Alle Argumente sprechen gegen den Nordostring Stuttgart!
Der Nordostring ist einer der größten Quatschprojekte im Bundesverkehrswegeplan und im Entwurf des Fernstraßenausbaugesetzes. Das Land will die Straße nicht und auch die Landeshauptstadt sieht darin keine Lösung drängender Verkehrsprobleme. Selbst die Bundesregierung geht nicht davon aus, dass diese autobahnähnliche Straße für Stuttgart eine Entlastung bringt. Und ein Sachverständiger in einer Anhörung des Bundestags-Verkehrsausschusses geht gar davon aus, dass der Nordostring Busse und Bahnen kannibalisiert (siehe Protokollauszug unten). Es gibt also kein überzeugendes Argument für die Planung und den Bau des Nordostrings.
Daher haben wir beantragt, das Straßenprojekt komplett aus dem Gesetz zu streichen. Die Abstimmung des Antrages erfolgt am Mittwoch, 23.11.2016. Aus der Begründung unseres Antrages gehen weitere gute Argumente für die Streichung hervor:
“Obwohl es sich nicht um eine großräumig bedeutsame Straßenverbindung (siehe PRINS unter: http://bvwp-projekte.de/strasse/B29-G990-BW/B29-G990-BW.html) handelt, ist eine 4‑streifige Bundesstraße, die vom Erscheinungsbild und der Funktionalität einer Autobahn ähnelt, geplant. Eine Entlastungswirkung der staugeplagten Stuttgarter Innenstadt ist durch das über 200 Millionen Euro teure Projekt nach Angaben der Bundesregierung entgegen früherer Äußerungen jedoch gar nicht vorgesehen. Darüber hinaus wurde in der öffentlichen Anhörung zu dem hier behandelten Gesetzesentwurf vom Sachverständigen geäußert, dass durch den Bau solcher Ringstraßen, wie bei dem Projekt NO-Ring Stuttgart, um Städte herum, klar die „Gefahr [besteht], dass Verlagerungseffekte zu Lasten des Umweltverbundes in der Region passieren, die ohnehin schon ein sehr hohe Kfz-Verkehrsaufkommen hat, wo also in den entsprechenden Zu- und Nachlaufstrecken und in der Region insgesamt zusätzlicher Kfz-Verkehr geschaffen wird, der andernorts für Probleme sorgt. Großräumige Bedeutung haben wir in der Regel in solchen Bereichen nicht, und von daher sehe ich das sehr kritisch, dort solche Trassen zu entwickeln, da es im Gegenteil zu höheren Belastungen kommt, da Verkehr vom ÖPNV zurück auf das Auto verlagert wird.“ (s. Protokoll 18/87 des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur des Deutschen Bundestages). Somit wäre das Projekt vor dem Hintergrund einer herbeizuführenden Verkehrswende und der Entlastung der Stuttgarter Innenstadt vom Autoverkehr mitsamt all seiner negativen Auswirkungen sogar kontraproduktiv und würde stattdessen zu einer stärkeren Belastung führen. „Eine auf das durch den Neubau des Nordostrings Stuttgart beeinflusste Straßennetz von Stuttgart ausgelegte verkehrliche Untersuchung“ (vgl. Bundestagsdrucksache 18/8584) liegt der Bundesregierung nicht vor Eine Beurteilung der Auswirkungen hinsichtlich einem Anstieg der Abgasbelastung müssen nach Auffassung der Bundesregierung den nachfolgenden Planungsstufen vorbehalten bleiben (vgl. ebd.). Bereits beim alten Bundesverkehrswegeplan 2003 wurde festgestellt, dass „sehr hohe Umweltrisiken zu erwarten sind“ (s. a. Bundestagsdrucksache 18/7013). Obwohl weiterhin mehrere Naturschutzgebiete und ein Landschaftsschutzgebiet in der Wirkzone liegen und erhebliche Beeinträchtigungen nicht ausgeschlossen werden können, soll das Projekt jetzt nur noch eine mittlere Umweltbetroffenheit aufweisen. Das Projekt ist keines der ca. 2.300 von den Bundesländern ursprünglich angemeldeten Projekte, sondern wurde vom Bundesverkehrsministerium nachgefordert (vgl. BT-Drucksache 18/6516). Auch die Landesregierung und die meisten direkt betroffenen Städte (Stuttgart, Fellbach, Kornwestheim) lehnen das Projekt ab.”
Und hier der entsprechende Auszug aus dem Protokoll der öffentlichen Anhörung des Verkehrsausschusses am 09.11.2016:
Abg. Matthias Gastel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Beim Stichwort Umgehungsstraße setze ich auch mit meiner Frage an Sie, Herr Schönefeld, an. Und zwar lautet die Frage, die ich Ihnen stelle: inwiefern halten Sie den Bau von Ringstraßen um Städte mit einem ausgewiesen sehr stark ausgeprägten Quell- und Zielverkehr zur Entlastung der Innenstadt für verkehrlich sinnvoll und notwendig? Exemplarisch geht es um den Nordostring Stuttgart oder auch um einen zweiten Teilring um München, die im Bundesverkehrswegeplan entsprechend vorgeschlagen sind. Bezüglich des Nordostrings Stuttgart gab es eine interessante Aussage vom 25. Oktober 2016 im Verkehrsausschuss. Da hat nämlich Herr Staatssekretär Barthle gesagt, „es wird nicht darum gehen, mit welchen Maßnahmen wir die Staustadt Nummer 1 der ganzen Republik, nämlich Stuttgart, von Verkehr entlasten, sondern die Frage wird sein, wie wir den zunehmenden Verkehr bewältigen können“ – Zitat Ende. Deswegen die Bitte oder die Frage an Sie, wie bewerten Sie die Sinnhaftigkeit solcher Projekte? Zwei solcher Projekte habe ich exemplarisch genannt. Passt das überhaupt noch in die heutige Zeit?
