Anhörung zu Gleisneigung: DB und Bundesregierung bei S 21 im Blindflug

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S 21 Februar 201616.03.2016 (Pres­se­er­klä­rung)

Anhörung im Verkehrsausschuss: Bundesregierung und DB bei Gleisneigung im Blindflug

 Die heu­ti­ge Anhö­rung zur Gleis­nei­gung bei Stutt­gart 21 und bei Bahn­hö­fen ins­ge­samt hat eini­ge neue, aber auch ver­wir­ren­de Infor­ma­tio­nen her­vor­ge­bracht. So hat­te Mat­thi­as Gastel, Abge­ord­ne­ter aus Fil­der­stadt, auf sei­ne Anfra­ge an die Bun­des­re­gie­rung von ver­gan­ge­ner Woche ver­wie­sen. In die­ser hat­te er wis­sen wol­len, wie vie­le Züge im Köl­ner Haupt­bahn­hof im ver­gan­ge­nen Jahr auf­grund der Gleis­nei­gung weg­ge­rollt sind. Die Bun­des­re­gie­rung hat­te in ihrer Ant­wort auf zwei Weg­roll­vor­gän­ge ver­wie­sen. Nun woll­te der Abge­ord­ne­te in der Anhö­rung von der Bun­des­re­gie­rung und der Deut­schen Bahn wis­sen, wie sol­che Vor­fäl­le in Stutt­gart bei deut­lich stär­ke­rer Nei­gung der Glei­se ver­hin­dert wer­den sol­len. Der Ver­tre­ter der Deut­schen Bahn, Frank Senn­henn, ver­wies dar­auf, dass in Köln Vor­schrif­ten miss­ach­tet wor­den sei­en. Für Stutt­gart kön­ne er dies aus­schlie­ßen. Wie genau die Deut­sche Bahn dies gewähr­leis­ten wol­le, ließ er aller­dings offen. Auf die Nach­fra­ge, ob für die Inbe­trieb­nah­me des Stutt­gar­ter Haupt­bahn­ho­fes ein „Nach­weis glei­cher Sicher­heit“ (glei­che Sicher­heit auf geneig­tem Gleis wie auf ebe­nem Gleis) not­wen­dig sei, konn­te weder die Bun­des­re­gie­rung noch die Deut­sche Bahn ant­wor­ten. Ein Ver­tre­ter der Bun­des­re­gie­rung ver­wies ledig­lich dar­auf, dass der Stutt­gar­ter Haupt­bahn­hof kei­ne „klas­si­schen Funk­tio­nen wie ande­re Bahn­hö­fe“ zu erbrin­gen habe. Daher sei das Gefäl­le der Glei­se in der Lan­des­haupt­stadt „irrele­vant“. Ein Nach­weis glei­cher Sicher­heit sei womög­lich über­haupt nicht erfor­der­lich. Er kön­ne dies aber nicht beur­tei­len, dazu müs­se er sich erst die Doku­men­te anschau­en. Die Deut­sche Bahn ergänz­te, dass sie einen Nach­weis glei­cher Sicher­heit bis­lang noch nicht erbracht habe. Gerald Hörs­ter vom Eisen­bahn­bun­des­amt (EBA), der zustän­di­gen Geneh­mi­gungs­be­hör­de, wies dar­auf hin, dass es „im Rah­men der Inbe­trieb­nah­me“ eines wei­te­ren Geneh­mi­gungs­ver­fah­rens bedür­fe. Dem EBA lie­ge kei­ne „ver­tief­te Pla­nung vor“. Und eine sol­che müs­se der­zeit auch nicht vor­lie­gen. Außer­dem hand­le es sich in Stutt­gart „mehr um einen Hal­te­punkt als um einen Bahn­hof“. Ein DB-Ver­tre­ter merk­te im Anschluss an die Anhö­rung an, es wer­de prak­tisch nicht mehr als ein S‑Bahn-Hal­te­punkt gebaut wer­den.

Dazu mein Kom­men­tar:

„Umso mehr man fragt, umso ver­wir­ren­der stellt sich die Infor­ma­ti­ons­la­ge dar. Ich habe die Bun­des­re­gie­rung und das EBA schon viel­fach nach dem Nach­weis glei­cher Sicher­heit gefragt. Stets wur­de in den Ant­wor­ten aus­ge­wi­chen oder auf vor­lie­gen­de par­la­men­ta­ri­sche Anfra­gen ver­wie­sen, in denen die Fra­gen jedoch auch nicht beant­wor­tet wur­den. Es wur­de aber nie in Zwei­fel gezo­gen, dass ein Nach­weis glei­cher Sicher­heit erfor­der­lich ist und es wur­de stets sug­ge­riert, dass die­ser erbracht wor­den sei. Dies wur­de in der heu­ti­gen Anhö­rung zurück­ge­wie­sen. Jetzt wird an einem Bahn­hof gebaut, bei dem unklar bleibt, unter wel­chen betrieb­li­chen Ein­schrän­kun­gen er in Betrieb gehen kann. Womög­lich bis zu 10 Mrd. Euro für einen ein­fa­chen Hal­te­punkt sind ein schwin­del­erre­gen­der Preis. Von einer guten, durch­dach­ten Pla­nung sind wir damit mei­len­weit ent­fernt. Viel­mehr baut die Deut­sche Bahn auf vol­les Risi­ko. Die­ses Risi­ko trägt aber allei­ne sie.“

Bahn­steig­n­ei­gung und Men­schen mit Behin­de­rung

Geneig­te Glei­se füh­ren zwangs­läu­fig zu geneig­ten Bahn­stei­gen. Einer der Sach­ver­stän­di­gen, ein Pro­fes­sor für Schie­nen­fahr­zeu­ge, hat dazu eini­ge sehr inter­es­san­te Ein­schät­zun­gen abge­ge­ben. Er wies dar­auf hin, dass bei neue­ren Roll­stüh­len die Wahr­schein­lich­keit des „Ent­lau­fens“ bei ver­se­hent­lich nicht ange­zo­ge­ner oder defek­ter Brem­se zunimmt. Dies heißt, dass sie sich schnel­ler selbst­stän­dig machen, wenn sie nicht gesi­chert sind. Und dann schreibt der Pro­fes­sor: „Da mobi­li­täts­ein­ge­schränk­te Per­so­nen von der gro­ßen Bahn­steig­n­ei­gung stär­ker betrof­fen sind als ande­re, ist die Fra­ge, ob das Behin­der­ten­gleich­stel­lungs­ge­setz im oder außer­halb des Tole­ranz­be­rei­ches erfüllt wird.“