Langfristige Kundenzufriedenheit durch Strukturreform

Grü­nes Eck­punk­te­pa­pier zur Bahn­stra­te­gie

Die Bahn ist geliebt und gehasst zugleich: Wäh­rend die Nach­fra­ge im Per­so­nen­ver­kehr stän­dig steigt, hinkt das Ange­bot hin­ter­her und der Zustand des Net­zes ist jahr­zehn­te­lang immer schlech­ter gewor­den. Grund hier­für war feh­len­der poli­ti­scher Wil­le und zu wenig Geld. Mit uns Grü­nen in der Regie­rung wur­de der wei­te­re Zer­fall der Schie­nen­in­fra­struk­tur gestoppt. Bun­des­ver­kehrs­mi­nis­ter Schnie­der muss jetzt mit sei­ner Bahn­stra­te­gie sei­nen Kurs dar­auf auf­bau­en. Theo­re­tisch ist durch das Infra­struk­tur­ver­mö­gen genug zusätz­li­ches Geld für die Schie­ne da. Prak­tisch gibt Schwarz-Rot das Geld lie­ber für Kon­sum­aus­ga­ben wie gesenk­te Gas­tro­steu­ern oder Müt­ter­ren­te mit der Gieß­kan­ne aus. Umso mehr kommt es jetzt dar­auf an, ech­ten poli­ti­schen Wil­len zu zei­gen und end­lich die rich­ti­gen Prio­ri­tä­ten zu set­zen.

Wir erwar­ten des­halb von einer erfolg­rei­chen Bahn­stra­te­gie:

1.        Pünktliche Züge durch den Deutschlandtakt

Der Bund muss ein kla­res Ziel­bild für die Wei­ter­ent­wick­lung des Schie­nen­net­zes auf­stel­len. Kapa­zi­tät, Qua­li­tät und Zuver­läs­sig­keit müs­sen garan­tiert sein. Das Leit­mo­tiv ist dabei der Deutsch­land­takt – also der bun­des­wei­te Fahr­plan, der An- und Abfahr­ten sowie prak­ti­ka­ble Umstie­ge auf­ein­an­der abstimmt. Für die Umset­zung des Deutsch­land­tak­tes braucht es ver­bind­li­che Zwi­schen­zie­le (Etap­pie­rung). Das zen­tra­le Instru­ment muss hier­bei ein Inf­ra­plan mit Geset­zes­kraft und ver­läss­li­cher Finan­zie­rung sein. Die­ser for­mu­liert die kon­kre­ten Ent­wick­lungs­schrit­te für die Moder­ni­sie­rung und den Aus­bau der Schie­nen­in­fra­struk­tur mit einem mehr­jäh­ri­gen Hori­zont und einer jähr­li­chen Fort­schrei­bung.

2.        Saubere und funktionierende Züge durch flächendeckendes Werkstattnetz

Erfolg und Stel­len­wert der Bahn ste­hen und fal­len mit der Zufrie­den­heit der Bahn­rei­sen­den. Auf­grund von Per­so­nal- und Zeit­man­gel wer­den Züge nicht umfäng­lich gewar­tet und gerei­nigt. Wir wol­len ein flä­chen­de­cken­des Werk­statt­netz, das aus­rei­chend besetzt ist. Dafür braucht es bei der DB mehr statt weni­ger Per­so­nal in der Brei­te, denn nur so kön­nen Züge in kur­zen War­tungs­fens­tern über­prüft, Toi­let­ten gerei­nigt und das Bord­bis­tro auf Vor­der­mann gebracht wer­den.

