14. Drei-Tages-Wanderung bot viele Eindrücke

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05.09.2021

Holz, Igel, Ziegen, Wasser & Apfelsaft

Wie­der war ich, dies­mal mit reich­lich Beglei­tung, zu Fuß unter­wegs durch mei­nen Wahl­kreis. Ver­mut­lich war es mei­ne 14. der­ar­ti­ge Wan­de­rung, wäh­rend der ich das Gehen mit vie­len Gesprä­chen und inter­es­san­ten Lokal­ter­mi­nen ver­band. Über­nach­tet wur­de wie immer unter­wegs in Hotels.

Wer das Gelän­de des Holz­be­triebs von Hei­ko Wai­de­lich in Wal­den­buch-Burk­hardts­müh­le betritt, betritt 160 Jah­re Fir­men­ge­schich­te. Zwar steht an der Zufahrt noch „Säge­werk“ auf einem Schild, jedoch wur­de das Unter­neh­men in Wal­den­buch an der Gren­ze zu Fil­der­stadt-Plat­ten­hardt nach einem Groß­brand vor über 15 Jah­ren eher als Holz­dienst­leis­ter wie­der auf­ge­baut. Den Kun­den wird das Holz pass­ge­nau zuge­schnit­ten und auch in klei­nen Men­gen ver­kauft. Par­kett­bö­den, Zäu­ne und Holz­trep­pen wer­den auf Wunsch beim Kun­den hand­werk­lich ver­baut. Für all die­se Leis­tun­gen steht ein Team aus 18 Leu­ten. Wir spra­chen über die tur­bu­len­te Ent­wick­lung der Holz­prei­se, die mit der gestie­ge­nen Nach­fra­ge der USA und Chi­na zusam­men­hängt, wie Wai­de­lich erläu­tert. In Deutsch­land habe es zuvor aber auch sehr nied­ri­ge Prei­se gege­ben. Die Holz­in­dus­trie ver­die­ne dar­an sehr gut, wäh­rend die Wald­be­sit­zer noch immer ziem­lich gerin­ge Ein­nah­men erzie­len wür­den. Neu für die meis­ten von uns war, dass es einen Trend zu Kunst­stoff-Holz­imi­ta­ten bei­spiels­wei­se für Bal­ko­ne und Ter­ras­sen gibt. Wer das kau­fen möch­te, wird aber bei Wai­de­lich nicht fün­dig. Hier geht es um Holz. Davon konn­ten wir uns beim Rund­gang über das Gelän­de und beim Blick auf den Maschi­nen­park über­zeu­gen.

(Fast) alle freu­en sich, wenn sie ihn sehen. Und doch hat er es nicht immer ein­fach. Die Rede ist vom Igel. Manch­mal fehlt es an Nah­rung, manch­mal man­gelt es in den auf­ge­räum­ten Gär­ten an Mög­lich­kei­ten zum Über­win­tern und dann lau­ern Gefah­ren beim Que­ren von Stra­ßen. Wal­traud Hoyler aus Neckar­tenz­lin­gen ist eine der Leu­te, die sich um Igel küm­mern. Sie bringt Igel über den Win­ter, die sich nicht aus­rei­chend Fett anfres­sen konn­ten oder sorgt für die­je­ni­gen, die ver­letzt sind. In die­sem doch sehr feuch­ten Som­mer fin­den die Igel vor allem Wür­mer und Schne­cken, aber weni­ger als sonst als Haupt­nah­rung übli­chen Käfer zum Fres­sen vor. Damit wer­den jedoch vie­le Para­si­ten auf­ge­nom­men. Der eine Igel, der gera­de auf­ge­nom­men wer­den muss­te, lei­det genau dar­un­ter. Hoyler erklär­te uns, was einen igel­freund­li­chen Gar­ten aus­macht: Laub und Äste, um sich tags­über und im Win­ter zu ver­ste­cken sowie der Abbau von Hin­der­nis­sen wie Zäu­nen und Trep­pen. Zäu­ne soll­ten nicht über­all bis ganz zum Boden rei­chen und Gar­ten­trep­pen kön­nen mit Stei­nen am Rand auch für Jung­igel über­wind­bar gestal­tet wer­den. Fal­len wie Gru­ben oder Licht­schäch­te soll­ten abge­deckt wer­den. Hilf­reich sind auch kat­zen­si­che­re Igel­häu­ser und Trän­ken.

