16.03.2016 (Presseerklärung)
Anhörung im Verkehrsausschuss: Bundesregierung und DB bei Gleisneigung im Blindflug
Die heutige Anhörung zur Gleisneigung bei Stuttgart 21 und bei Bahnhöfen insgesamt hat einige neue, aber auch verwirrende Informationen hervorgebracht. So hatte Matthias Gastel, Abgeordneter aus Filderstadt, auf seine Anfrage an die Bundesregierung von vergangener Woche verwiesen. In dieser hatte er wissen wollen, wie viele Züge im Kölner Hauptbahnhof im vergangenen Jahr aufgrund der Gleisneigung weggerollt sind. Die Bundesregierung hatte in ihrer Antwort auf zwei Wegrollvorgänge verwiesen. Nun wollte der Abgeordnete in der Anhörung von der Bundesregierung und der Deutschen Bahn wissen, wie solche Vorfälle in Stuttgart bei deutlich stärkerer Neigung der Gleise verhindert werden sollen. Der Vertreter der Deutschen Bahn, Frank Sennhenn, verwies darauf, dass in Köln Vorschriften missachtet worden seien. Für Stuttgart könne er dies ausschließen. Wie genau die Deutsche Bahn dies gewährleisten wolle, ließ er allerdings offen. Auf die Nachfrage, ob für die Inbetriebnahme des Stuttgarter Hauptbahnhofes ein „Nachweis gleicher Sicherheit“ (gleiche Sicherheit auf geneigtem Gleis wie auf ebenem Gleis) notwendig sei, konnte weder die Bundesregierung noch die Deutsche Bahn antworten. Ein Vertreter der Bundesregierung verwies lediglich darauf, dass der Stuttgarter Hauptbahnhof keine „klassischen Funktionen wie andere Bahnhöfe“ zu erbringen habe. Daher sei das Gefälle der Gleise in der Landeshauptstadt „irrelevant“. Ein Nachweis gleicher Sicherheit sei womöglich überhaupt nicht erforderlich. Er könne dies aber nicht beurteilen, dazu müsse er sich erst die Dokumente anschauen. Die Deutsche Bahn ergänzte, dass sie einen Nachweis gleicher Sicherheit bislang noch nicht erbracht habe. Gerald Hörster vom Eisenbahnbundesamt (EBA), der zuständigen Genehmigungsbehörde, wies darauf hin, dass es „im Rahmen der Inbetriebnahme“ eines weiteren Genehmigungsverfahrens bedürfe. Dem EBA liege keine „vertiefte Planung vor“. Und eine solche müsse derzeit auch nicht vorliegen. Außerdem handle es sich in Stuttgart „mehr um einen Haltepunkt als um einen Bahnhof“. Ein DB-Vertreter merkte im Anschluss an die Anhörung an, es werde praktisch nicht mehr als ein S‑Bahn-Haltepunkt gebaut werden.
Dazu mein Kommentar:
„Umso mehr man fragt, umso verwirrender stellt sich die Informationslage dar. Ich habe die Bundesregierung und das EBA schon vielfach nach dem Nachweis gleicher Sicherheit gefragt. Stets wurde in den Antworten ausgewichen oder auf vorliegende parlamentarische Anfragen verwiesen, in denen die Fragen jedoch auch nicht beantwortet wurden. Es wurde aber nie in Zweifel gezogen, dass ein Nachweis gleicher Sicherheit erforderlich ist und es wurde stets suggeriert, dass dieser erbracht worden sei. Dies wurde in der heutigen Anhörung zurückgewiesen. Jetzt wird an einem Bahnhof gebaut, bei dem unklar bleibt, unter welchen betrieblichen Einschränkungen er in Betrieb gehen kann. Womöglich bis zu 10 Mrd. Euro für einen einfachen Haltepunkt sind ein schwindelerregender Preis. Von einer guten, durchdachten Planung sind wir damit meilenweit entfernt. Vielmehr baut die Deutsche Bahn auf volles Risiko. Dieses Risiko trägt aber alleine sie.“
Bahnsteigneigung und Menschen mit Behinderung
Geneigte Gleise führen zwangsläufig zu geneigten Bahnsteigen. Einer der Sachverständigen, ein Professor für Schienenfahrzeuge, hat dazu einige sehr interessante Einschätzungen abgegeben. Er wies darauf hin, dass bei neueren Rollstühlen die Wahrscheinlichkeit des „Entlaufens“ bei versehentlich nicht angezogener oder defekter Bremse zunimmt. Dies heißt, dass sie sich schneller selbstständig machen, wenn sie nicht gesichert sind. Und dann schreibt der Professor: „Da mobilitätseingeschränkte Personen von der großen Bahnsteigneigung stärker betroffen sind als andere, ist die Frage, ob das Behindertengleichstellungsgesetz im oder außerhalb des Toleranzbereiches erfüllt wird.“