26.07.2022
Mit Verkehrsverbund Stuttgart (VVS) im Gespräch
Im Bereich des öffentlichen Nahverkehrs hat sich in den letzten Jahren vieles verändert – und verbessert. Auch und gerade bei Angeboten und Fahrzeugen ging es voran. Doch unter anderem bei den Fahrgastinformationen gibt es Verbesserungsbedarf. Darüber sprachen mein wissenschaftliches Team und ich mit den beiden Geschäftsführern des Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart (VVS). Selbstverständlich war auch das Neun-Euro-Ticket ein Thema.
Hier mal eine stichwortartige Übersicht über die Fortschritte bei Bus und Bahn: Im April 2019 trat die große Tarifreform mit erheblichen Vereinfachungen und vielfach niedrigeren Preisen in Kraft, zu Jahresbeginn 2021 wurde der Landkreis Göppingen vollständig in den VVS-Tarif integriert, im April 2021 kam ein neues 10er-Tages-Ticket auf den Markt, immer mehr günstige StadtTickets werden angeboten, im Dezember 2021 ging die neue Stadtbahnlinie U 6 an den Flughafen in Betrieb, die S‑Bahnen fahren unter der Woche im Viertelstundentakt und das absehbar auch Samstagvormittags, in Vaihingen wurde ein neuer Bahnsteig fertiggestellt, es gibt neue und zusätzliche Schnellbuslinien und auf den Fildern wurde das Busnetz neu organisiert und ausgeweitet. Interessant ist auch ein Blick auf einige Zahlen im VVS-Raum, in dem 2,8 Millionen Menschen leben: Die Länge aller Linien wuchs in 2021 auf 9.600 Kilometer. Dies ist ein Zuwachs um mehr als 1.500 Kilometer oder 19 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Bei den Betriebsleistungen wuchsen vor allem die der S‑Bahnen (+6,2% an gefahrenen Kilometern gegenüber dem Vorjahr), der Nebenbahnen (+6,1%) und der Busangebote regionaler Verkehrsunternehmen (nicht SSB, + 13,6%). Auch in unserer Region sind die Fahrgastzahlen durch Corona (Schulschließungen, Homeoffice, Ausfall von Großveranstaltungen) deutlich gesunken. Wurden in 2019 noch 395 Millionen Fahrgäste gezählt, waren es in 2020 nur noch 240 und in 2021 260 Millionen.(Quelle: VVS-Jahresrückblick 2021)
Mit dem Neun-Euro-Ticket sind die Fahrgastzahlen im Verkehrsverbund Stuttgart im Juni 2022 auf 95 bis 100 Prozent des Stands vor der Coronapandemie gestiegen (Mai 2022: 85%). Insgesamt wurden im ersten Monat der Aktion im VVS fast 1,1 Millionen derartiger Tickets abgesetzt, wobei 350.000 umgewandelte Zeitfahrkarten mitgerechnet wurden. Die Fahrgastzuwächse durch das Neun-Euro-Ticket fallen sehr ungleich aus: An Wochenenden und in den Regionalzügen sind die stärksten Zuwächse zu verzeichnen. In Bussen und S‑Bahnen gibt es hingegen reichlich Platz. Wie es nach den drei Monaten der Gültigkeit der Neun-Euro-Tickets weiter geht ist völlig offen. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass es im VVS-Gebiet bereits im April 2019 eine große Tarifreform gegeben hatte. Für viele Fahrgäste fallen seither weniger Tarifzonen an, was zu oft erheblichen Vergünstigungen geführt hatte und dann bis heute preissenkend wirkt. Dies machte sich im Kostendeckungsrad bemerkbar: Deckten die Fahrgelderlöse zuvor 60 Prozent der Kosten, waren es danach nur noch 50 Prozent.
Eines der „Digitalthemen“, das wir ausgiebig besprochen haben, war auch diesmal die Echtzeit-Information der Fahrgäste. Diese bildet leider nicht immer ein korrektes Bild ab, da das Zusammenspiel verschiedener Systeme, die von Bus- und Bahnunternehmen genutzt werden, bisweilen für Probleme sorgt und manche Informationen händisch eingespeist werden müssen. Letzteres wird aber nicht von den Leitstellen aller Busunternehmen geleistet. Besonders zu wünschen übrig lässt aus meiner Sicht vor allem die Anschlusssicherheit. Wenn Züge mit leichter Verspätung ankommen, müssen Busfahrer*innen informiert werden, ob sie noch warten sollen oder besser pünktlich abfahren, um auf dem Rückweg Fahrgäste früh genug auf die Bahn bringen zu können. Es gibt zwar Algorithmen, die ausrechnen, ob Warten sinnvoll ist, es gibt aber kein flächendeckendes System, an das alle Busunternehmen angeschlossen sind (selbst die SSB haben tagsüber keine Anschlusssicherung). An diesem Thema bin ich seit sage und schreibe mindestens 25 Jahren (!) dran und ich kann nicht nachvollziehen, dass sich Reiseketten für die Fahrgäste noch immer nicht zuverlässiger gestalten lassen. Dies ist insbesondere dort wichtig, wo die Busse nicht mindestens im Viertelstundentakt fahren.