Lastwagen auf die Bahn

07.04.2022

„Rollende Landstraße“ in Tirol besucht

Die Alpen stel­len einen ein­zig­ar­ti­gen, aber auch sen­si­blen Natur­raum dar. Öster­reich, ins­be­son­de­re das Bun­des­land Tirol, ist mas­siv durch den alpen­que­ren­den Tran­sit­ver­kehr auf der Stra­ße betrof­fen. Tirol behilft sich immer wie­der mit Fahr­ver­bo­ten und Block­ab­fer­ti­gun­gen und spricht von „Not­wehr“.

Die mor­gend­li­chen Block­ab­fer­ti­gun­gen die­nen, so die Tiro­ler Lan­des­haupt­mann­stell­ver­tre­te­rin (stell­ver­tre­ten­de Minis­ter­prä­si­den­tin und Ver­kehrs­mi­nis­te­rin, Grü­ne) Ingrid Feli­pe, dem Erhalt des Ver­kehrs­flus­ses und der Mobi­li­tät der Berufs­pend­ler. Es gehe aber auch um den Lärm und Abga­se im teil­wei­se engen Tal. Der Anteil des Güter­ver­kehrs auf der Schie­ne liegt in Öster­reich nur bei 25, in der Schweiz jedoch bei 70 Pro­zent – jeweils alpen­que­rend. Die For­de­rung aus unse­rem Nach­bar­land nach höhe­ren Maut­sät­zen für Last­wa­gen ist in der Ver­gan­gen­heit in Deutsch­land ver­hallt. Doch Feli­pe ist sich sicher: „Die Bren­ner-Stre­cke ist aus Kos­ten­grün­den attrak­tiv, selbst attrak­ti­ver als kür­ze­re Rou­ten.“ Dass es sich bei rund einem Fünf­tel um Umweg­fahr­ten han­delt, wur­de in einer von Tirol beauf­trag­ten Stu­die nach­ge­wie­sen. Feli­pe ver­weist nicht nur auf zu gerin­ge Maut­sät­ze, son­dern auch auf die nied­ri­gen Die­sel­prei­se in Öster­reich. Die Block­ab­fer­ti­gung wur­de ins­be­son­de­re von Bay­ern kri­ti­siert, ohne Lösun­gen anzu­bie­ten. Nun könn­te Bewe­gung in die Ange­le­gen­heit kom­men. Auf EU-Ebe­ne wer­den neue Mög­lich­kei­ten für die Aus­ge­stal­tung der Maut­sät­ze vor­be­rei­tet, so ein fünf­zig­pro­zen­ti­ger Auf­schlag für stark belas­te­te Regio­nen. Aus dem Bun­des­ver­kehrs­mi­nis­te­ri­um und aus Bay­ern ist zu ver­neh­men, dass eine höhe­re Maut für Lkw „von Mün­chen bis Vero­na“ denk­bar sei, um Anrei­ze für die Ver­la­ge­rung auf die Schie­ne zu set­zen.

Damit sich der Bau des Bren­ner­ba­sis­tun­nels und der nörd­li­chen und süd­li­chen Zulauf­stre­cken rech­net und Ver­la­ge­rungs­zie­le ein­tre­ten, muss der Güter­trans­port per Lkw im alpen­que­ren­den Ver­kehr teu­rer und der Güter­ver­kehr auf der Schie­ne muss ent­bü­ro­kra­ti­siert wer­den. Heu­te sind bei­spiels­wei­se Sprach­kennt­nis­se der Lok­füh­rer für das jewei­li­ge Land erfor­der­lich und mit jedem Zug, der nach Ita­li­en fährt, muss eine Brems­pro­be nach ita­lie­ni­schen Vor­ga­ben absol­viert wer­den.

