Bahngespräch: „Klimaretter Schienengüterverkehr“

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11.06.2021

Branche fordert bessere Wettbewerbsbedingungen

Die­se Fol­ge der Serie mei­ner “Bahn­ge­sprä­che” befass­te sich mit dem Schie­nen­gü­ter­ver­kehr. Zum The­ma „Kli­ma­ret­ter Schie­nen­gü­ter­ver­kehr“ dis­ku­tier­ten Dr. Sig­rid Nikut­ta (DB Car­go AG), Peter Wes­ten­ber­ger (Netz­werk Euro­päi­scher Eisen­bah­nen) und Dr. Mar­tin Hen­ke (Ver­band Deut­scher Ver­kehrs­un­ter­neh­men).

Für die meis­ten Men­schen ist dies ein sper­ri­ges, schwer zugäng­li­ches The­ma. “Mehr Güter auf die Schie­ne” ist schnell gefor­dert. Die Rea­li­sie­rung ist jedoch ein kom­ple­xes Unter­fan­gen.

Dabei ist die Ver­la­ge­rung von Güter­ver­keh­ren auf die Schie­ne ein zen­tra­les Instru­ment für alle, die Kli­ma­zie­le errei­chen, Res­sour­cen scho­nen und Stra­ßen ent­las­ten wol­len. Schließ­lich sind die Güter­bah­nen um den Fak­tor vier bis fünf ener­gie­ef­fi­zi­en­ter als der Lkw. Damit die Ver­kehrs­ver­la­ge­rung ins Rol­len kommt, müs­sen vie­le Stell­schrau­ben gedreht wer­den. Eine davon ist die Infra­struk­tur, die deut­lich leis­tungs­fä­hi­ger wer­den muss. Wir brau­chen also den Aus- und Neu­bau von Eisen­bahn­stre­cken, um infra­struk­tur­sei­tig die Vor­aus­set­zun­gen für mehr Güter­ver­kehr auf der Schie­ne zu schaf­fen. Hin­zu kommt die Digi­ta­li­sie­rung, um lang­wie­ri­ge Pro­zes­se schnel­ler, zuver­läs­si­ger und damit wirt­schaft­li­cher abwi­ckeln zu kön­nen. Eine sehr wich­ti­ge Stell­schrau­be liegt in den Wett­be­werbs­be­din­gun­gen, die der­zeit von Wett­be­werbs­ver­zer­run­gen zu Las­ten der Schie­ne geprägt sind. Durch eine dau­er­haf­te Sen­kung der Tras­sen­prei­se, die Abschaf­fung des Die­sel­pri­vi­legs und eine Aus­wei­tung der Lkw-Maut muss der Wett­be­werb fai­rer orga­ni­siert wer­den, damit die Bahn eine Chan­ce im Güter­ver­kehrs­markt hat.

Frau Dr. Sig­rid Nikut­ta beton­te zu Beginn ihres Vor­trags, dass die zahl­rei­chen Vor­tei­le des Schie­nen­gü­ter­ver­kehrs in der Öffent­lich­keit noch stär­ker her­vor­ge­ho­ben wer­den müs­sen. DB Car­go will mit der Kam­pa­gne „Wir sind güter“ und „Car­go Mon­tag“ genau die­se Lücke schlie­ßen und auf die­se Wei­se mehr Auf­merk­sam­keit und Bewusst­sein für den Güter­ver­kehr auf der Schie­ne schaf­fen. Für DB Car­go ist der so genann­te Ein­zel­wa­gen­ver­kehr wei­ter­hin eine wich­ti­ge Säu­le des Geschäfts. Für das Gelin­gen einer Ver­kehrs­wen­de und der Ver­kehrs­ver­la­ge­rung auf die Schie­ne spielt der Ein­zel­wa­gen­ver­kehr eine wich­ti­ge Rol­le. In das fix­kos­ten­träch­ti­ge Sys­tem müs­se des­halb mehr Güter­vo­lu­men ein­ge­speist wer­den; außer­dem müs­se die Wirt­schaft­lich­keit des Ein­zel­wa­gen­ver­kehrs durch Inves­ti­tio­nen in Inno­va­tio­nen wie bei­spiels­wei­se die digi­ta­le auto­ma­ti­sche Kupp­lung ver­bes­sert wer­den.

Peter Wes­ten­ber­ger ging auf den zu Las­ten der Güter­bah­nen ver­zerr­ten Wett­be­werb im Güter­ver­kehrs­sek­tor ein und unter­strich die Bedeu­tung fai­rer Wett­be­werbs­be­din­gun­gen für den Markt­er­folg der Bahn­un­ter­neh­men im Güter­ver­kehr. Dazu zählt aus Sicht des NEE die Abschaf­fung des Die­sel­pri­vi­legs, das dem Lkw einen erheb­li­chen Wett­be­werbs­vor­teil ver­schafft. Auch die Infra­struk­tur­po­li­tik des Bun­des muss neu aus­ge­rich­tet wer­den. Peter Wes­ten­ber­ger sprach sich dafür aus, die Umset­zung des Bedarfs­plans Stra­ße aus­zu­set­zen. Es dür­fen dem­nach kei­ne neu­en Fern­stra­ßen­pro­jek­te des Bun­des mehr begon­nen wer­den, bis eine grund­le­gen­de Über­ar­bei­tung des Bun­des­ver­kehrs­we­ge­plans statt­ge­fun­den hat. Um schnell Kapa­zi­täts­ef­fek­te im Netz zu erzie­len, ist nach Auf­fas­sung des NEE ein Schwer­punkt auf die Umset­zung klein­tei­li­ger bzw. kurz­fris­ti­ger Infra­struk­tur­maß­nah­men zu legen. Dazu zählt bei­spiels­wei­se die Schaf­fung zusätz­li­cher Gleis­wech­sel auf hoch­be­las­te­ten Stre­cken.

Auch Dr. Mar­tin Hen­ke hob die Bedeu­tung von „Klein­maß­nah­men“ für die kurz­fris­ti­ge Kapa­zi­täts­stei­ge­rung im Schie­nen­netz her­vor. Dazu zählt bei­spiels­wei­se eine zwei­te Tran­che für wei­te­re Über­hol­glei­se, die eine Zug­län­ge von 740 Metern erlau­ben. Wei­ter­hin ist es aus Sicht des VDV unab­ding­bar, dass die Resi­li­enz im Schie­nen­netz ver­bes­sert wird. Deut­lich gewor­den sei dies erst kürz­lich bei der Sper­rung der rech­ten Rhein­stre­cke, die durch einen Fels­sturz ver­ur­sacht wur­de. Eine neue Bun­des­re­gie­rung müs­se einen neu­en Vor­stoß zur Elek­tri­fi­zie­rung geeig­ne­ter Aus­weich­stre­cken unter­neh­men, um die Resi­li­enz im Netz zu erhö­hen und bei Stö­run­gen ent­spre­chend fle­xi­bel reagie­ren zu kön­nen. Im Deutsch­land­takt muss dem Schie­nen­gü­ter­ver­kehr mehr Raum gege­ben wer­den. Die im Deutsch­land­takt bis­her vor­ge­se­he­ne zusätz­li­che Infra­struk­tur für den Güter­ver­kehr ist unzu­rei­chend, um die gesteck­ten Ver­la­ge­rungs­zie­le zu errei­chen. Grund dafür ist die Ver­kehrs­pro­gno­se des Bun­des­ver­kehrs­we­ge­plans 2030, die das Wachs­tum im Sek­tor nicht rich­tig abbil­det und auch die neu­en Zie­le nicht anti­zi­piert hat.