Anhörung Stuttgart 21 am 06. Mai 2015 in Berlin

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S 21 November 201406.05.2015

 

Heu­te fand im Bun­des­tags-Ver­kehrs­aus­schuss eine Anhö­rung zu Stutt­gart 21 statt. Die­se wur­de von den Grü­nen und Lin­ken bean­tragt. Hier doku­men­tie­re ich mei­ne bei­den State­ments (die ich auf­grund der Rede­zeit­be­schrän­kung nicht voll­stän­dig vor­tra­gen konn­te) sowie die Fra­gen an die Sach­ver­stän­di­gen.

 

 

 

 

 

Erste Runde

Zunächst vor­ab: Ich fin­de es mehr als ärger­lich, dass die drei gela­de­nen Sach­ver­stän­di­gen der DB es nicht für not­wen­dig befun­den haben, vor­ab einen Bericht ein­zu­rei­chen. Die bei­den Sach­ver­stän­di­gen der Oppo­si­ti­on haben schrift­li­che Aus­ar­bei­tun­gen ein­ge­reicht, die DB nicht. Dazu passt, dass die Uni­ons­frak­ti­on eine Auf­zeich­nung der Anhö­rung ver­hin­dert hat. Und dies, obwohl die Ver­an­stal­tung öffent­lich ist, aber nicht alle Inter­es­sier­ten in den Saal pas­sen. Trans­pa­renz und Offen­heit gibt es bei der DB wie bei der Uni­on also nur so viel, wie sich nicht ver­hin­dern lässt.

Stutt­gart 21 ist und bleibt ver­kehr­lich eine fata­le Fehl­ent­schei­dung. Der künf­ti­ge Haupt­bahn­hof wird vor­aus­sicht­lich nicht die Leis­tung brin­gen, die der alte hat. Er wird auf jeden Fall nicht die Leis­tung brin­gen, die benö­tigt wird, um die ange­streb­ten und ver­kehr­lich sowie umwelt­po­li­tisch drin­gend not­wen­di­gen höhe­ren Ver­kehrs­an­tei­le der Schie­ne stem­men zu kön­nen. Noch dazu sind vie­le Fra­gen offen:

  • Was wird S 21 am Ende kos­ten? Es wird zu einem lan­gen Streit dar­über kom­men, wer die Mehr­kos­ten trägt. Auf jeden Fall wird das Geld an ande­ren Stel­len feh­len.
  • Wann wird der neue Hbf. mit­samt sei­ner Zulei­tun­gen fer­tig und wann der Anschluss der Gäu­bahn an den Flug­ha­fen? Wird die NBS Wend­lin­gen-Ulm schnel­ler fer­tig als S 21 und wenn ja: Geht die neue Tras­se dann in Betrieb? Oder wird deren Fer­tig­stel­lung künst­lich ver­lang­samt, um die­se Situa­ti­on zu ver­mei­den und zu ver­mei­den, dass alle mer­ken: Nicht S 21, son­dern die NBS bringt die Fahrt­zeit­ver­kür­zung zwi­schen Stutt­gart und Ulm?
  • Wann wird zwei­fels­frei geklärt, ob der neue Tief­bahn­hof mit sei­ner extre­men Längs­nei­gung den Nach­weis glei­cher Sicher­heit erbrin­gen kann?
  • Und, ganz wich­tig: Wird nach Fer­tig­stel­lung der Bahn­an­la­gen das Betriebs­kon­zept geneh­migt, das man sich heu­te vor­stellt? Wird das Betriebs­kon­zept geneh­migt, das im Jahr 2023, 2024 – oder wann auch immer der neue Bahn­hof fer­tig gestellt wird – benö­tigt wird? Brand­schutz, Gleis­nei­gung, enge Bahn­stei­ge, nur acht Glei­se, Eng­päs­se an den Zulauf­stre­cken: All das sind Restrik­tio­nen für ein Betriebs­kon­zept, die nen­nens­wer­te Zuwäch­se auf der Schie­ne erschwe­ren!