3.        Weniger Vorstandsetage, mehr Maschinenraum

In der letz­ten Regie­rung mit grü­ner Betei­li­gung wur­den bereits Vor­stands­po­si­tio­nen in Toch­ter­un­ter­neh­men redu­ziert. Eine Ver­schlan­kung der Vor­stands­eta­gen der Deut­schen Bahn ist drin­gend über­fäl­lig. Die Kos­ten des Over­heads der DB Hol­ding müs­sen in die­ser Legis­la­tur­pe­ri­ode um ein Drit­tel redu­ziert wer­den. Mit den damit ein­ge­spar­ten Gel­dern muss der Maschi­nen­raum der Bahn gestärkt wer­den. Das heißt: mehr Lok­füh­rer, mehr Fahr­dienst­lei­te­rin­nen, mehr Ser­vice­per­so­nal. Stell­wer­ke und Werk­stät­ten müs­sen end­lich voll­stän­dig besetzt sein, damit der Zug­ver­kehr in den Bahn­netz­kno­ten wie­der rei­bungs­los funk­tio­nie­ren kann. Kein Bahn­pro­jekt darf dar­an schei­tern, dass Bau­in­ge­nieu­rin­nen und ‑inge­nieu­re feh­len. Ein attrak­ti­ves Ausbildungs‑, Wei­ter­bil­dungs- und Umschu­lungs­an­ge­bot sowie eine attrak­ti­ve Ver­gü­tung schaf­fen hier­für die Grund­la­ge.

4.        Grundversorgung gewährleisten und Gemeinwohl sichern

Es muss Bun­des­ver­kehrs­mi­nis­ter Schnie­ders vor­dring­lichs­te Auf­ga­be sein, den der­zei­ti­gen Trend „Ver­bin­dun­gen strei­chen, aber Ticket­prei­se erhö­hen“ zu stop­pen.  Der Bund hat gemäß Grund­ge­setz die Auf­ga­be, ein gutes Ange­bot auf der Schie­ne sicher­zu­stel­len, sodass alle Men­schen umwelt­freund­lich und bezahl­bar von A nach B kom­men kön­nen. Es sol­len kei­ne IC-Ver­bin­dun­gen mehr gekürzt wer­den. Vor allem im Osten Deutsch­lands muss eine mas­si­ve Aus­dün­nung des Fern­ver­kehrs­an­ge­bots ver­hin­dert wer­den. Die Bahn ist Teil der Daseins­vor­sor­ge.

5.        Starker Güterverkehr für eine starke Wirtschaft

Der Indus­trie­stand­ort Deutsch­land ist auf einen funk­tio­nie­ren­den Güter­ver­kehr ange­wie­sen. Wer die Wirt­schaft unter­stüt­zen und stär­ken will, muss dafür sor­gen, dass der Trans­port auf der Schie­ne bezahl­bar bleibt und ein­fa­cher wird – etwa durch den geziel­ten Aus­bau der Hafen­hin­ter­land­ver­bin­dun­gen auf der Schie­ne und die För­de­rung des Kom­bi­nier­ten Ver­kehrs. So wäre es ein fata­les Signal an den Wirt­schafts­stand­ort Deutsch­land, den soge­nann­ten Ein­zel­wa­gen­ver­kehr ein­zu­stamp­fen und so noch mehr Ver­kehr auf die Stra­ße zu ver­la­gern.

6.        Infrastrukturfonds schaffen für Planbarkeit und Kosteneffizienz

Das 500 Mil­li­ar­den Euro schwe­re Son­der­ver­mö­gen für Infra­struk­tur und Kli­ma­neu­tra­li­tät schafft eine mehr als kom­for­ta­ble Aus­gangs­si­tua­ti­on für eine lang­fris­ti­ge gesi­cher­te Finan­zie­rung der Schie­ne. Den­noch ste­hen im schwarz-roten Haus­halt durch die mas­si­ve Kür­zung des Kern­haus­hal­tes unter dem Strich der­zeit jähr­lich nur 5 Mil­li­ar­den Euro mehr für Infra­struk­tur­in­ves­ti­tio­nen zur Ver­fü­gung.  Es kann nicht sein, dass so viel Geld für Inves­ti­tio­nen bereit steht wie nie und gleich­zei­tig unver­zicht­ba­re Schie­nen­aus- und Neu­bau­pro­jek­te ver­scho­ben oder gar ganz gestri­chen wer­den. Um end­lich die Wen­de beim Schie­nen­netz zu schaf­fen, muss mit der Bahn­stra­te­gie die Errich­tung eines min­des­tens fünf­jäh­ri­gen Infra­struk­tur­fonds ein­her­ge­hen, der aus­kömm­lich gefüllt ist. Alle Pro­jek­te, denen jetzt ein Pla­nungs- und Bau­stopp droht, müs­sen fort­ge­setzt wer­den. Der Bun­des­tag muss dafür schnellst­mög­lich sein „Go“ geben. Kon­kret erwar­ten wir, dass zen­tra­le Pro­jek­te für das Rück­grat des deut­schen Schie­nen­net­zes wie bei­spiels­wei­se die Neu­bau­stre­cken Frank­furt – Mann­heim, Ham­burg – Han­no­ver, der neue Tief­bahn­hof Frank­furt, die Marsch­bahn, der Bren­ner­nord­zu­lauf oder die Elek­tri­fi­zie­rungs­pro­jek­te nicht am Geld schei­tern.

