Jahrzehntealte Versprechen – Umsetzung im Schneckentempo
Die Vertiefung der europäischen Integration und die verkehrspolitischen Zielstellungen zur Verlagerung von Personen- und Güterverkehr auf die Schiene verlangen einen besonderen Schwerpunkt beim Ausbau der grenzüberschreitenden Eisenbahninfrastruktur. Leider geht es mit dem Ausbau der Schienenwege bestenfalls im Schneckentempo voran. Dies zeigen die Antworten der Bundesregierung auf meine Anfrage.
Zwar hat Deutschland mit einigen Nachbarstaaten bereits vor Jahrzehnten Staatsverträge zum Ausbau grenzüberschreitender Strecken abgeschlossen, jedoch stockt der Ausbau wichtiger Strecken oder geht nur sehr schleppend voran wie beispielsweise bei der Ausbau- und Neubaustrecke Karlsruhe – Basel, die als Teil der wichtigen europäischen Nord-Süd-Magistrale auch die Funktion als Zulaufstrecke für die Neue Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT) übernimmt. Während die Schweiz mit der fahrplanmäßigen Inbetriebnahme des Ceneri-Basistunnels zum Fahrplanwechsel am 13. Dezember 2020 die NEAT weitgehend vollendet hat, dauert der Ausbau der Strecke Karlsruhe – Basel in Deutschland – der bereits 1996 in Vertrag von Lugano zwischen beiden Ländern per Staatsvertrag vereinbart wurde – mindestens bis Mitte der 30er-Jahre. Bei der feierlichen Eröffnung des Ceneri-Basistunnels im September 2020 kritisierte die Schweizer Bundespräsidentin und Verkehrsministerin den verzögerten Ausbau auf deutscher Seite. Auch der Ausbau der Eisenbahninfrastruktur zu unseren östlichen Nachbarn Polen und Tschechien ist wichtig. Ende 2018 konnte auf der Strecke Hoyerswerda – Horka – Węgliniec (PL) der elektrische Zugbetrieb aufgenommen werden. Bei dieser Strecke handelt es sich nach dem Eisenbahngrenzübergang bei Frankfurt (Oder) erst um die zweite Strecke zwischen Deutschland und Polen, die elektrifiziert ist. Zwischen Deutschland und Tschechien gibt es bis heute mit der Elbtalstrecke über Bad Schandau – Děčín (CZ) sogar lediglich eine elektrifizierte Hauptbahn.
Schweiz
Zwischen Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft bestehen zwei Ausbauabkommen: Nämlich für die Sicherung der Leistungsfähigkeit des Zulaufs zur neuen Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT), wozu der Ausbau Stuttgart – Zürich (Gäubahn), der viergleisige Ausbau Karlsruhe – Basel, die Elektrifizierung Ulm – Lindau und der Ausbau München – Lindau gehören. Diese Vereinbarung stammt aus dem Jahr 1996. Fertiggestellt ist lediglich die Elektrifizierung München – Lindau und kurz vor der Fertigstellung steht die Elektrifizierung Ulm – Lindau (mit Mitteln des Landes, da sich der Bund wenig vornehm zurückhalten wollte). Auf der Gäubahn-Strecke steht lediglich der Abschnitt Horb – Neckarhausen kurz vor dem Baubeginn. Weitere Ausbauschritte befinden sich erst in frühen Planungs- bzw. in politischen Diskussionsphasen. Der Ausbau der Rheintalbahn soll bis 2035 in wesentlichen Teilen abgeschlossen sein; allerdings ist die Fertigstellung des letzten Abschnitts auf das Jahr 2041 terminiert! Zur NEAT wurde im Mai 2019 zusätzlich eine Absichtsvereinbarung geschlossen. Hier geht es auch um kurzfristig umsetzbare Maßnahmen zur Leistungssteigerung auf der Rheintalbahn zugunsten des Güterverkehrs. Planungen u. a. für Weichen-/Signalbaumaßnahmen in Offenburg seien, so die Bundesregierung, angelaufen.
Frankreich
1992 wurde eine Vereinbarung zwischen beiden Ländern getroffen, um Südwestdeutschland besser mit Ostfrankreich und Paris zu verbinden. Konkret geht es um die Verbindungen Mannheim – Saarbrücken (bis auf das Zugsicherungssystem ETCS fertiggestellt) und Kehl – Appenweier mit der Rheinbrücke Kehl. Diese Brücke ist fertiggestellt, der Rest befindet sich in Planung.
Fazit: Die Herstellung grenzüberschreitender Bahninfrastruktur genießt offenbar nicht den erforderlichen politischen Stellenwert und dauert viel zu lang. Die Umsetzungen sind zu beschleunigen.