Alexander Dobrindt will nicht Teilen

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Car-Sharing (eigenes Foto)15.09.2015, Gast­kom­men­tar in der Frank­fur­ter Rund­schau

 

 

 

 

 

Auf der IAA ver­sam­melt sich die inter­na­tio­na­le Auto­mo­bil­bran­che, um ihre aktu­el­len Pro­duk­te zu prä­sen­tie­ren. Sind ech­te Neu­hei­ten zu erwar­ten? Wohl kaum. Wie eh und je wer­den VW, Daim­ler, BMW und Co. ihre auf Hoch­glanz polier­ten über­mo­to­ri­sier­ten Nobel­ka­ros­sen ins Ram­pen­licht stel­len. Und so tun, als gehe es mit dem Indi­vi­du­al­ver­kehr wei­ter wie bis­her.

Doch was EU-Ver­brauchs­grenz­wer­te, Umwelt­zo­nen und Dau­er­staus bis­lang kaum ändern konn­ten, erfährt von ganz ande­rer Sei­te einen Wan­del. Der End­kun­de fragt sich zuneh­mend: Brau­che ich für mei­ne Mobi­li­tät eigent­lich noch ein eige­nes Auto?

Tat­säch­lich erle­ben wir in unse­ren Städ­ten eine neue Bewe­gung. Immer mehr Men­schen nut­zen auf kur­zen Distan­zen das Rad, immer mehr stei­gen in Bus und Bahn – und immer öfter ent­schei­den sie sich für Car­sha­ring. Und das aus guten Grün­den: Wer nur ab und zu ein Auto braucht, spart mit Car­sha­ring monat­li­che Fix­kos­ten und Ner­ven und kann bei Bedarf fle­xi­bel auf ein Fahr­zeug zurück­grei­fen. Auto­kauf und die Bin­dung an ein bestimm­tes Modell fal­len weg. Um War­tung und Repa­ra­tur sol­len sich doch ande­re küm­mern. Das Car­sha­ring-Ange­bot nimmt logi­scher­wei­se seit Jah­ren zu. Weil es zudem den posi­ti­ven Effekt hat, dass weni­ger Autos und Park­plät­ze benö­tigt wer­den, wenn sich Men­schen Autos tei­len, sind auch Städ­te und Kom­mu­nen star­ke Befür­wor­ter.

Doch die Geschich­te hat seit Jah­ren einen gro­ßen Haken: Trotz gro­ßer Ankün­di­gun­gen haben es drei Bun­des­ver­kehrs­mi­nis­ter – die Her­ren Tie­fen­see, Ram­sau­er und Dob­rindt –bis­lang nicht ver­mocht, eine recht­li­che Grund­la­ge zu schaf­fen, auf der Kom­mu­nen Unter­stüt­zung erhal­ten und rechts­si­cher Car­sha­ring-Park­plät­ze aus­wei­sen kön­nen.

Kei­ne Klei­nig­keit. Denn Car­sha­ring-Anbie­ter, Kom­mu­nen und Kun­den sind auf die Ver­läss­lich­keit des Geschäfts­mo­dells ange­wie­sen – und damit auch auf siche­re Stand­or­te. Wo Car­sha­ring der­zeit exis­tiert, müs­sen Kom­mu­nen impro­vi­sie­ren. Dass aus­ge­rech­net Alex­an­der Dob­rindt beim Car­sha­ring juris­ti­sche Beden­ken vor­schiebt, ist bemer­kens­wert: Bei der Aus­län­der-Maut kennt er kei­ner­lei Skru­pel, sich mit EU-Kom­mis­si­on und unse­ren euro­päi­schen Nach­barn zu über­wer­fen und sich über alle recht­li­chen Ein­wän­de hin­weg­zu­set­zen.

Die wur­den auch für Car­sha­ring-Park­plät­ze immer wie­der vor­ge­bracht – aber sie sind leicht aus­zu­räu­men. Natür­lich ist es zuläs­sig, geson­der­te Park­plät­ze für Car­sha­ring-Fahr­zeu­ge zu ver­ge­ben. Denn ähn­lich wie Elek­tro­fahr­zeu­ge, die neu­er­dings beim Par­ken pri­vi­le­giert wer­den, leis­ten Car­sha­ring-Autos einen Bei­trag zum Kli­ma- und Umwelt­schutz, ent­las­ten Innen­städ­te von Auto­dich­te und Park­platz­such­ver­kehr und sichern Mobi­li­tät für Men­schen, die sich ein eige­nes Auto nicht leis­ten wol­len oder kön­nen. Und die mit den Model­len und tech­ni­schen Spie­le­rei­en, die auf der IAA gezeigt wer­den, nicht viel anfan­gen kön­nen. Rich­tig ist es, Park­platz­pri­vi­le­gi­en davon abhän­gig zu machen, dass Car­sha­ring-Autos aktu­el­len Umwelt­stan­dards ent­spre­chen. Gera­de Car­sha­ring-Flot­ten könn­ten bei der brei­ten Ein­füh­rung von Elek­tro-Autos und Lade­punk­ten eine posi­ti­ve Rol­le spie­len.