Der Betrieb „Häus­ser­mann Frucht­säf­te“ wur­de 1957 als klei­ne Kel­te­rei in Neckar­tail­fin­gen gegrün­det. Heu­te gehört er, geführt in drit­ter Gene­ra­ti­on, mit 12 Beschäf­tig­ten und über 40 Pro­duk­ten zu den grö­ße­ren in der Regi­on. Das Unter­neh­men ver­ar­bei­tet ange­lie­fer­tes Obst, unter­hält aber auch eige­ne Streu­obst­wie­sen nach EU-Bio-Stan­dard. Her­ge­stellt wer­den aus den selbst ange­bau­ten und aus einer Ent­fer­nung von höchs­tens 50 Kilo­me­ter ange­lie­fer­ten Äpfeln und Bir­nen aus­schließ­lich Direkt­säf­te. Abge­füllt wird in Mehr­weg-Glas­fla­schen. Zu kau­fen gibt es die Säf­te in Geträn­ke- und Lebens­mit­tel­märk­ten auf den Fil­dern, im Schön­buch, im Neckar­tal und auf der Schwä­bi­schen Alb. Auch Destil­la­te wer­den sel­ber her­ge­stellt. Die Ern­te in die­sem Jahr fällt unter­durch­schnitt­lich aus, da vie­le Früch­te Hagel­schä­den erlit­ten haben und sehr klein gera­ten sind. Eini­ge Sor­ten kön­nen jedoch noch etwas wach­sen.

Auf dem Dach der gro­ßen Hal­le befin­det sich eine Pho­to­vol­ta­ik­an­la­ge, mit der mehr Strom erzeugt wird, als der gesam­te Betrieb benö­tigt.

Land­schafts­pfle­ge mit Kasch­mir­zie­gen: Das war The­ma der nächs­ten Sta­ti­on. Corin­na Kist­ner hält sich 30 die­ser Tie­re im Neben­er­werb. Auf einem völ­lig ver­wil­der­ten und mit Hecken sowie Brom­bee­ren zuge­wach­se­nen Hang­grund­stück in Neckar­tail­fin­gen haben wir die Tie­re und ihre Hal­te­rin ange­trof­fen. Die Her­de besteht aus Kas­tra­ten, Mut­ter­tie­ren und ihren Zög­lin­gen. Die Tie­re wer­den nicht geschlach­tet, es gibt kei­ne Jung­tie­re, die die Her­de ihrer Hal­te­rin groß genug ist. Betrie­ben wird Land­schafts­pfle­ge für öffent­li­che und pri­va­te Auf­trag­ge­ber. So wer­den offe­ne Flä­chen zuguns­ten einer Viel­falt von Pflan­zen und Insek­ten geschaf­fen oder erhal­ten. Die Zie­gen fres­sen auch dor­ni­ge Brom­bee­ren und füh­len sich an Steil­hän­gen wohl. Die zutrau­li­chen Tie­re lie­ßen sich sicht­lich ger­ne strei­cheln und waren auch für Sel­fies ger­ne zu haben.

Der kom­mu­na­le „Zweck­ver­band Fil­der­was­ser­ver­sor­gung“ stellt die Was­ser­ver­sor­gung in den 10 Orten mit 145.000 Einwohner*innen sei­ner Mit­glie­der sicher. Die Funk­ti­ons­wei­se des Was­ser­werks in Neckar­tail­fin­gen wird auf der Home­page des Zweck­ver­bands erklärt: Es gewinnt sein Was­ser aus dem teil­wei­se mit Neckar­was­ser (bis zu 40%) ange­rei­cher­tem Grund­was­ser. Das Neckar­was­ser wird in einer Schnell­fil­ter­an­la­ge von orga­ni­schen und wei­te­ren Trüb­stof­fen befreit und dem Grund­was­ser über Sicker­schlitz und Ver­si­cke­rungs­be­cken durch eine Sand­schicht, die als Lang­sam­fil­ter bio­lo­gisch wirk­sam ist, zuge­fügt. Das (mit Neckar­was­ser) ange­rei­cher­te Grund­was­ser wird über Fas­sungs­lei­tun­gen dem Was­ser­werk zuge­lei­tet.
Die Auf­be­rei­tung im Was­ser­werk beginnt mit der Ultra­fil­tra­ti­ons­an­la­ge, in der durch sehr fei­ne Fil­ter aus dem Was­ser alle Par­ti­kel bis zu 0,01 µm (Trüb­stof­fe, Bak­te­ri­en, Viren, Ein­zeller) ent­fernt wer­den. Anschlie­ßend wird das Was­ser in einer Nano­fil­tra­ti­on (Nie­der­druckum­kehr­os­mo­se) auf eine Was­ser­här­te von 9,7°dH, Här­te­be­reich “Mit­tel” und damit auf ein im Ver­bands­ge­biet ein­heit­li­ches Niveau gebracht. Beim Rund­gang durch die Gebäu­de erfüh­ren wir eini­ge inter­es­san­te Din­ge: Im Jahr 2018, einem Dür­re­jahr, trat der bis­lang höchs­te Was­ser­ver­brauch auf. Die ver­füg­ba­re Was­ser­men­ge war am Limit, wes­halb bei­spiels­wei­se geben wor­den war, von der Bereg­nung von Sport­plät­zen abzu­se­hen. Wöchent­lich geht eine Was­ser­pro­be ins Labor. Unter­sucht wird das Was­ser unter ande­rem auf Viren und Bak­te­ri­en. Der Nitrat-Grenz­wert (50 mg/Liter) wird nur zu maxi­mal 40 Pro­zent erreicht. Chlor wird dem bereits ent­keim­ten Was­ser in sehr gerin­gen Men­gen bei­gemischt, bevor es auf die Rei­se in die Hoch­be­häl­ter geschickt wird („Sicher­heits­ch­lor­ung“). Bis es dort ankommt, ist es bereits abge­baut.