In Tirol traf ich mich mit Ingrid Feli­pe, um ein Unter­neh­men zu besu­chen, das grü­nen Was­ser­stoff für die betriebs­ei­ge­nen Last­wa­gen zu pro­du­zie­ren. Am Ran­de spra­chen wir auch über die Tran­sit-Pro­ble­ma­tik. Ein Ansatz stellt die „Rol­len­de Land­stra­ße“ („Rola“) dar. Dabei wer­den gan­ze Last­wa­gen auf Nie­der­flur­wa­gen ver­la­den. Die Lkw-Fah­rer fah­ren im Begleit­wa­gen mit. Gemein­sam mit dem Grü­nen Ver­kehrs­spre­cher im Natio­nal­rat (ent­spricht unse­rem Bun­des­tag), Her­mann Wer­at­sch­nig, und dem Grü­nen Ver­kehrs­spre­cher im Tiro­ler Land­tag, Micha­el Min­gler, besuch­te ich das Rola-Ter­mi­nal in Wörgl. Wir lie­ßen uns das Modell in der Theo­rie erläu­tern und konn­ten sehen, wie Last­wa­gen auf die Güter­wa­gen fah­ren sowie einen Blick in den Begleit­wa­gen wer­fen, der über eini­ge Sitz­ab­tei­le, eine Sitz­grup­pe, sani­tä­re Anla­gen sowie eine klei­ne Küche ver­fügt – Stich­wort „Ruhe­zei­ten“. Das Ter­mi­nal gehört zu den Öster­rei­chi­schen Bun­des­bah­nen (ÖBB Infra­struk­tur) und wird von die­sen auch betrie­ben. Jähr­lich fin­den dort knapp 200.000 Last­wa­gen ihren Weg auf die Schie­ne. Ange­bo­ten wer­den täg­lich 18 Fahr­ten hin­auf auf den Bren­ner (und zurück). Ein Zug fährt wei­ter bis Tren­to. Die Güter­zü­ge fah­ren mit 21 Nie­der­flur­wa­gen, einer Län­ge von maxi­mal 470 Metern (mehr geht nicht wegen der Situa­ti­on auf dem Bren­ner) und einer durch­schnitt­li­chen Aus­las­tung von 80 Pro­zent. Genutzt wird die Rola aus ver­schie­de­nen Moti­ven: Wäh­rend der Pau­sen der Lkw-Fah­rer bleibt die Fracht in Bewe­gung, es kön­nen Last­wa­gen mit über 40 Ton­nen trans­por­tiert wer­den (auf der Stra­ße maxi­mal 40 Ton­nen) und das sek­to­ra­le Fahr­ver­bot, das sich auf einen Teil der Güter bezieht, kann umgan­gen wer­den. Die Poli­tik wie­der­um argu­men­tiert, man brau­che die Rola trotz ihres Sub­ven­ti­ons­be­darfs (die­se kann sich nicht sel­ber tra­gen), um eben die­ses sek­to­ra­le Fahr­ver­bot recht­lich auf­recht­erhal­ten zu kön­nen. Die Rola wird als gutes Ange­bot, aber nicht als Lösung betrach­tet. So macht es nur ein­ge­schränkt Sinn, gan­ze Last­wa­gen statt nur Con­tai­ner oder kran­ba­re Auf­lie­ger (die in der Pra­xis lei­der sehr sel­ten sind) zu ver­la­den, da dies viel Gewicht pro­du­ziert und Platz „ver­schwen­det“. Auch zeigt sich, dass fast aus­schließ­lich der kur­ze Abschnitt genutzt wird und nach Tren­to nur eine sehr gerin­ge Nach­fra­ge besteht. Auf­fal­lend war, dass wir vie­le Last­wa­gen mit „bahn­af­fi­ner“ Fracht sahen, so bela­den mit Autos und Schütt­gut. Die Kapa­zi­tät des Ter­mi­nals (250.000 Last­wa­gen pro Jahr) wird nicht ganz aus­ge­schöpft, was auch an den nach wie vor rela­tiv nied­ri­gen Die­sel­prei­sen und einer Maut lie­gen dürf­te, deren Höhe noch zu wenig Ver­la­ge­rungs­an­rei­ze bie­tet. So kla­gen die Grü­nen in Tirol, dass trotz viel­fäl­ti­ger Bemü­hun­gen über 70 Pro­zent der Waren von Nord nach Süd auf der Stra­ße trans­por­tiert wer­den. Mit einer Kor­ri­dor­maut, also erhöh­ten Maut­sät­zen für den alpen­que­ren­den Stra­ßen­gü­te­ver­kehr, könn­te, so die Hoff­nung, erreicht wer­den, dass die Schie­ne für noch mehr Güter die bes­se­re Opti­on ist und die Men­schen in Tirol vom Ver­kehr ent­las­tet wer­den kön­nen.