Mehr denn je braucht die­ses frag­wür­di­ge Mil­li­ar­den­pro­jekt eine kri­ti­sche Beglei­tung. Die leis­ten wir u. a. mit dem Antrag und der heu­ti­gen Anhö­rung.

Fra­ge an die DB

Der geplan­te Tief­bahn­hof soll mit einer Längs­nei­gung von 15 Pro­mil­le errich­tet wer­den. Die­ser Wert liegt sechs­fach über dem emp­foh­le­nen Maxi­mum. In Köln rol­len bei deut­lich gerin­ge­rer Gleis­nei­gung regel­mä­ßig Züge weg. In den letz­ten fünf Jah­ren wur­den 17 „Weg­roll­vor­gän­ge“ doku­men­tiert. Die Dun­kel­zif­fer dürf­te weit­aus höher sein. Dadurch kön­nen ein- und aus­stei­gen­de Fahr­gäs­te gefähr­det wer­den. Die DB muss für die Geneh­mi­gungs­fä­hig­keit der hohen Gleis­nei­gung einen „Nach­weis glei­cher Sicher­heit“ erbrin­gen. Wur­den von der DB die­se Nach­wei­se in der­ge­stalt erbracht, dass die­se von der Geneh­mi­gungs­be­hör­de, dem Eisen­bahn­bun­des­amt, aner­kannt wur­den? Anmer­kung mei­ner­seits für den Fall, dass die DB die­se Fra­ge mit „Ja“ beant­wor­tet: Selt­sam ist, dass der frü­he­re Vize­prä­si­dent des EBA, Herr Schweins­berg, aus­sagt, die­ser Sicher­heits­nach­weis sei noch nicht ein­mal ange­for­dert wor­den!

Fra­ge an Mat­thi­as Lieb (VCD B‑W)

Brand­schutz, Gleis­nei­gung, enge Bahn­stei­ge, nur acht Glei­se im geplan­ten Tief­bahn­hof, Eng­päs­se an den Zulauf­stre­cken: All das sind Restrik­tio­nen für ein Betriebs­kon­zept, die nen­nens­wer­te Zuwäch­se auf der Schie­ne erschwe­ren. Was wird mit dem geplan­ten Tief­bahn­hof mög­lich bzw. nicht sein von dem, was ver­kehr­lich not­wen­dig ist?

 

Zweite Runde

Die Volks­ab­stim­mung hat das Pro­jekt Stutt­gart 21 poli­tisch legi­ti­miert. Ver­kehr­lich bes­ser wur­de es dadurch aber nicht. Und mit jeder wei­te­ren Kos­ten­er­hö­hung sinkt der Kos­ten-Nut­zen-Effekt wei­ter in den Nega­tiv­be­reich. Für einen dem Akti­en­recht unter­lie­gen­den Bahn­kon­zern eine schwie­ri­ge Situa­ti­on. Ver­ant­wort­lich für die­se Situa­ti­on ist aber die Poli­tik. Der Bund und die frü­he­re Lan­des­re­gie­rung, aber auch die Stadt Stutt­gart und die Regi­on Stutt­gart, haben die­ses Pro­jekt aus rein poli­ti­schen, von mir aus auch aus städ­te­bau­li­chen Grün­den, durch­ge­setzt. Dazu schrieb die DB in ihrem Pro­jekt­ma­ga­zin „Bezug“ (März 213): „Die Bahn hat Stutt­gart 21 weder der Stadt noch dem Land auf­ge­zwun­gen. Es war eher anders­rum“.[1]

Über­zeu­gen­de ver­kehrs­po­li­ti­sche Zie­le haben dabei lei­der kei­ne Rol­le gespielt. Und seit eini­gen Jah­ren geht es nur noch um Macht­fra­gen. Die Fra­ge lau­tet: Setzt sich eine Mehr­heit gegen eine Min­der­heit durch oder muss die Mehr­heit nach­ge­ben? Die Fra­ge lau­tet lei­der nicht: Wel­chen Sinn macht das Bau­pro­jekt? Ist es noch zeit­ge­mäß? Selbst die Fra­ge, ob es ver­än­dert wer­den muss – bei­spiels­wei­se um mit einem Kom­bi­bahn­hof den inte­gra­len Takt­fahr­plan rea­li­sie­ren zu kön­nen – wird nur hin­ter vor­ge­hal­te­nen Hän­den dis­ku­tiert.

