Bahn- und radpolitisch unterwegs in Hamburg

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14.03.2017

Vom Hafen­hin­ter­land­ver­kehr bis hin zur ambi­tio­nier­ten Rad­ver­kehrs­för­de­rung

Gemein­sam mit mei­ner Frak­ti­ons­kol­le­gin Vale­rie Wilms war ich auf Ein­la­dung unse­res Frak­ti­ons­kol­le­gen Manu­el Sar­ra­zin zu einem ver­kehrs­po­li­ti­schen Tag in Ham­burg.

Der Tag star­te­te am Mor­gen in der Lan­des­ge­schäfts­stel­le der Ham­bur­ger Grü­nen mit einen Gespräch zu den Alter­na­ti­ven zum Giga­li­ner. Wir Grü­ne haben eine kla­re Posi­ti­on zum Lang-LKW: Die­ser kann eine sinn­vol­le Ergän­zung zur Bahn sein, im Vor- und Nach­lauf zur Schie­ne. In der von Ver­kehrs­mi­nis­ter Dob­rindt nun vor­ei­lig frei­ge­ge­be­nen Form macht er dem Schie­nen­ver­kehr jedoch erheb­li­che Kon­kur­renz, wäh­rend zugleich gewich­ti­ge Sicher­heits-Argu­men­te, die gegen eine Frei­ga­be spre­chen, nicht gehört wur­den oder wer­den woll­ten. Wich­tig sind uns fer­ner glei­che Rah­men­be­din­gun­gen für Güter­ver­kehr auf der Schie­ne und der Stra­ße. Um die Infra­struk­tur nicht noch wei­ter zu belas­ten, leh­nen wir eine Auf­las­tung beim Lang-LKW ent­schie­den ab. Wich­tig ist dage­gen, die Kom­pa­ti­bi­li­tät für den Ein­satz im kom­bi­nier­ten Ver­kehr.

In der Run­de mit den Geschäfts­füh­rern von Trans­wag­gon, einem gro­ßen Ver­mie­ter von Güter­wa­gen mit Sitz in Ham­burg, und dem Vor­sit­zen­den des Ver­ban­des der Güter­wa­gen­hal­ter ging es auch um die Umrüs­tung der Güter­wa­gen auf lei­se­re Brem­sen. Nach Plä­nen der Bun­des­re­gie­rung sol­len bis 2020 alle Wagen umge­rüs­tet wer­den. Das Zwi­schen­ziel die Hälf­te der Wagen bis 2016 umge­rüs­tet zu haben wird wohl allem Anschein nach ver­fehlt wer­den. Die Aus­wer­tung durch die Bun­des­re­gie­rung steht noch aus. Daher bedarf es eines stär­ke­ren Anrei­zes zur Umset­zung, bei­spiels­wei­se eine deut­li­che­re Sprei­zung der Tras­sen­prei­se für lau­te Güter­wa­gen. Eine Redu­zie­rung der Geschwin­dig­keit für lau­te Wagen leh­nen wir ab, da dies das Vor­an­kom­men aller­Gü­ter­zü­ge behin­dern und noch mehr Ver­kehr auf die Stra­ße ver­la­gern wür­de.

Im Anschluss stand ein Ter­min bei der Deut­schen Bahn auf der Agen­da. Hier ging es um die für Ham­burg und Nord­deutsch­land wesent­li­chen Schie­nen­ver­kehrs­pro­jek­te aus dem Bun­des­ver­kehrs­we­ge­plan bzw. dem Bun­des­schie­nen­we­ge­aus­bau­ge­setz. Ein zen­tra­ler Hebel für die Ent­las­tung des Ham­bur­ger Haupt­bahn­ho­fes ist der Bau der S4. Mit Bau die­ses Pro­jek­tes kön­nen Regio­nal­ver­keh­re auf die S‑Bahn ver­la­gert wer­den und somit neue Kapa­zi­tä­ten im Ham­bur­ger Haupt­bahn­hof für Regio­nal­zü­ge geschaf­fen wer­den. Der­zeit müs­sen die­se zum Teil vor­her enden, weil die Kapa­zi­tä­ten im Haupt­bahn­hof feh­len.

