Stand: 24.05.2014
I. Die AfD grenzt sich nicht von Rechtsextremisten ab
Aufnahme in die AfD finden auch ehemalige Mitglieder von rechtspopulistischen und anti-islamischen Parteien wie der Kleinpartei „Die Freiheit“. Zwei von ihnen wurden gar in den Vorstand des Landesverbandes Brandenburg gewählt.
(Quelle u. a. Märkische Allgemeine Zeitung vom 06.05.2013)
Immer wieder wird von Personen berichtet, die aus der AfD austreten, weil sie die zunehmenden Umtriebe rechtspopulistischer oder ‑radikaler Mitglieder nicht mehr mittragen wollen.
Beispiel Hamburg: „Ich kann eine Partei nicht länger unterstützen, die es zulässt, dass Mitglieder aus Parteien mit rechtspopulistischen Motiven unkontrolliert aufgenommen werden.“
(Quelle: Hamburger Abendblatt vom 07.05.2014)
Beispiel NRW: „Der Kurs der AfD wird immer stärker von deutschnationalen Kräften bestimmt, voller Ressentiments gegenüber unseren europäischen und atlantischen Partnern …“
(Quelle: Thomas Rang auf www.martinhaase.eu, abgerufen am 19.04.2014)
Der Ökonom Wolfgang Glomb hat seinen Austritt aus der AfD auch mit deren Rechtsdrall begründet.
(Quelle: Spiegel Online 15.05.2014, abgerufen am 18.05.2014)
„Gemeinsam mit Gleichgesinnten wird die AfD im Europäischen Parlament (…) kämpfen.“
(Quelle: Europawahlprogramm der AfD, S. 25)
Erläuterung: Die AfD möchte mit denjenigen im Europäischen Parlament (EP) zusammenarbeiten, die ebenfalls den Euro abschaffen wollen. Eine Abgrenzung zu rechtspopulistischen und ‑extremistischen Gruppierungen im EP erfolgt im Wahlprogramm nicht.
Stattdessen tobt in der AfD eine Diskussion darüber, ob bei einem Einzug ins europäische Parlament dort mit der britischen UKIP (rechtspopulistische britische Partei, deren Hauptziel der Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union ist) zusammen gearbeitet werden kann. Parteisprecher Lucke sprach sich bisher dagegen aus. Dies hielt die „Junge Alternative“ nicht davon ab, den UKIP-Parteichef zu einer Veranstaltung nach Köln einzuladen. Beworben wurde die Veranstaltung vom AfD-Landesverband NRW. Unter den Besuchern und Rednern befand sich auch ein AfD-Bundesvorstandsmitglied, das eine Kooperation mit der UKIP im künftigen EU-Parlament nicht ausschließen will. Möglicherweise hat sich Lucke inzwischen der Sichtweise seiner rechtspopulistischen Parteifreunde gebeugt. Jedenfalls nennt er in einem neueren Interview mehrere Gruppierungen, mit denen er nicht zusammen arbeiten möchte. UKIP erwähnt er dabei nicht mehr.
(Quellen: Handelsblatt Online am 28.03.2014; Handelsblatt Online am 20.04.2014; www.martinhaase.eu; Stuttgarter Nachrichten vom 23.04.2014)
Bei der „Jungen Alternative für Deutschland“ wurde der Antrag, Unterstützer „extremistischer Organisationen“ auszuschließen, abgelehnt.
(Quelle: Junge Freiheit 21.06.2013)
Die Abgrenzung der „Jungen Alternative“ nach rechts sei nicht so stark, räumt denn auch ein AfD-Sprecher ein.
(Quelle: Süddeutsche vom 31.03.2014)
Der Landesvorsitzende der AfD in Thüringen zeigte im Interview mit dem Deutschlandfunk Verständnis für Gewalt gegen Ausländer.
(Quelle: Deutschlandfunk, Beitrag vom 17.04.2014, online abgerufen am 20.04.2014)
Angesichts dessen ist es nicht verwunderlich, dass auch AfD-Mann Hans-Olaf Henkel einräumt, es gebe in seiner Partei „viele, zu viele“ rechtslastige Mitglieder.
(Quelle: Wiwo, online abgerufen am 20.04.2014)
II. Die AfD stellt die Religionsfreiheit in Frage
„Deshalb wollen wir Volksabstimmungen und ‑initiativen nach Schweizer Vorbild …“.
(Quelle: Ergebnis der Mitgliederbefragung über die politischen Leitlinien, gewählte Option 1 zu Frage 18)
In einem Wahlprogramm wird diese Position zur direkten Demokratie mit einem konkreten Thema verbunden, dabei werden „Volksabstimmungen über Moscheebauten mit Minaretten“ gefordert.
