Unkoordinierte Baustellen an der Gäubahn

Sym­bol­bild.

19.08.2022

An jedem fünften Tag Stillstand

Einer Ana­ly­se des Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­ten Mat­thi­as Gastel (Grü­ne) zufol­ge ist die Gäu­bahn an 19,5 Pro­zent der Tage durch Bau­stel­len unter­bro­chen. Berück­sich­tigt wur­den dabei nur ganz­tä­gi­ge Beein­träch­ti­gun­gen im Jahr 2022. Rech­net man Sper­run­gen hin­zu, die nur Tages­rand­la­gen betref­fen, so lagen sogar an jedem vier­ten Tag bau­stel­len­be­ding­te Ein­schrän­kun­gen für den Bahn­ver­kehr vor. Davon betrof­fen waren bzw. sind im Jahr 2022 rund 4.300 Zug­fahr­ten. Aus­fäl­le durch die jüngs­te Stell­werk­stö­rung am Haupt­bahn­hof Stutt­gart wur­den nicht mit­ge­rech­net. Durch die­se Stö­rung fie­len tage­lang alle Züge der Schwei­ze­ri­schen Bun­des­bah­nen, die umstei­ge­freie Ver­bin­dun­gen zwi­schen Stutt­gart und Zürich ermög­li­chen, aus. „Eine Stre­cken­ver­füg­bar­keit von 75 bis 80 Pro­zent ist viel zu gering, um einen ver­läss­li­chen Bahn­ver­kehr anbie­ten zu kön­nen“, kri­ti­siert Mat­thi­as Gastel das Bau­stel­len­ma­nage­ment der Deut­schen Bahn. „Bau­stel­len müs­sen viel stär­ker gebün­delt wer­den. Dies bedeu­tet, dass wäh­rend einer Sperr­pau­se mehr Arbei­ten erle­digt wer­den müs­sen statt für jede Maß­nah­me eine eige­ne Bau­stel­le mit ent­spre­chen­den Sper­run­gen ein­zu­rich­ten.“ Der Kon­zern habe dies inzwi­schen erkannt und wol­le sei­ne Bau­stel­len­pla­nung ent­spre­chend ändern, um die ver­füg­ba­ren Kapa­zi­tä­ten weni­ger durch unko­or­di­nier­te Bau­tä­tig­kei­ten ein­zu­schrän­ken. „Hier an der Gäu­bahn zeigt sich, wie dring­lich die­se Opti­mie­rung des Bau­we­sens ist“, so Mat­thi­as Gastel, der seit kur­zem dem Auf­sichts­rat der DB Netz AG und der Beschleu­ni­gungs­kom­mis­si­on Schie­ne der Bun­des­re­gie­rung ange­hört. „In bei­den Gre­mi­en wer­de ich Druck machen, dass not­wen­di­ge Bau­ak­ti­vi­tä­ten zügi­ger und abge­stimm­ter als bis­her umge­setzt wer­den. Wir müs­sen mehr ins Netz inves­tie­ren. Wir kön­nen uns aber kei­ne in Sum­me über­di­men­sio­nier­ten, wie­der­keh­ren­den Sper­run­gen leis­ten. Wenn gear­bei­tet wird, dann muss alles gleich mit­ge­macht wer­den, was als sinn­voll und not­wen­dig abseh­bar ist. Lie­ber ein­mal etwas län­ger als viel­fach etwas kür­zer sper­ren – und dann die Stre­cke län­ger unbe­ein­träch­tigt nut­zen kön­nen. Die Deut­sche Bahn muss für eine mög­lichst gro­ße Ver­füg­bar­keit der Infra­struk­tur und damit für mehr Ver­läss­lich­keit sor­gen.“

 

Zum Hin­ter­grund:

Auch in den Vor­jah­ren gab es über­durch­schnitt­lich vie­le Beein­träch­ti­gun­gen durch eine Abfol­ge von unzu­rei­chend koor­di­nier­ten Bau­stel­len. Zwi­schen 2016 und 2021 war an 18 Pro­zent der Tage kei­ne durch­ge­hen­de Befahr­bar­keit der Gäu­bahn-Stre­cke mög­lich.

Am Bei­spiel zwei­er beson­ders betrof­fe­ner Abschnit­te der Gäu­bahn lässt sich die Pro­ble­ma­tik beson­ders gut auf­zei­gen:

So wur­den bei­spiels­wei­se im Abschnitt zwi­schen Her­ren­berg und Rott­weil bereits 2017 Brü­cken­ar­bei­ten durch­ge­führt, was zu einer Sper­rung der Stre­cke führ­te, ein Jahr dar­auf war der Abschnitt erneut meh­re­re Tage nicht befahr­bar. Dies­mal muss­ten Glei­se und Wei­chen erneu­ert wer­den. Im Jahr 2021 folg­ten dann wei­te­re Sper­run­gen zwi­schen Her­ren­berg und Horb, ein­mal auf­grund der Erneue­run­gen von Wei­chen- und Bahn­stei­gen und spä­ter im Jahr noch ein­mal auf­grund von Wei­chen­er­neue­rung.
Auch in die­sem Jahr war der Abschnitt Her­ren­berg-Horb wie­der beein­träch­tigt, dies­mal zunächst im Juni auf­grund durch Vor­be­rei­tungs­ar­bei­ten für den zwei­glei­si­gen Aus­bau und aber­mals über die Som­mer­fe­ri­en, in denen Stell­werks­ar­bei­ten und ers­te Maß­nah­men für den Zwei­g­leis­aus­bau für Sper­run­gen sor­gen.

Auch der Abschnitt Tutt­lin­gen-Sin­gen ist viel­fach betrof­fen. 2018 wur­den Glei­se und Wei­chen erneu­ert, 2019 dann wie­der­um durch Gleis­ar­bei­ten. Bei­des führ­te immer wie­der zu Teil- und Total­sper­run­gen. Eine wei­te­re Gleis­sper­rung 2019 folg­te noch im Jahr 2019, dies­mal auf­grund von Brü­cken­bau­ar­bei­ten. 2021 führ­ten Bahn­über­gangs­ar­bei­ten zu wei­te­ren Sperr­ta­gen und 2022 stan­den und ste­hen auch hier ers­te Aus­bau­maß­nah­men sowie Erneue­rungs- und Sanie­rungs­ar­bei­ten an Glei­sen und Brü­cken an, was aber­mals für zwei Sperr­zeit­räu­me sorgt.

Um es abschlie­ßend noch­mal deut­lich zu machen: Kei­ne der Bau­maß­nah­men ist ver­zicht­bar. Die Bau­maß­nah­men müs­sen aber bes­ser koor­di­niert wer­den. Wenn ein Kor­ri­dor bau­stel­len­be­dingt gesperrt wer­den muss, dann müs­sen gleich alle abseh­ba­ren Bau­maß­nah­men inner­halb eines mög­lichst kurz zu hal­ten­den Sperr­fens­ters mit erle­digt wer­den. Es geht dar­um, Bau­maß­nah­men kon­se­quent zu bün­deln, um die Stre­cke in mög­lichst gro­ßem Maß betriebs­be­reit zu hal­ten.