Absurdes Vorgehen gegen den Tarifpluralismus

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Streik 10.03.2015

Wenn Andrea Nah­les im Bun­des­tag ans Rede­pult tritt, wird es meist laut und etwas schrill. Nicht so Anfang März, als die Bun­des­ar­beits­mi­nis­te­rin ihren Gesetz­ent­wurf für die Tarif­ein­heit vor­stell­te. Da wirk­te die Minis­te­rin lei­se, unsi­cher, zöger­lich, ja sogar lust­los. Vor­sich­tig deu­te­te sie an, dass sie sich nicht sicher sein kön­ne, ob ihr Geset­zes­vor­ha­ben ver­fas­sungs­kon­form sei. Ein­ge­bracht hat sie den Ent­wurf den­noch. Eine Begrün­dung gelie­fert, wes­halb er not­wen­dig sein soll, hat sie jedoch nicht. In den letz­ten Wochen hat­te die über­wie­gen­de Mehr­heit der Juris­ten bezwei­felt, dass die gesetz­li­che Erzwin­gung der Tarif­ein­heit der Ver­fas­sung ent­spricht. Die Skep­ti­ker waren in der Anhö­rung des Bun­des­tags­aus­schus­ses in der Mehr­zahl und auch der Wis­sen­schaft­li­che Dienst des Bun­des­ta­ges sah ein Schei­tern vor dem höchs­ten Gericht als wahr­schein­lich an. Die Gewerk­schafts­sze­ne ist in der Sache gespal­ten: Der DGB ist für die Her­stel­lung der Tarif­ein­heit. Die zweit­größ­te DGB-Mit­glieds­ge­werk­schaft, näm­lich Ver­di, ist strikt dage­gen. Die sozi­al­de­mo­kra­ti­sche Arbeits­mi­nis­te­rin treibt also den Spalt­keil in die Gewerk­schaf­ten. Dabei hat selbst das For­schungs- und Stu­di­en­för­de­rungs­werk des DGB, die Hans-Böck­ler-Stif­tung, kürz­lich Zah­len ver­öf­fent­licht, die nicht gera­de Was­ser auf den Müh­len der Anhän­ger der Tarif­ein­heit dar­stel­len: Gemes­sen an der Zahl der aus­ge­fal­le­nen Arbeits­ta­ge fie­len die Streiks bei Bahn und Luft­han­sa wenig ins Gewicht. Die Berufs­ge­werk­schaf­ten streik­ten nicht häu­fi­ger als die DGB-Gewerk­schaf­ten. Da sie aber häu­fig in sen­si­blen, das öffent­li­che Leben betref­fen­den Berei­chen orga­ni­siert sind, wer­den sie stär­ker wahr­ge­nom­men. Im inter­na­tio­na­len Ver­gleich wird in Deutsch­land ohne­hin sel­te­ner gestreikt. Dar­aus kann nun wahr­lich nicht geschluss­fol­gert wer­den, dass ein drin­gen­der Hand­lungs­be­darf besteht und in die Koali­ti­ons­frei­heit und das Streik­recht ein­ge­grif­fen wer­den muss. Viel­mehr ist es doch so, dass die Andro­hung einer gesetz­lich erzwun­ge­nen Tarif­ein­heit so man­che Streiks, allen vor­an bei der Bahn, gera­de­zu anheizt. Denn für die Berufs­ge­werk­schaf­ten gilt es aus deren Sicht, ihre Posi­ti­on durch die Gewin­nung neu­er Mit­glie­der zu stär­ken. Aus all die­sen Grün­den soll­te die gro­ße Koali­ti­on die Fin­ger von der erzwun­ge­nen und nicht begründ­ba­ren Tarif­ein­heit las­sen.