Altenpflege zwischen Fachkräftemangel und neukonzipierten Berufsbildern

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Foto (von links): Rai­ner Schen­z­le (Schul­lei­ter), Frank Wöß­ner (Vor­stand Sama­ri­ter­stif­tung), Mat­thi­as Gastel und Grü­nen-Kreis­rä­tin Angie Weber-Streibl

Die Sama­ri­ter­stif­tung, ein gro­ßer dia­ko­ni­scher Trä­ger von Ein­rich­tun­gen unter ande­rem der Alten- und Behin­der­ten­hil­fe, setzt sich für die Gene­ra­li­sie­rung von Aus­bil­dungs­be­ru­fen in der Pfle­ge ein. Ich bin da eher skep­tisch. Um mich näher zu infor­mie­ren, habe ich die Berufs­fach­schu­le für Alten­pfle­ge in Leon­berg besucht.

Der­zeit wer­den 175 Schü­le­rin­nen und Schü­ler im Dua­len Sys­tem aus­ge­bil­det. Obwohl der Fach­kräf­te­be­darf hoch ist und die Stel­len in der Pfle­ge als sicher gel­ten, steigt das Inter­es­se am Beruf nach Ein­schät­zung der Stif­tung nicht. 60 Pro­zent der Aus­zu­bil­den­den haben einen Migra­ti­ons­hin­ter­grund. Sie kom­men häu­fig aus dem Koso­vo, Bos­ni­en oder aus Afri­ka. Vie­le von ihnen sind nach Deutsch­land gekom­men, um hier ihre Aus­bil­dung zu absol­vie­ren. Ohne sie wür­de die Anzahl der Aus­zu­bil­den­den sogar sin­ken. Der Män­ner­an­teil sta­gniert bei 17 Pro­zent. Der Schul­lei­ter und das Vor­stands­mit­glie­der der Sama­ri­ter­stif­tung stel­len fest, dass vie­le der Aus­zu­bil­den­den unzu­rei­chend für die Aus­bil­dung gewapp­net sind. Die Abbre­cher­quo­te liegt bei 20 Pro­zent. Hin­zu kom­men die­je­ni­gen, die nach einem Jahr mit der Hel­fer­prü­fung die Aus­bil­dung been­den. Es fehlt aber auch an Lehr­per­so­nal, ins­be­son­de­re für Deutsch und Krank­heits­leh­re. Und dies, obwohl die Sama­ri­ter­stif­tung nach eige­ner Aus­sa­ge ihre Lehr­kräf­te über­durch­schnitt­lich bezahlt. Das Alter der Aus­zu­bil­den­den weist eine beacht­li­che Span­ne auf: 16 Jah­re jung sind die Jüngs­ten, Mit­te bis Ende 50 die Ältes­ten. Der Alters­durch­schnitt liegt bei 29 Jah­ren. Als Aus­bil­dungs­or­te ste­hen 80 Aus­bil­dungs­trä­ger, über­wie­gend Alten­hei­me und ambu­lan­te Pfle­ge­diens­te, zur Ver­fü­gung.

Wir unter­hal­ten uns dar­über, dass der Behin­der­ten­be­reich zuneh­mend Pfle­ge­fach­kräf­te benö­tigt, da der Pfle­ge­an­teil und die Not­wen­dig­keit der medi­zi­ni­schen Ver­sor­gung dort immer wei­ter ansteigt. Dies ver­schärft den Man­gel an Pfle­ge­fach­kräf­ten in den „klas­si­schen“ Pfle­ge­ein­rich­tun­gen wei­ter.

„Wir brau­chen die gene­ra­lis­ti­sche Aus­bil­dung, weil wir sehr gute Fach­kräf­te brau­chen“, for­dert die Sama­ri­ter­stif­tung. Dadurch erhofft sich der Trä­ger bes­ser qua­li­fi­zier­te Bewer­be­rin­nen und Bewer­ber. Denn: „Die gehen bis­lang lie­ber in die Kran­ken­pfle­ge“. Unter der gefor­der­ten Gene­ra­li­sie­rung ver­ste­hen mei­ne Gesprächs­part­ner die Zusam­men­le­gung der Aus­bil­dun­gen von Alten­pfle­ge und Gesund­heits- und Kran­ken­pfle­ge. Die Kin­der­kran­ken­pfle­ge wür­de nach die­sem Modell als eigen­stän­di­ge Aus­bil­dung erhal­ten blei­ben. Eine gene­ra­li­sier­te Pfle­ge­aus­bil­dung wür­de höhe­re Ansprü­che an die Aus­zu­bil­den­den stel­len. Aber wel­che Aus­wir­kun­gen hät­te dies auf die­je­ni­gen, die mit einem Haupt­schul­ab­schluss kom­men, um inner­halb die­ses Aus­bil­dungs­gan­ges die ein­jäh­ri­ge Alten­pfle­ge­aus­bil­dung zu absol­vie­ren und dar­aus gege­be­nen­falls die drei­jäh­ri­ge Aus­bil­dung machen wol­len? Die Arbeits­markt­chan­cen der ein­jäh­rig Aus­ge­bil­de­ten sind zwar nicht schlecht. Das hat aber über­wie­gend mit dem Man­gel an drei­jäh­rig Exami­nier­ten zu tun. Die Leis­tun­gen der ein­jäh­rig Aus­ge­bil­de­ten dür­fen zumeist nicht mit den Kas­sen abge­rech­net wer­den, da sie nicht als Fach­kräf­te gel­ten. Die Ant­wort der Sama­ri­ter­stif­tung lau­tet: Die Hel­fer­aus­bil­dung wird auf zwei Jah­re ver­län­gert und erhält ein eige­nes Berufs­bild mit grö­ße­ren Aus­bil­dungs­an­tei­len für die Pfle­ge­pla­nung und mit mehr Pfle­geinhal­ten, also Leis­tun­gen, die mit den Kas­sen abge­rech­net wer­den kön­nen. Der Zugang bleibt mit dem Haupt­schul­ab­schluss mög­lich.

Sol­che Model­le für die gene­ra­li­sier­te Pfle­ge­aus­bil­dung und eine auf­ge­wer­te­te Hel­fer­aus­bil­dung, die Haupt­schü­le­rin­nen und Haupt­schü­lern eine bes­se­re Arbeits­markt­per­spek­ti­ve ver­schafft, klin­gen für mich plau­si­bel.