Ver­netz­te und fle­xi­ble Mobi­li­tät hat Zukunft – genau das mer­ken eben auch die Auto­mo­bil­kon­zer­ne. Und set­zen des­we­gen selbst auf Car­sha­ring. Daim­ler und BMW ist es mit car2go und  Dri­ve now gelun­gen, dem Auto­fah­ren ein neu­es urba­nes Image zu geben. Beim soge­nann­ten free floa­ting ist es mög­lich, inner­halb begrenz­ter Geschäfts­ge­bie­te ein Car­sha­ring-Auto per App zu reser­vie­ren, zu ent­lei­hen und woan­ders wie­der abzu­stel­len. Auto­tei­len war nie spon­ta­ner. Der VW-Kon­zern hat den neu­en Markt der ver­netz­ten Mobi­li­tät ver­schla­fen – und sieht alt aus. BMW kom­mu­ni­ziert mitt­ler­wei­le offen­siv, mit Kom­mu­nen eng zusam­men­ar­bei­ten zu wol­len, um Stadt­quar­tie­re mit mehr Car­sha­ring lebens­wer­ter zu machen. Das ist span­nend. Wo Car­sha­ring funk­tio­niert und zum Bei­spiel Park­raum am rech­ten Stra­ßen­rand nicht mehr benö­tigt wird, fin­den Fahr­rad­fah­rer und Fuß­gän­ger neu­en Platz, kön­nen Bäu­me gepflanzt und das Kli­ma in der Stadt ver­bes­sert wer­den.

Es ist ein gro­ßer Schritt nach vor­ne, wenn der mäch­ti­gen Auto­mo­bil­wirt­schaft pri­vi­le­gier­te Park­plät­ze für Car­sha­ring kein Dorn mehr Auge sind. Inter­es­sant wird es aber erst beim Blick auf das klas­si­sche Car­sha­ring. Die soge­nann­ten sta­ti­ons­ba­sier­ten Car­sha­ring-Unter­neh­men stel­len im Gegen­satz zu car2go und dri­ve now nicht in weni­gen Metro­po­len son­dern in der­zeit 490 Städ­ten und Gemein­den Fahr­zeu­ge bereit. Der Kun­de ent­leiht ein Auto an fes­ten Sta­tio­nen, um gezielt Auto­fahr­ten von A nach B zu unter­neh­men, und bringt es anschlie­ßend zur Sta­ti­on zurück. Gera­de für den Erfolg die­ses Geschäfts­mo­dells ist es ent­schei­dend, dass reser­vier­te Stell­plät­ze zuver­läs­sig zur Ver­fü­gung ste­hen und nicht zuge­parkt wer­den.

Genau an die­ser Stel­le kommt es auf die Bun­des­re­gie­rung an. Seit mitt­ler­wei­le acht Jah­ren dis­ku­tie­ren Ver­kehrs­po­li­ti­ker eine gesetz­li­che Rege­lung. Auch die Bun­des­län­der haben mehr­fach eine rechts­si­che­re Grund­la­ge für Car­sha­ring ein­ge­for­dert. Wenn die Bun­des­re­gie­rung ihre eige­nen Aus­sa­gen zu ver­netz­ter Mobi­li­tät und Kli­ma­schutz ernst nimmt, dann muss sie die Geset­zes­lü­cke end­lich schlie­ßen. Mit viel Tam­tam hat Alex­an­der Dob­rindt zuletzt ein digi­ta­les Test­feld für auto­nom fah­ren­de Autos auf der Auto­bahn 9 eröff­net. Bes­ser wäre es, er wür­de erst ein­mal den nahe­lie­gen­den Schritt für ver­netz­te Mobi­li­tät machen: Car­sha­ring-Sta­tio­nen im öffent­li­chen Stra­ßen­raum för­dern und eine Zuord­nung von Stell­plät­zen auch an ein­zel­ne Unter­neh­men ermög­li­chen. “

Mat­thi­as Gastel ist Mit­glied der Frak­ti­on Bünd­nis 90/Die Grü­nen und im Ver­kehrs­aus­schuss des Bun­des­ta­ges.