Für frühzeitige Bürgerbeteiligung

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27.11.2018 (Gast­bei­trag in der Frank­fur­ter Rund­schau)

Schneller planen und bauen

Die gro­ße Koali­ti­on wird mit einem Gesetz nicht dafür sor­gen, dass gro­ße Pro­jek­te schnel­ler fer­tig wer­den. Es ist zu man­gel­haft. Ein Gast­bei­trag der bei­den Grü­nen-Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­ten Ste­phan Kühn und Mat­thi­as Gastel.

Wenn es bei Ver­kehrs­pro­jek­ten stockt, sind die ver­meint­lich Schul­di­gen schnell gefun­den. Es ist die Alli­anz aus soge­nann­ten Blo­cka­de-Tie­ren wie Eidech­sen oder Feld­hams­ter mit den Umwelt­ver­bän­den, die mit ihren Kla­gen dafür ver­ant­wort­lich sind, dass die Bag­ger in Deutsch­land still­ste­hen.

Man muss gar nicht den Haupt­stadt­flug­ha­fen BER bemü­hen, um deut­lich zu machen, dass die Grün­de für zähe Pla­nungs­pro­zes­se und lan­ge Ver­zö­ge­run­gen ande­re sind. Dass die weni­gen Ver­bands­kla­gen bei Hun­der­ten Pla­nungs­ver­fah­ren im Jahr zur Hälf­te von den Umwelt­ver­bän­den gewon­nen wer­den, zeigt nach Ansicht des Sach­ver­stän­di­gen­ra­tes für Umwelt­fra­gen der Bun­des­re­gie­rung: Die Ver­bän­de ver­zö­gern nicht die Pla­nungs­ver­fah­ren, son­dern set­zen wich­ti­ge Umwelt- und Natur­schutz­aspek­te durch, die sonst nicht berück­sich­tigt wor­den wären.

Den Ver­kehrs­kol­laps abwen­den 

Maro­de Brü­cken, Fla­schen­häl­se im Schie­nen­netz, über­las­te­ter städ­ti­scher Nah­ver­kehr, – wer den Ver­kehrs­kol­laps abwen­den und die Ver­kehrs­wen­de vor­an­trei­ben will, der muss Pla­nun­gen von Ver­kehrs­pro­jek­ten beschleu­ni­gen. Noch immer lie­gen zwi­schen Pla­nungs­be­ginn und Bau­frei­ga­be von Pro­jek­ten bis zu 20 Jah­re. Damit sich das ändert, muss man die eigent­li­chen Grün­de für Ver­zö­ge­run­gen in den Blick neh­men.

Ers­tens wer­den die Bür­ger nicht oder zu spät in den Ver­fah­ren betei­ligt. Für eine früh­zei­ti­ge Bür­ger­be­tei­li­gung über das gesetz­li­che Min­dest­maß hin­aus fehlt den Behör­den Geld und Per­so­nal, manch­mal auch der Wil­le. Ent­spre­chend wer­den die Bür­ger nicht bei der Fra­ge des „ob“ eines Ver­kehrs­pro­jek­tes, son­dern nur bei der Fra­ge des „wie“ ange­hört. Dadurch wird die Akzep­tanz der Pla­nun­gen gesenkt und das Risi­ko von Wider­stän­den und Kla­gen gegen Pro­jek­te erhöht.

Zwei­tens sind die Pla­nungs- und Geneh­mi­gungs­be­hör­den nicht aus­rei­chend aus­ge­stat­tet, um die vie­len kom­ple­xen Pro­jek­te zügig abzu­ar­bei­ten. Jah­re­lang wur­de aller­or­ten Per­so­nal abge­baut. Jetzt wer­den Pla­ner hän­de­rin­gend gesucht, doch der Arbeits­markt ist leer­ge­fegt. Pro­jek­te blei­ben lie­gen, weil Fach­leu­te feh­len. Ähn­lich sieht es auch bei den Gerich­ten aus, die oft nicht aus­rei­chend Per­so­nal haben, um die kom­ple­xen Ver­fah­ren zeit­nah zu bear­bei­ten. Kla­gen gegen Vor­ha­ben aus dem Bun­des­ver­kehrs­we­ge­plan sol­len nach dem Wil­len der Koali­ti­on künf­tig ein­zig beim Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt mög­lich sein. Ohne zusätz­li­ches Per­so­nal wird sich die Ver­fah­rens­dau­er ver­län­gern.

