und damit der Wirtschaftlichkeit des Schienengüterverkehrs gehoben werden. Dreh- und Angelpunkt für einen technologischen Schub ist die Einführung einer automatischen Kupplung. Die Digitale Automatische Kupplung kann den Güterverkehr endlich auf die Höhe der Zeit bringen und ist Ausgangspunkt für einen weitgehend automatisierten Betrieb. Nach mehr als 160 Jahren gehört die alte Schraubenkupplung endlich ins Eisenbahnmuseum; keinesfalls dürfen sich weitere Generationen von Eisenbahnern mit dieser antiquierten Technik abmühen. Wir haben im Güterverkehr praktisch Jahrzehnte der Technologieentwicklung verpasst. Deshalb müssen Politik und Güterbahnen die Automatisierung des Sektors jetzt mit Siebenmeilenstiefeln angehen.
Die Bundesregierung hat offenbar endlich erkannt, dass diese Basisinnovation nicht länger auf die lange Bank geschoben werden kann. Jetzt kommt es darauf an, die Phase der Studien und ‚Trockenübungen‘ schnell hinter sich zu lassen, damit die Tests unter Bedingungen des alltäglichen Betriebs starten können. Die Bundesregierung muss zudem die EU-Ratspräsidentschaft nutzen, um die DAK zum europäischen Standard im Güterverkehr auf der Schiene zu etablieren. Denn die DAK ist per se ein europäisches Projekt. In der Umrüstungs- bzw. Migrationsphase brauchen die Güterbahnen eine Anschubfinanzierung, da sich die Nutzeneffekte erst zeitversetzt nach den nötigen Investitionen einstellen. Auch diese Aufgabe wird in Europa nur partnerschaftlich zu lösen sein.