Auf der IAA für Nutzfahrzeuge

25.09.2022

Diesel ade

Bei einem Besuch auf der Inter­na­tio­na­len Auto­mo­bil-Aus­stel­lung (IAA) in Han­no­ver stan­den dies­mal wie­der die Nutz­fahr­zeu­ge im Mit­tel­punkt. Dabei besuch­te ich das start-up Elec­tric­Brands, Vol­vo Trucks, ZF, Daim­ler, Ive­co, Schmitz Cargobull, Mah­le sowie MAN. An die­sen Sta­tio­nen waren vor­ab kur­ze Gesprächs­ter­mi­ne ver­ein­bart wor­den. Vor­ab schon mal zu Info: Die­sel­an­trie­be waren auf der Mes­se nur noch bei den Old­ti­mern ver­tre­ten.

Elec­tric­Brands

Das start-up aus Hes­sen hat sich auf sehr klei­ne Leicht­fahr­zeu­ge spe­zia­li­siert. Die­se wer­den modu­lar gebaut und sind damit in ver­schie­de­nen Ver­sio­nen und für unter­schied­li­che Zwe­cke erhält­lich. Die Karos­se­rien bestehen aus Kunst­stoff, der Recy­cling­an­tei­le ent­hält. Eine Beson­der­heit: In einem der Model­le sind in die Karos­se­rie inte­grier­te Solar­zel­len mög­lich. Die Auf­trags­fer­ti­gung erfolgt unter ande­rem in Aachen. Laut Unter­neh­mens­an­ga­ben lie­gen 16.000 Betel­lun­gen vor, für die jeweils 10 Pro­zent ange­zahlt wer­den muss­te. 40 Beschäf­tig­te hat die Fir­ma inzwi­schen; vie­le davon kom­men aus der Auto­mo­bil­in­dus­trie.

Vol­vo Trucks

Zu sehen waren drei schwe­re und zwei mit­tel­schwe­re bat­te­rie­elek­tri­sche Last­wa­gen, die Ab Anfang 2023 aus­lie­fer­bar sein sol­len. Die Reich­wei­te soll bei bis zu 300 bis 350 Kilo­me­ter lie­gen. Zudem wur­de ein neu­es radar- und kame­ra­ge­stütz­tes Sys­tem zur Erken­nung von Fuß­gän­gern und Rad­fah­ren­den gezeigt. Das Unter­neh­men beab­sich­tigt, ab Ende des Jahr­zehnts auch Fahr­zeu­ge mit Brenn­stoff­zel­le zu bau­en. Zudem geht es davon aus, dass auch noch nach dem Jahr 2040 Last­wa­gen mit Ver­bren­nungs­mo­to­ren auf den Markt kom­men.

ZF

Bei ZF aus Fried­richs­ha­fen sprach ich über elek­tri­sche Antrie­be und die benö­tig­te Steue­rungs­soft­ware sowie die Ver­kehrs­si­cher­heit (u. a. Abbie­ge­as­sis­ten­ten). Kon­kret vor­ge­stellt wur­de „Cetrax 2“, womit sich Die­sel­mo­to­ren gegen kom­pak­te Elek­tro­mo­to­ren umrüs­ten las­sen.

Daim­ler

Daim­ler setzt auf bat­te­rie­elek­tri­sche Lkw im Nah­ver­kehr (der eAc­tros mit 400 Kilo­me­ter Reich­wei­te ist bereits auf dem Markt) und die die Brenn­stoff­zel­le im Fern­ver­kehr. Es gab eine Pre­mie­re für den eAc­tros Lon­gHaul, der eine Reich­wei­te von 500 Kilo­me­ter schaf­fen soll. Die Lithi­um-Eisen­sul­fat-Akkus sol­len in weni­ger als einer hal­ben Stun­de von 20 auf 80 Pro­zent gebracht wer­den kön­nen. 2024 soll die Seri­en­fer­ti­gung star­ten. Der Strom­ver­brauch, so wur­de mir vor­ge­rech­net, liegt bei umge­rech­net 12 Liter Die­sel. Zu sehen war auch der Pro­to­typ für den Gen­H2-Truck mit Brenn­stoff­zel­len-Was­ser­stoff-Tech­no­lo­gie. Mit die­sem sol­len mal 1.000 Kilo­me­ter mög­lich sein. Die Brenn­stoff­zel­len für die­sen Lkw, der in der zwei­ten Hälf­te die­ses Jahr­zehnts seri­en­reif sein soll, wird von Cell­cen­tric in Weil­heim an der Teck – also in mei­nem Wahl­kreis – ent­wi­ckelt und pro­du­ziert wer­den.