Eben­falls wich­tig ist das Pro­jekt ‚Kno­ten Ham­burg‘, wel­ches sich im Bun­des­ver­kehrs­we­ge­plan und dem Bun­des­schie­nen­we­ge­aus­bau­ge­setz im soge­nann­ten Poten­zi­el­len Bedarf befin­det. Es gehört damit zu über 45 Schie­nen­pro­jek­ten in Deutsch­land, die bis­her nicht bewer­tet wur­den und deren Zukunft daher unge­wiss ist. Neben diver­sen Kno­ten, die der­zeit viel­fach die Eng­päs­se im Schie­nen­netz dar­stel­len, betrifft dies auch das für den Schie­nen­gü­ter­ver­kehr so hoch­wich­ti­ge 740 Meter-Netz. Durch vie­le klei­ne Anpas­sun­gen soll es mög­lich wer­den, dass auch in Deutsch­land auf den wesent­li­chen Güter­ver­kehrs­ach­sen mit der Regel­län­ge für Güter­zü­ge in Euro­pa von 740 Meter gefah­ren wer­den kann. Unver­ständ­li­cher­wei­se sahen sich die Ver­tre­ter der Gro­ßen Koali­ti­on im Bund nicht in der Lage, unse­ren Anträ­gen zu einer Hoch­stu­fung die­ser (und wei­te­rer) unstrit­ti­gen und immens wich­ti­gen Schie­nen­pro­jek­te in den Vor­dring­li­chen Bedarf zuzu­stim­men.

Die ver­kehr­li­che Anbin­dung des Ham­bur­ger Südens war The­ma eines Mit­tag­essens mit dem Vor­stand des Wirt­schafts­ver­eins für den Ham­bur­ger Süden. Einig­keit herrsch­te dar­in, dass die schie­nen­sei­ti­ge Anbin­dung des Ham­bur­ger Hafens ver­bes­sert wer­den muss. Ohne eine leis­tungs­fä­hi­ge Schie­nen­an­bin­dung ist es schwie­rig, die Güter von und zum Hafen zu trans­por­tie­ren. Gleich­wohl gilt es, die­se mög­lichst stadt- und umwelt­ver­träg­lich zu gestal­ten, auch um Ham­burg-Har­burg wei­ter als Wohn­ge­biet zu eta­blie­ren. Ein wesent­li­cher Punkt ist hier­bei der Lärm­schutz für Anwoh­ne­rin­nen und Anwoh­ner, da der Ver­kehr (Stra­ße und Schie­ne) durch die Stadt abge­wi­ckelt wird. Unter­schied­li­che Posi­tio­nen gab es beim geplan­ten Neu­bau der A26, wel­che die stra­ßen­sei­ti­ge Hafen­an­bin­dung ver­bes­sern soll. Aus mei­ner Sicht darf es nicht dazu füh­ren, dass zukünf­tig wie­der mehr Güter­ver­kehr auf der Stra­ße trans­por­tiert wird. Zu guter Letzt ging es noch um Ideen, wie die Bahn­an­bin­dung Har­burgs im Fern­ver­kehr und mit dem ÖPNV ver­bes­sert wer­den könn­te. Der­zeit gibt es hier nur eine Ver­bin­dung über die Elbe zum rest­li­chen Ham­burg. Die­se ist heu­te aber bereits an ihrer Kapa­zi­täts­gren­ze ange­kom­men. Mög­lich­kei­ten könn­ten sich hier durch moder­ne Siche­rungs­tech­ni­ken erge­ben, wie sie nun im Stutt­gar­ter S‑Bahn-Netz getes­tet wer­den soll. Hier­durch wird eine höhe­re Zug­dich­te auf der Stre­cke ermög­licht.