An der Bren­ner­au­to­bahn, hier mit dem Tiro­ler Land­tags­ab­ge­ord­ne­ten Micha­el Min­gler.

Blick auf den Stra­ßen­gü­ter­ver­kehr

Nach dem Besuch im Rola-Ter­mi­nal leg­ten wir noch einen Stopp an einer Lkw-Tank­stel­le ein. Dort stan­den Last­wa­gen in lan­gen Rei­hen, um „bil­lig“ zu tan­ken. Auch auf die Bren­ner­au­to­bahn war­fen wir einen Blick. Jedes fünf­te Fahr­zeug ist dort ein Last­wa­gen – ein sehr hoher Wert. Dies alles zeigt, wie wich­tig es ist, die Bemü­hun­gen für die Ver­la­ge­rung auf die Schie­ne deut­lich zu ver­stär­ken.

Bahn­aus­bau in Deutsch­land not­wen­dig

Gera­de mit Blick auf den Bau des Bren­ner-Basis­tun­nels kommt es dar­auf an, dass auf deut­scher Sei­te die Kapa­zi­tä­ten auf der Schie­ne aus­ge­baut wer­den. Am Tag vor mei­nen Ter­mi­nen in Tirol war im Münch­ner Osten unter­wegs, um mir im Rah­men einer Rad­tour vor Ort die dort geplan­ten Aus­bau­maß­nah­men anzu­schau­en und mit Lan­des- und Kommunalpolitiker*innen sowie Bür­ger­initia­ti­ven zu dis­ku­tie­ren.

Die­ser Bei­trag ent­stand unter Zuhil­fe­nah­me auch fol­gen­der Quel­len:

TSP Back­ground v. 25.02.2022

Trans­ak­tu­ell 11.02.2022

DVZ v. 02.02.2022

Home­page der ÖBB

 

Exkurs zur Ver­la­ge­rungs­po­li­tik in der Schweiz

In der Schweiz ist per Gesetz gere­gelt, dass jähr­lich höchs­tens 650.000 Last­wa­gen die Schwei­zer Alpen durch­que­ren dür­fen. Seit­her ist durch ver­schie­de­ne Maß­nah­men eine Redu­zie­rung des alpen­que­ren­den Schwer­last­ver­kehrs erreicht wor­den, das Ziel wur­de jedoch stets ver­fehlt. Im Jahr 2020 waren es bei­spiels­wei­se immer noch 863.000 Last­wa­gen­be­we­gun­gen.

Die Schwei­zer Regie­rung wur­de vom Par­la­ment kürz­lich auf­ge­for­dert, drei wei­te­re Instru­men­te anzu­ge­hen: Die För­der­mit­tel für die Ver­la­ge­rung auf die Schie­ne sol­len erhöht, regio­na­le Ver­la­ge­rungs­po­ten­tia­le sol­len bes­ser genutzt (auch, wenn sich die­se in Deutsch­land befin­den) und die Kran­bar­keit von Sat­tel­auf­lie­gern soll geför­dert wer­den. Denk­bar sind sogar Durch­fahrts­ver­bo­te für Lkw mit nicht kran­ba­ren Trai­lern. Zudem hat das Par­la­ment die Regie­rung auf­ge­for­dert, mit den bei­den Nach­bar­län­dern Frank­reich und Deutsch­land über eine Elek­tri­fi­zie­rung der links­rhei­ni­schen Bahn­stre­cke zwi­schen Straß­burg und Wörth am Rhein (bei Karls­ru­he) zu ver­han­deln. Die Schweiz wäre mög­li­cher­wei­se sogar bereit, sich an den Aus­bau­kos­ten zu betei­li­gen.

Quel­len:

DVZ v. 22.03.2022

Alpen­in­itia­ti­ve