Ive­co

Das Unter­neh­men berich­tet über vol­le Auf­trags­bü­cher, klagt jedoch über Lie­fer­eng­päs­se als größ­tes Pro­blem. Dies betrifft vor allem Halb­lei­ter. Ive­co setzt auf bat­te­rie­elek­tri­sche Antrie­be, die Brenn­stoff­zel­le und auch auf erneu­er­ba­re Kraft­stof­fe wie Bio­me­than. Von Niko­la, einer ehe­ma­li­gen Tes­la-Aus­grün­dung, mit der ein Joint Ven­ture ein­ge­gan­gen wur­de, kommt ab Mit­te 2023 eine bat­te­rie­elek­tri­sche Zug­ma­schi­ne auf den Markt. Pro­du­ziert wer­den die Last­wa­gen, zu denen Niko­la Know­how in Sachen Bat­te­rie und Soft­ware bei­steu­ert, bei Ive­co in Ulm. Schon län­ger im Sor­ti­ment sind die eher klei­ne­ren Nutz­fahr­zeu­ge des Modells „eDai­ly“, die mit Reich­wei­ten von 300 bis 400 Kilo­me­ter eher für regio­na­le Ein­sät­ze vor­ge­se­hen sind.

Schmitz Cargobull

Der Ent­wick­ler und Her­stel­ler von Sat­tel­auf­lie­gern zeig­te unter ande­rem ein absenk­ba­res Trail­er­heck, mit dem der Luft­wi­der­stand ver­rin­gert wird, indem Luft­wir­bel ver­mie­den wer­den. Durch Waben­bau kön­nen Trai­ler zudem um bis zu 700 Kilo­gramm leich­ter wer­den. Ein wei­te­res Aus­stel­lungs­stück, das mir gezeigt wur­de: Eine Reku­per­a­ti­ons­ach­se, mit der ein Teil des Stroms für das Kühl­ag­gre­gat für den Kühl­auf­lie­ger erzeugt wird.

Mah­le

Mit dem Auto­mo­bil­zu­lie­fe­rer aus Stutt­gart-Bad Cannstatt bin ich häu­fig im Gespräch. Er unter­nimmt gro­ße Anstren­gun­gen, um sei­ne Abhän­gig­keit vom Ver­bren­nungs­mo­tor zu ver­rin­gern. Gezeigt wur­de auf der Mes­se, wie mit­tels Ölküh­lung eine höhe­re Dau­er­last bei Elek­tro­mo­to­ren mög­lich wird. Ent­wi­ckelt wur­den auch Kühl­mo­du­le für die Brenn­stoff­zel­le, um hier eben­falls den Wir­kungs­grad zu erhö­hen. Cell­cen­tric, das gemein­sa­me Unter­neh­men von Daim­ler und Vol­vo für die Ent­wick­lung und die Pro­duk­ti­on von Brenn­stoff­zel­len, wird von Mah­le mit Befeuch­tern belie­fert.

MAN

Gezeigt wird eine E‑Sattelzugmaschine, die – je nach Kon­fi­gu­ra­ti­on – eine Tages­reich­wei­te von 600 bis 800 Kilo­me­ter mög­lich machen soll. MAN folgt mit der Anga­be einer „Tages­reich­wei­te“ der Logik, dass das Fahr­per­so­nal Pau­sen ein­le­gen muss, die zum Nach­la­den (in 45 Minu­ten auf 80 Pro­zent) und damit der Ver­grö­ße­rung der Reich­wei­te genutzt wer­den kön­nen. Ab 2026 sol­len mit einer neu­en Gene­ra­ti­on an Bat­te­rien bis zu 1.000 Kilo­me­ter mög­lich wer­den. Für die Brenn­stoff­zel­le sieht MAN wegen der hohen Inef­fi­zi­enz und einer sich kaum abzeich­nen­den Tank-Infra­struk­tur (zunächst) kaum eine Per­spek­ti­ve – viel­leicht aber ab 2030. Da ein­deu­tig auf den bat­te­rie­elek­tri­schen Antrieb gesetzt wird, enga­gie­ren sich Tra­ton, Daim­ler und Vol­vo für den Bau von 1.700 Lade­sta­tio­nen ent­lang von Bun­des­fern­stra­ßen. Bei MAN spiel­te in den IAA-Gesprä­chen auch das auto­no­me Fah­ren eine Rol­le. Damit soll unter ande­rem dem Fah­rer­man­gel begeg­net wer­den. Die Idee dahin­ter ist, dass Last­wa­gen auf den Auto­bah­nen, über die Hubs mit­ein­an­der ver­bun­den sind, in Level 4 des auto­no­men Fah­rens unbe­glei­tet fah­ren.

Die Anga­ben in die­sem Text wur­den zahl­rei­chen Arti­keln in Fach­zeit­schrif­ten und Zei­tun­gen ent­nom­men und bei den Gesprä­chen an den Stän­den notiert.