Der Ham­bur­ger Hafen ist Euro­pas größ­ter Eisen­bahn­ha­fen. Er zeich­net sich bereits heu­te dadurch aus, dass ein beacht­li­cher Teil, des See­ha­fen­hin­ter­land­ver­kehrs mit der Bahn abtrans­por­tiert wird. Im Jahr 2015 lag der Modal-Split des Schie­nen­ver­kehrs Anteil über 45% erst­mals vor dem LKW mit gut 42%. Je Tag errei­chen und ver­las­sen um die 200 Güter­zü­ge den Ham­bur­ger Hafen. Sehr inter­es­sant waren die Hin­wei­se zu Her­aus­for­de­run­gen, die der Ham­bur­ger Hafen­bahn als eige­nes Eisen­bahn­ver­kehrs­un­ter­neh­men und Eisen­bahn­in­fra­struk­tur­un­ter­neh­men durch die der­zei­ti­gen Regu­lie­run­gen ins Haus ste­hen. 70 % der Kos­ten sind Tras­sen­prei­se. Und den­noch ver­hal­ten sich die vie­len im Hafen ver­keh­ren­den Bahn­un­ter­neh­men durch feh­len­de Koor­di­nie­rung unwirt­schaft­lich.

Auch bei die­sem Ter­min wur­de betont, wie ele­men­tar wich­tig das 740 Meter-Netz für den Schie­nen­gü­ter­ver­kehr ist. Der­zeit sind es oft­mals nur 630m. Durch eine Aus­wei­tung könn­ten 8–12 Con­tai­ner mehr je Zug trans­por­tiert wer­den. Hier­durch lie­ßen sich 12 Züge am Tag ein­spa­ren und die frei­ge­wor­de­nen Kapa­zi­tä­ten für wei­te­res Wachs­tum nut­zen. Das alles für eine Inves­ti­ti­on von nicht viel mehr als 300 Mil­lio­nen Euro deutsch­land­weit. Umso unver­ständ­li­cher, dass das Pro­jekt von der Gro­ßen Koali­ti­on auf die War­te­bank ver­bannt wur­de. Zum Ver­gleich: Für die knapp 10 Kilo­me­ter Auto­bahn A26 (s.o.) sind ca. 900 Mil­lio­nen Euro vor­ge­se­hen. Mit einer sol­chen Poli­tik ist die Ver­kehrs­wen­de nicht erreich­bar. Wir Grü­ne blei­ben dran und erhal­ten den Druck auf­recht.

Seit April 2015 regie­ren die Grü­nen in Ham­burg wie­der mit. Eine der mar­kan­tes­ten grü­nen Hand­schrif­ten im Koali­ti­ons­ver­trag ist die ambi­tio­nier­te Rad­ver­kehrs­po­li­tik. Es wur­de die Stel­le einer Rad­ver­kehrs­ko­or­di­na­to­rin geschaf­fen und die Stel­len für die minis­te­ri­el­le Rad­ver­kehrs­steue­rung wur­den eben­so auf­ge­stockt wie die Pla­nungs­stel­len in den Bezir­ken. Es wur­den bereits Ser­vice­an­ge­bo­te wie Bike & Ride aus­ge­baut und vie­le neue Fahr­rad­schutz­strei­fen ange­legt. Eini­ge Rad­we­ge wur­den saniert und deren Rei­ni­gung ver­bes­sert. Der Rad­ver­kehrs­etat wur­de deut­lich erhöht. Lan­ge Pla­nungs­zei­ten füh­ren jedoch dazu, dass nicht immer alle Mit­tel sofort ver­baut wer­den kön­nen. Die Reso­nanz in der Bevöl­ke­rung bewegt sich zwi­schen hoher Erwar­tungs­hal­tung und Skep­sis ins­be­son­de­re dann, wenn der Aus­bau des Rad­ver­kehrs­net­zes Ein­schnit­te in Ver­kehrs- und Par­kie­rungs­flä­chen für den moto­ri­sier­ten Ver­kehr erfor­dert. Ich war bereits das drit­te Mal in Ham­burg, seit­dem die Grü­nen wie­der mit­re­gie­ren und möch­te auch in Zukunft die Rad­ver­kehrs­ent­wick­lun­gen in der Han­se­stadt mög­lichst nah mit­ver­fol­gen.