Drit­tens arbei­ten die Behör­den zu wenig mit den Umwelt­schutz­ver­bän­den zusam­men. Deren Exper­ti­se wird nur am Ran­de in die Pla­nun­gen ein­be­zo­gen. Man sieht sie meist als Geg­ner und nicht als Gesprächs­part­ner. Will man schnel­ler zum Ziel kom­men, soll­te lie­ber auf Koope­ra­ti­on statt Kon­fron­ta­ti­on gesetzt wer­den.

Scheu­ers neu­es Gesetz

Nun soll es ein neu­es Pla­nungs­be­schleu­ni­gungs­ge­setz von Ver­kehrs­mi­nis­ter Andre­as Scheu­er rich­ten. Anfang Novem­ber wur­de es im Bun­des­tag mit der Mehr­heit der gro­ßen Koali­ti­on beschlos­sen. Es ist nicht das ers­te Gesetz mit die­sem Ziel, seit 1990 gab es schon meh­re­re. Sie haben meist wenig beschleu­nigt, dafür aber Rechts­schutz- und Betei­li­gungs­stan­dards abge­baut. Auch in die­sem Gesetz sucht man ver­geb­lich nach Vor­schlä­gen für und umfas­sen­de Bür­ger­be­tei­li­gung.

Dabei war man schon mal wei­ter: Bereits 2012 hat Scheu­ers Vor­gän­ger im Amt ein Hand­buch für eine gute Bür­ger­be­tei­li­gung ver­öf­fent­licht. Vor­ga­ben zur ver­pflich­ten­den Anwen­dung des Hand­buchs feh­len aber bis heu­te.

Die Poli­tik hat mit einem Ver­trau­ens­ver­lust zu kämp­fen. Auf die Teil­ha­be der Bür­ger zu set­zen, ist daher das Gebot der Stun­de. Not­wen­dig ist dafür eine ver­bind­li­che, umfas­sen­de und früh­zei­ti­ge Öffent­lich­keits­be­tei­li­gung, bei der auch Alter­na­ti­ven zu den vor­ge­schla­gen Pro­jek­ten zur Spra­che kom­men müs­sen.

Dafür soll­ten Qua­li­täts­stan­dards fest­ge­schrie­ben wer­den. Früh­zei­ti­ge Betei­li­gung ist für die Behör­den noch immer fakul­ta­tiv. Als ers­tes Bun­des­land hat Baden-Würt­tem­berg die Ver­wal­tun­gen der Regie­rungs­prä­si­di­en sowie der Land- und Stadt­krei­se zur frü­hen Öffent­lich­keits­be­tei­li­gung ver­pflich­tet.

Auch die Deut­sche Bahn geht mit ihren Dia­log­fo­ren den rich­ti­gen Weg. Denn trans­pa­ren­te Ver­fah­ren, an denen die Bür­ger früh­zei­tig und umfas­send betei­ligt wer­den, sind der Garant für bes­se­re Pla­nungs­qua­li­tät und höhe­re Akzep­tanz von Infra­struk­tur­vor­ha­ben. Für eine sol­che Pla­nungs­kul­tur lie­fert das Beschleu­ni­gungs­ge­setz kei­ne Vor­schlä­ge – eine ver­ta­ne Chan­ce.

Ste­phan Kühn ist Grü­nen-Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­ter und Spre­cher für Ver­kehrs­po­li­tik. 

Mat­thi­as Gastel ist Grü­nen-Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­ter und bahn­po­li­ti­scher Spre­cher.