Fra­gen an die DB

1. Bun­des­weit gewinnt das The­ma „inte­gra­ler Takt­fahr­plan“ an Fahrt. Vor 20 Jah­ren, als mit den Pla­nun­gen für Stutt­gart 21 begon­nen wur­de, war das noch kein The­ma. Inzwi­schen set­zen aber sowohl die Bun­des­re­gie­rung als auch die DB auf die Aus­bil­dung von Kno­ten­bahn­hö­fen mit opti­ma­len Umstei­ge­mög­lich­kei­ten. Auch das neue Fern­ver­kehrs­kon­zept der DB setzt genau dar­auf. Wer­den Sie die Leis­tungs­fä­hig­keit des geplan­ten neu­en Haupt­bahn­hofs und sei­ner Zulauf­stre­cken durch Plan­än­de­run­gen so erhö­hen, dass der ITF auch in der Lan­des­haupt­stadt Stutt­gart umge­setzt wer­den kann bzw. sind Sie zumin­dest offen für sol­che Ände­run­gen?

2. Mit dem drit­ten Gleis am Flug­ha­fen und einer kreu­zungs­frei­en Rohrer Kur­ve wer­den zwei Pro­blem­punk­te im Fil­der­ab­schnitt (PFA 1.3) beho­ben. Dar­über bin ich sehr froh und Minis­ter Her­mann wie auch Regio­nal­prä­si­dent Bopp dank­bar. Das Pro­blem des Misch­ver­kehrs aber bleibt. Anders­wo wer­den Mil­li­ar­den­in­ves­ti­tio­nen mit der Ent­mi­schung von Ver­keh­ren begrün­det. Auf den Fil­dern wird unver­hält­nis­mä­ßig viel Geld in die Hand genom­men, um ohne Not einen Misch­ver­kehr neu ent­ste­hen zu las­sen.

Eine Klei­ne Anfra­ge der Bun­des­tags­frak­ti­on der Grü­nen hat ans Licht gebracht, dass an nahe­zu allen Fern­ver­kehrs­bahn­hö­fen an Flug­hä­fen (mit Aus­nah­me von Frank­furt) nach und nach die Anzahl der dort hal­ten­den Fern­zü­ge redu­ziert wur­den. Offen­bar lohnt es sich für die DB nicht, Fern­zü­ge an Flug­hä­fen hal­ten zu las­sen. In Stutt­gart gibt es noch dazu die Situa­ti­on, dass die Anzahl der Flug­gäs­te auf nied­ri­gem Niveau sta­gniert und weit hin­ter den Pro­gno­sen zurück lie­gen, die den S 21-Pla­nun­gen zugrun­de gelegt wur­den. Kann die DB aus­schlie­ßen, dass es am Flug­ha­fen Stutt­gart zu Aus­dün­nun­gen von Fern­ver­kehrs­hal­ten im Ver­hält­nis zur Anzahl an Fern­zug­hal­ten, die dem Stress­test­fahr­plan zugrun­de lagen, kom­men wird bzw. anders gefragt: Für wel­chen Zeit­raum wird die DB wie vie­le Fern­zü­ge am Flug­ha­fen pro Werk­tag (ohne die der Gäu­bahn) garan­tie­ren (Stich­wort: ver­läss­li­cher Deutsch­land-Takt)?

 

[1] Und an ande­rer Stel­le in die­sem Maga­zin: „Wenig spä­ter nahm im Brem­ser­häus­chen aus­ge­rech­net die Bahn Platz, die – zuge­spitzt for­mu­liert – von so man­chen Poli­ti­kern aus Stadt, Land und Regi­on als­bald hef­tig bedrängt wur­de.“