(Quelle: Landtagswahlprogramm für Sachsen, S. 18)
Erläuterung: Derartige Volksabstimmungen wie in der Schweiz lässt das bestehende deutsche Grundgesetz nicht zu, da ins Grundrecht auf freie Religionsausübung eingegriffen werden würde. Bisher war es politsicher Konsens, dass Mehrheiten die Grundrechte von Minderheiten nicht einschränken dürfen!
Im Übrigen zeigt die Forderung der AfD nach Volksabstimmungen speziell zum Thema Moscheebauten, welch taktisches Verhältnis diese Partei – wie auch andere Parteien aus dem rechten Spektrum – zur direkten Demokratie hat. Wenn direkte Demokratie gewollt ist, entscheiden die Bürgerinnen und Bürger innerhalb der Grenzen des Grundgesetzes, über welche Themen abgestimmt wird – und nicht Parteien wie die AfD!
III. Die AfD lehnt die Gleichberechtigung von Männern und Frauen ab
„Die AfD strebt die Gleichberechtigung der Geschlechter unter Anerkennung ihrer unterschiedlichen Identitäten, sozialen Rollen und Lebenssituationen an. Die AfD lehnt ein „Gender Mainstreaming“, das auf eine Aufhebung der Geschlechteridentitäten zielt, ab.“
(Quelle: Europawahlprogramm der AfD, S. 18)
„Gesellschaftspolitische Umerziehungsmaßnahmen wie „Gender Mainstreaming“ lehnen wir (…) ab.“
(Quelle: Landtagswahlprogramm für Sachsen, S. 7)
IV. Die AfD zweifelt an menschlichen Einflüssen auf den Klimawandel
… und lehnt konsequenten Klimaschutz ab
„Wissenschaftliche Untersuchungen zur langfristigen Entwicklung des Klimas aufgrund menschlicher CO2-Emissionen sind sehr unsicherheitsbehaftet.“
(Quelle: Europawahlprogramm der AfD, S. 19)
„Deshalb lehnt die AfD nationale und europäische Alleingänge ab.“
(Quelle: Europawahlprogramm der AfD, S. 19)
„Die vom Weltklimarat (IPCC) propagierte Gefahr einer globalen Erwärmung ist durch den 17 Jahre andauernden Erwärmungsstopp widerlegt.“
(Quelle: Landtagswahlprogramm für Sachsen, S. 10)
„Als verlässlicher heimischer Energieträger soll Braunkohle mit modernsten Filter-Anlagen weiter genutzt werden (…).“
(Quelle: Landtagswahlprogramm für Sachsen, S. 11)
„Die sogenannten “Klimaziele” müssen aufgegeben werden. Es gibt keine menschengemachte Klimaerwärmung.“
(Quelle: http://2013.alternativefuer-bw.de/index.php/kreisverbände/regierungsbezirk-stuttgart/esslingen.html, abgerufen am 21.04.2014)
V. Die AfD ist gegen die Energiewende und Teile der AfD wollen zurück zur Atomkraft
„Deshalb ist die Energiewende mit all ihren Folgemaßnahmen sofort zu stoppen.“
(Quelle: Landtagswahlprogramm für Sachsen, S. 10)
„Aus diesen Gründen will die AfD Sachsen das EEG-Gesetz sowie die Energieeinsparverordnung (EnEV) so schnell und so weit wie möglich rückabwickeln.“
(Quelle: Landtagswahlprogramm für Sachsen, S. 11)
Mehrere AfD-Parteigliederungen setzen sich für Atomenergie ein, so die AfD in Goslar. Dort heißt es dann weiter: „… ist es verantwortbar, wieder verstärkt auf fossile Energien, z. B. Kohle, zu setzen. Die Vorräte reichen bedeutend länger als behauptet, um die Preise künstlich in die Höhe zu treiben.
(Quelle: http://www.afd-goslar.de/raus-aus-dem-eeg/, abgerufen am 21.04.2014; FAZ vom 22.04.2014)
VI. Die AfD will das EEG abschaffen
„Das EEG muss komplett abgeschafft werden. Ansprüche von Altanlagen-Besitzern sind rechtskonform abzufinden.“
(Quelle: Europawahlprogramm der AfD, S. 20)
„Aus diesen Gründen will die AfD Sachsen das EEG-Gesetz sowie die Energieeinsparverordnung (EnEV) so schnell und so weit wie möglich rückabwickeln.“
(Quelle: Landtagswahlprogramm für Sachsen, S. 11)
Nichts Neues:
VII. Die AfD plädiert für den Ausstieg aus dem Euro
„Wir fordern die Wiedereinführung nationaler Währungen.“
(Quelle: Bundestagswahlprogramm der AfD, S. 1)
„… plädiert die AfD für einen geplanten und geordneten Ausstieg aus dem Einheitseuro. (…) Die AfD fordert eine Auflösung, zumindest aber eine vollständige währungspolitische Neuordnung des Euro-Währungsgebietes.“
(Quelle: Europawahlprogramm der AfD, S. 5)
All das ist nichts Neues, aber:
- Es gibt keinen Mechanismus, mit dem dieses Ziel erreicht werden könnte. Der Ausstieg eines oder mehrerer Länder aus dem Euroraum ist in den Verträgen nicht vorgesehen. Wie die AfD ihr Ziel erreichen möchte kann sie daher selber nicht sagen.