Die Wet­ter­ra­dar­sta­ti­on „Swa­bi­an Moses“ (bedeu­tet über­setzt: „Mobil und modu­lar ein­setz­ba­re Beob­ach­tungs­sys­te­me für Erd- und Umwelt­sys­te­me.“) des KIT in Nür­tin­gen-Neckar­hau­sen ver­folgt das Ziel, durch ein Beob­ach­tungs­sys­tem die Wet­ter­ex­tre­me im Neckar­tal und auf der Schwä­bi­schen Alb zu erfor­schen. Die­ses Gebiet weist, wie uns der Meteo­ro­lo­ge Mar­tin Koh­ler und zwei Dok­to­ran­din­nen erklär­ten, die höchs­te Gewit­ter­nei­gung in Deutsch­land mit einem beson­ders aus­ge­präg­ten Hagel­ri­si­ko auf! For­schen­de aus neun Insti­tu­ten ergrün­den die Ereig­nis­ket­ten vom Beginn in der Atmo­sphä­re (bspw. die Ent­ste­hung von Gewit­tern) über die Ent­wick­lung und die damit ver­bun­de­nen Aus­wir­kun­gen (bspw. die Ent­ste­hung von Hagel). Ganz kon­kret geht es unter ande­rem um den Trans­port von Was­ser­dampf in die Stra­to­sphä­re und Vege­ta­ti­ons­stress durch Dür­re. Das Pro­jekt läuft von Mai bis Okto­ber; in zwei Jah­ren wird der Ver­such wie­der­holt. Es kom­men ver­schie­de­ne Mess­sys­te­me zum Ein­satz, um ein bes­se­res Pro­zess­ver­ständ­nis zu ent­wi­ckeln. So wer­den mit Mess­son­den an gro­ßen Luft­bal­lons, die bis zu 19 Kilo­me­ter auf­stei­gen, die Luft­strö­mun­gen in Gewit­ter­zel­len unter­sucht. Alle 0,9 Sekun­den wer­den Mess­da­ten (Tem­pe­ra­tur, Feuch­tig­keit und indi­rekt auch Wind­ge­schwin­dig­keit und ‑rich­tung) gelie­fert. Ziel des Pro­jek­tes sind lang­fris­tig genaue­re Wet­ter­vor­her­sa­gen und bes­se­re War­nun­gen vor Gewit­tern und Hagel.

Den Abschluss unse­rer Wan­de­rung stell­ten die Karl-Schu­bert-Werk­stät­ten in Aich­tal-Grö­zin­gen dar. Wir spra­chen mit dem Geschäfts­füh­rer, Bereichs­lei­tern und dem Vor­sit­zen­den des Werk­statt­ra­tes. Die Ein­rich­tung der Behin­der­ten­hil­fe ist in drei Berei­che geglie­dert: Die Werk­statt inklu­si­ve der För­der­grup­pen, der Wohn­ge­mein­schaft mit 110 Wohn­plät­zen plus dem ambu­lant betreu­ten Woh­nen sowie schließ­lich dem Aka­de­mie­be­reich mit 300 Aus­bil­dungs­plät­zen in drei Beru­fen. Den­noch gibt es einen Fach­kräf­te­man­gel bei den Pfle­ge­fach­kräf­ten und den Heilerziehungspfleger*innen zu bekla­gen. Zur Spra­che kamen auch die schwie­ri­gen Bedin­gun­gen durch Coro­na. Einer­seits waren meh­re­re Aus­brü­che mit teil­wei­se schwe­ren Erkran­kun­gen und einem Todes­fall zu bekla­gen. Ande­rer­seits lie­ßen und las­sen sich Abstands­re­geln in einer sozia­len Ein­rich­tung, in der es oft beson­ders auf Nähe ankommt, schwer umset­zen. Auch finan­zi­ell stellt Coro­na eine Belas­tung dar, weil Hygie­ne­aus­stat­tun­gen, zu denen auch Luft­rei­ni­gungs­ge­rä­te zäh­len, und unbe­leg­te Plät­ze hohe Kos­ten mit sich brin­gen. Erfreu­lich erscheint hin­ge­gen die hohe Impf­quo­te.

Fazit: Auch die­se Wan­de­rung boten denen, die mich beglei­te­ten, sowie mir wie­der vie­le Dia­lo­ge wäh­rend des Lau­fens und an den gut aus­ge­wähl­ten Sta­tio­nen. Bürger*innennähe und Infor­ma­ti­on über das, was in mei­ner Regi­on geschieht, wur­den gebo­ten. Die­se beson­de­re Form, die mich rund 40 Kilo­me­ter durch den Wahl­kreis führ­te, macht es mög­lich.