Vorsitzender: Herr Schönefeld, für beide Fragen,
bitteschön!
Tobias Schönefeld (SVU Dresden): Ich habe es eben schon kurz angesprochen. Wenn wir uns mit den Ortsumgehungen beschäftigen, stellen wir fest, dass häufig eine Überschätzung von Durchgangsverkehrsanteilen vorliegt, die sich dann auch in der Wirksamkeit der Trassen niederschlägt. Frau Leidig hatte vorhin auf unsere Ausführungen in der Stellungnahme zu einer Untersuchung konkreter Projekte verwiesen. Dabei handelt es sich also um Projekte, die schon realisiert sind, sodass die Prognosen mit den konkreten Zahlen der tatsächlichen Belegung verglichen werden konnten. Es handelt sich um Untersuchungen, die von der TU Dresden für das Land Sachsen für die Bundesstraßen durchgeführt wurden, für Autobahnen, aber auch für die Staatsstraßen und für innerörtliche Straßen. Hier wurde konstatiert, dass die Überschätzung eher die Regel als die Ausnahme darstellt, was die Prognosebelastungen für die Ausbaumaßnahmen im Land Sachsen betraf. Bei den Bundesstraßen wurde im Durchschnitt um 42 Prozent des Verkehrsaufkommens, bei den Autobahnen im Mittel um 29 Prozent überschätzt. Das sind schon Größenordnungen, die eine Rolle spielen, und die sich aus einer unterschiedlichen Einschätzung der entsprechenden Verkehrszusammensetzung ableiten. Effektiv ist es immer, vor Ort zu wissen, welchen Durchgangsverkehrsanteil ich habe. Bei kleinen Ortschaften gibt es natürlich ein sehr hohes Durchgangsverkehrsaufkommen. Die Effektivität von Ortsumgehungen hängt auch von der Größe der Stadt ab. Je größer die Stadt wird, umso schwieriger wird es. Denn dann muss ich auch Quell‑, Ziel- und Durchgangsverkehre auf die Trasse bündeln, um tatsächlich einen Effekt zu bekommen. Leider ist es häufig so, dass die Trassen dafür zu weit entfernt liegen. In klassischen Mittel- und Kleinstädten haben wir einen Durchgangsverkehrsanteil von ca. 10–15 Prozent. Das ist verglichen mit den anderen Verkehrsaufkommen nicht besonders viel. Das wird sicherlich von der Bevölkerung etwas anders wahrgenommen, ist aber statistisch nicht belegt. Als zweiten wichtigen Punkt haben Sie angesprochen, wie mit Alttrassen umgegangen wird. Die spielen in den Kostenansätzen keine Rolle, aber um eine effektive Wirkung auch für die Umgehungstrassen zu haben, benötige ich eine Reduzierung, eine Anpassung in den Ortslagen selber. Das ist so, wie wenn Sie eine Wasserleitung haben und eine Parallelleitung bauen. Wenn Sie die Ursprungsleitung genauso groß lassen, dann kann es Ihnen sogar passieren, dass in der Ursprungsleitung die zusätzlichen Freiheitsgrade durch zusätzliche Verkehre genutzt werden.
In einem Beispiel, wo nach Freigabe der Ortsumgehung nicht der komplette Verkehr aus der Ortslage herausverlagert wurde, sondern nur etwa die Hälfte, weil die Verbindung weiterhin die Kürzere war, war der Zeitunterschied zwischen Ortsumgehung und Alttrasse etwa gleich. Und in einem solchen Fall sind zusätzliche Maßnahmen notwendig, um tatsächlich die Effekte zu erreichen. Die sollten dann bitte auch über die Ausbaumaßnahme mit aufgewendet und von vornherein mit einbezogen werden.
Zu Ihren Fragen, Herr Gastel, was die Schaffung von Ringstraßen angeht, bzw. speziell zu den Beispielen, die Sie genannt haben: Das Münchener Beispiel habe ich nicht so gut im Blick, mit Stuttgart haben wir uns nicht intensiv beschäftigt, aber ich kenne die Situation vor Ort ein bisschen und ich sehe ganz klar die Gefahr, dass Verlagerungseffekte zu Lasten des Umweltverbundes in der Region passieren, die ohnehin schon ein sehr hohe Kfz-Verkehrsaufkommen hat, wo also in den entsprechenden Zu- und Nachlaufstrecken und in der Region insgesamt zusätzlicher Kfz-Verkehr geschaffen wird, der andernorts für Probleme sorgt. Großräumige Bedeutung haben wir in der Regel in solchen Bereichen nicht, und von daher sehe ich das sehr kritisch, dort solche Trassen zu entwickeln.