- In ihrem Europawahlprogramm auf S. 4 gibt die AfD selber zu, dass die Exportstärke Deutschlands mit dem Euro zusammenhängt.
- Am Export und damit am Euro hängen sehr viele unserer Arbeitsplätze.
- Nicht einmal bei ihrem „Kernthema“, dem Euro, weiß die AfD, was sie will: Soll Deutschland aussteigen oder sollen Länder wie Griechenland zum Austritt aus dem Euroraum gedrängt werden (und wenn ja: Wie?)? Und soll ein Euro der wohlhabenderen EU-Länder eingeführt werden oder soll es für alle wieder zurück zu den nationalen Währungen gehen?
- Auch bei der Mitgliederabstimmung über die „politischen Leitlinien“ ging es an mehreren Stellen um den Euro. Die AfD beschränkte sich dabei einmal mehr auf Kritik an dem, was sie an Fehlern in der Vergangenheit sieht. Kein einziger der abzustimmenden Passagen bezog sich darauf, wie es weitergehen soll.
- Der Ökonom Wolfgang Glomb hat seinen Austritt aus der AfD mit den schwammigen Euro-Positionen begründet. (Quelle: Spiegel Online 15.05.2014, abgerufen am 18.05.2014)
Mit Kritik wird deftig zugelangt, konzeptionelle Lösungsansätze werden aber nicht geboten.
VIII. Die AfD will weniger politische Bildung
In einem Wahlprogramm wird die Forderung „Landeszentrale für politische Bildung abschaffen“ erhoben.
(Quelle: Landtagswahlprogramm für Sachsen, S. 8)
IX. Die AfD hat erhebliche innerparteiliche Demokratiedefizite
Die AfD schreibt: „Wir fordern mehr direkte Demokratie auch in den Parteien. Das Volk soll den Willen der Parteien bestimmen, nicht umgekehrt.“
(Quelle: Bundestagswahlprogramm der AfD, S. 1)
Die Wirklichkeit in der AfD sieht völlig anders aus:
Beim Gründungsparteitag durften sich nicht alle Bewerber für Vorstandspositionen vorstellen, lediglich die bekannteren unter ihnen erhielten Rederecht.
(Quelle: Handelsblatt 22.04.2013)
Vor der Abstimmung über das Bundestagswahlprogramm wurde keine Aussprache hierüber zugelassen.
(Quellen: Der Tagesspiegel, 14.04.2014; Focus online, 14.04.2013)
Die Basismitglieder der AfD konnten per Mail Änderungsvorschläge für das Europawahlprogramm einreichen. Wirklich Einfluss darauf nehmen konnten sie nicht.
(Quelle: Die Welt, 02.04.2014)
Um „politische Leitlinien“ (eine Art Kurzprogramm) zu verabschieden, bekamen die AfD-Mitglieder am Montag in der Karwoche 2014 einen Fragenkatalog in Form einer Online-Umfrage zugemailt. Die Mitglieder bekamen Zeit bis Ostersonntag, um die Fragen zu beantworten. Eine Diskussion sollte also offenkundig unterbunden werden. Der formale Beschluss über die „politischen Leitlinien“ wird vom AfD-Bundesvorstand gefällt. Dass sich unter diesen Bedingungen nur rund 15 Prozent der Mitglieder beteiligt haben kann nicht verwundern. Eine wirkliche Beteiligung war ofenkundig nicht gewollt.
(Quellen: Der Tagesspiegel vom 17.04.2014; www.alexanderdilger.com, abgerufen am 20.04.2014; der Fragebogen „Mitgliederbefragung Europawahl“ bzw. „Mitgliederbefragung Leitlinien“ liegt dem Autor vor; „Finale Gesamtauswertung“ der Mitgliederbefragung vom 21.04.2014)
Nicht einmal die Mitglieder des Bundesvorstandes durften erfahren, von wem die Partei einen Kredit über 600.000 € erhalten sollte – obwohl sie über die Annahme dieses Kredits abzustimmen hatten.