7.        Entbürokratisierung ernsthaft angehen

Deutsch­lands Eisen­bahn­be­hör­den und Regel­wer­ke hän­gen im Zeit­al­ter der Dampf­lok fest. Büro­kra­tie­ab­bau ist der ent­schei­den­de Schlüs­sel, um auf­wän­di­ge Pla­nungs­ver­fah­ren, Geneh­mi­gun­gen und Zulas­sun­gen zu beschleu­ni­gen. Anstatt sich an ver­meint­lich blo­ckie­ren­den Natur­schutz­ver­bän­den abzu­ar­bei­ten, muss das Bun­des­ver­kehrs­mi­nis­te­ri­um ent­schlos­sen han­deln. Das heißt, Regel­wer­ke und För­der­be­din­gun­gen redu­zie­ren und ver­ein­fa­chen. Kon­kre­te Umset­zungs­vor­schlä­ge hat die Beschleu­ni­gungs­kom­mis­si­on Schie­ne vor­ge­legt, sie sind im Ent­wurf des „Moder­ne Schie­ne Gesetz“ auf­ge­schrie­ben, das wegen des Bruchs der Ampel-Regie­rung nicht mehr ver­ab­schie­det wer­den konn­te. Dort sind bereits Beschleu­ni­gungs­maß­nah­men wie der Ent­fall von Wirt­schaft­lich­keits­prü­fun­gen bei Elek­tri­fi­zie­run­gen ent­hal­ten. Der Minis­ter muss ein­fach nur die Schub­la­de im Minis­te­ri­um auf­ma­chen.

8.        Bezahlbare Ticketpreise durch Absenken der Schienenmaut

Die Belas­tung für die Deut­sche Bahn oder Flix­train sind sehr hoch. Die wei­ter stei­gen­de Schie­nen­maut wird auch die Ticket­prei­se wei­ter stei­gen las­sen. Bahn­fah­ren darf kein Luxus­gut wer­den. Sta­bi­le bezahl­ba­re Prei­se wer­den dau­er­haft nur durch eine Sen­kung der Schie­nen­maut erreicht. Dafür muss der Bund sei­nen Anteil an der Finan­zie­rung des Bestands­net­zes erhö­hen, zum Bei­spiel durch wei­te­re Finanz­mit­tel aus der Lkw-Maut.

Hier ist das Papier als pdf zu fin­den: https://www.matthias-gastel.de/wp-content/uploads/2025/09/GruenesEckpunktepapierzurBahnstrategie.pdf

Zur Ein­ord­nung:

Vor über 30 Jah­ren wur­de mit der Ver­schmel­zung von Bun­des­bahn und Reichs­bahn die Deut­sche Bahn AG gegrün­det. Seit­dem ist Vie­les gesche­hen – posi­tiv und nega­tiv. Vor allem die Regio­na­li­sie­rung des Nah­ver­kehrs in die Zustän­dig­keit der Bun­des­län­der mit gleich­zei­ti­ger Ein­füh­rung von Wett­be­werb ist eine Erfolgs­ge­schich­te: Das Ange­bot auf der Schie­ne im Nah­ver­kehr ist um 70 Pro­zent gewach­sen. Das Ange­bot im Fern­ver­kehr wuchs seit­dem um 25 Pro­zent, im Schie­nen­gü­ter­ver­kehr sogar um 90 Pro­zent. Dem­entspre­chend stieg der Anteil der Schie­ne am Per­so­nen­trans­port von knapp 7 Pro­zent auf knapp 10 Pro­zent, bei den Gütern von knapp 17 Pro­zent auf über 19 Pro­zent. Mit dem Deutsch­land­ti­cket hat die letz­te Bun­des­re­gie­rung auch ein güns­ti­ges und ein­fa­ches Ticket für den Nah­ver­kehr auf den Weg gebracht, das den Fli­cken­tep­pich von Tarif- und Län­der­gren­zen über­wun­den und die Nut­zung von Bus und Bahn im Nah­ver­kehr in Deutsch­land so unkom­pli­ziert wie noch nie gemacht hat. Aller­dings ist in den letz­ten 30 Jah­ren das Schie­nen­netz nicht etwa gewach­sen, son­dern ist durch Still­le­gun­gen geschrumpft – von 44.600 auf 39.200 Kilo­me­ter. Die Inves­ti­tio­nen in die Schie­nen­in­fra­struk­tur sind bis 2015 gesun­ken, vor allem in den Bestands­er­halt. Dies führ­te dazu, dass der Zustand des Net­zes sich kon­ti­nu­ier­lich ver­schlech­tert hat. Erst die letz­te Bun­des­re­gie­rung hat mit deut­lich mehr Inves­ti­tio­nen dafür gesorgt, dass der Netz­zu­stand sich 2024 erst­mals nicht mehr ver­schlech­tert hat.

Die Bahn in Deutsch­land wie­der auf Kurs zu brin­gen, ist eine der zen­tra­len Auf­ga­ben der Bun­des­re­gie­rung und von Bun­des­ver­kehrs­mi­nis­ter Schnie­der. Heu­te ist der Bahn-Kon­zern über­schul­det und unnö­tig auf­ge­bläht. Oft ope­riert die DB ori­en­tie­rungs­los und an den Bedürf­nis­sen ihrer Kun­din­nen und Kun­den vor­bei und muss nach den Jah­ren, in denen man zum glo­ba­len Logis­tik­cham­pi­on auf­stei­gen woll­te, das Kern­ge­schäft jetzt müh­sam kon­so­li­die­ren. Vor allem wegen des schlech­ten Netz­zu­stands ist die Bahn unzu­ver­läs­sig und unpünkt­lich. Durch das Son­der­ver­mö­gen Infra­struk­tur hat die Bun­des­re­gie­rung jetzt die Mög­lich­keit, die Schie­ne zurück auf Erfolgs­kurs zu füh­ren. Des­halb ist es ein Affront gegen­über den auf funk­tio­nie­ren­de Infra­struk­tur ange­wie­se­nen Bahn­rei­sen­den und der Wirt­schaft, dass Schwarz-Rot durch Buchungs­tricks jetzt viel weni­ger Geld als mög­lich zusätz­lich in die Schie­ne inves­tiert.

Die ver­gan­ge­ne Bun­des­re­gie­rung hat mit der Grün­dung der Infra­GO die ers­te Reform bei der Deut­schen Bahn seit über 25 Jah­ren auf den Weg gebracht und die Inves­ti­tio­nen in die Schie­ne deut­lich erhöht. Jetzt gilt es Kurs zu hal­ten, die neu geschaf­fe­nen Struk­tu­ren aus­zu­bau­en, die Mit­tel aus dem Son­der­ver­mö­gen Infra­struk­tur tat­säch­lich für zusätz­li­che Inves­ti­tio­nen zu nut­zen und klug ein­zu­set­zen. Durch die Mög­lich­kei­ten des Son­der­ver­mö­gens ist klar: Am Geld kann das Wie­der­erstar­ken der Schie­ne nicht schei­tern, son­dern allein am feh­len­den poli­ti­schen Wil­len der schwarz-roten Bun­des­re­gie­rung. Die Bahn muss in den nächs­ten zehn Jah­ren, bis zu ihrem 200. Geburts­tag 2035, wie­der ein ver­läss­li­ches Rück­grat einer kli­ma­freund­li­chen Mobi­li­tät in Deutsch­land wer­den.

Die Vor­schlä­ge als PDF: https://www.matthias-gastel.de/wp-content/uploads/2025/09/GruenesEckpunktepapierzurBahnstrategie.pdf