(Quelle: Der Tagesspiegel vom 23.05.2014)
X. Die AfD hat ein zweifelhaftes Verhältnis zur Pressefreiheit
Immer wieder werden auf Veranstaltungen und Parteitagen Pressevertreter am Zutritt gehindert oder des Saales verwiesen. So beispielsweise geschehen bei einer Wahlkampfveranstaltung am 30. April 2014 in Bremen.
(Quelle: Frankfurter Rundschau, 01.05.2014; BILD vom 02.05.2014)
XI. Die AfD ist eine instabile Partei
Ein Bundesvorstandsmitglied, das zugleich als Parteisprecherin fungierte, warf ihre Positionen bei der AfD hin. Ihr Rückzug wird auch als Resignation über den Rechtsruck interpretiert.
(Quelle: u. a. taz vom 06.03.2014; Reuters am 04.05.2014)
Im größten AfD-Landesverband, in Nordrhein-Westfalen, traten der Vorstandssprecher und sein Vorstandskollege wenige Monate nach der Vorstandswahl von den Ämtern zurück. Als Grund nannten sie den autokratischen Führungsstil des Chefs der AfD-Bundespartei. Der seither kommissarisch amtierende Landesvorsitzende plädierte einst in einem Buch für die Abschaffung der parlamentarischen Demokratie.
(Quelle u. a. Handelsblatt vom 07.04.2014)
In Sachsen-Anhalt traten sechs der neun Landesvorstandsmitglieder, darunter auch der Landesvorsitzende, von ihren Positionen zurück.
(Quelle: Die Welt, 02.04.2014)
In Altenburg (Thüringen) ist rund die Hälfte der Mitglieder aus dem AfD-Kreisverband ausgetreten. Zwei der Aussteiger berichten von Intrigen, Verleumdungen und einer zerrissenen, sektenähnlichen Partei, die kurz davor stehe auseinander zu fliegen. Die zweite Landessprecherin hat ihr Amt aufgegeben.
(Quelle: Deutschlandfunk, Beitrag vom 17.04.2014, online abgerufen am 20.04.2014)
Dies sind Zeichen innerparteilicher Machtkämpfe. Dabei ist unklar, welche Positionen sich durchsetzen: rechtskonservative oder politisch extremere? Meine Einschätzung hierzu im Fazit.
Fazit
Die AfD hat ein Problem mit Rechtspopulisten und Rechtsradikalen in den eigenen Reihen, das zunimmt und gegen das sie sich nur halbherzig und wirkungslos zur Wehr setzt. Sie möchte ja auch gerne die Stimmen von ganz Rechts bekommen (AfD-Chef Lucke: „Grundsätzlich ist es gut, wenn jemand uns wählt und nicht die NPD“). Hinter ihrer professoral-halbseriös wirkenden Maske zeigt sich immer offensichtlicher, dass sie sich weiter und weiter nach rechts bewegt und immer stärker von Radikalen geprägt wird.
Bei gesellschaftlichen Entwicklungen will die AfD die Uhren zurück drehen, so auch bei der Gleichberechtigung von Männern und Frauen. Dann werden schon mal waghalsige Zusammenhänge hergestellt. Beispielsweise wird die finanzielle Förderung des Staates von Projekten für die Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern für den Verfall von Schulgebäuden, Büchereien und Schwimmbädern mitverantwortlich gemacht.
Umso mehr an AfD-„Programmatik“ man liest, umso deutlicher wird: Die AfD ist eine reine Protestpartei, eine Partei der destruktiven Nörgler, eine Partei der Stimmungsmacher. Die AfD tritt auf voller Selbstherrlichkeit, übt viel Kritik an anderen und glaubt, die Wahrheit („Mut zur Wahrheit“) für sich gepachtet zu haben. Sie hat aber keine eigenen Konzepte vorzuweisen. Was ist das überhaupt, die Wahrheit? Der vermeintliche Alleinvertretungsanspruch gegenüber „der Wahrheit“ erinnert stark an fundamentalistisch-religiöse Gruppen.
Die AfD ist aus meiner Sicht ein Projekt auf Zeit. Sie zog bei der Bundestagswahl und zieht möglicherweise auch bei der Europawahl so viele Stimmen auf sich, wie dies sehr lange schon keiner Partei rechts der Union mehr gelungen ist. Wie andere solcher Parteiversuche wird aber auch sie mit hoher Wahrscheinlichkeit am Streit um den richtigen Kurs und durchs Abdriften ins rechtsradikale Spektrum zu einer Polit-Sekte mit sich verringernder Anziehungskraft auf die Wählerinnen und Wähler an Bedeutung verlieren. Es bleibt zu hoffen, dass möglichst vielen Wählerinnen und Wählern bereits bei der Europawahl ihre Stimme zu kostbar ist, um sie an eine solche Partei zu verschwenden. Eine Alternative jedenfalls ist die AfD nicht.