Reaktivierung nahm erste Hürden
Es klingt merkwürdig, aber es ist so: Auch 75 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges gibt es noch immer damals zerstörte Bahnstrecken, die nicht wieder aufgebaut wurden. Eine davon ist die Strecke zwischen Freiburg und Colmar.
Ende des Zweiten Weltkrieges wurde die Rheinbrücke bei Breisach zerstört. Die heutige Straßenbrücke wurde auf den Fundamenten der damaligen Eisenbahnbrücke erbaut. Eine durchgehende, grenzüberschreitende Bahnverbindung gibt es hingegen seither nicht mehr. Auf deutscher Seite befindet sich ein eingleisiger Ast, der heute Teil der Breisgau-S-Bahn ist. Auf französischer Seite wird die alte, ebenfalls eingleisige Bahnstrecke noch für den Güterverkehr genutzt. Es fehlt die Brücke mit den Anschlüssen auf beiden Seiten, insgesamt zwei Kilometer. Der Abschnitt zwischen Breisach und dem Rhein ist entwidmet, so dass es sich rechtlich um einen geplanten Neubau handelt. Seit einigen Jahren gibt es schon Bestrebungen, die Strecke wieder herzustellen und aufzuwerten. Es handelt sich um ein wichtiges strukturpolitisches Projekt, zumal auf französischer Seite das Atomkraftwerk Fessenheim vom Netz gehen und stattdessen alternatives Gewerbe angesiedelt werden soll. Darüber hinaus ist es ein Projekt mit hoher Symbolkraft der deutsch-französischen Freundschaft. Eine erste Machbarkeitsstudie wurde im Frühjahr 2019 erfolgversprechend abgeschlossen. Im Herbst 2019, nach einem kleinen politischen Hin und Her, wurde die Fortsetzung der Planungen beschlossen. Im Juli 2020 wurde die Finanzierungsvereinbarung für die Leistungsphase 1 und 2 geschlossen. Im November 2020 stellte das Land Baden-Württemberg seine Untersuchung für die Reaktivierung stillgelegter Bahnstrecken vor, in der Freiburg – Colmar ein „sehr hohes Fahrgastpotential“ beschieden wurde.
Ich habe mit Vertreter*innen der Deutschen Bahn gesprochen, um mich auf den aktuellen Sachstand bringen zu lassen. Derzeit sind die Verantwortlichen auf deutscher und die französischer Seite dabei, ein Fahrplankonzept zu erstellen. Vorstellbar ist, dass ein Zug pro Stunde und Richtung zwischen Colmar und Freiburg fahren wird und ein weiterer zwischen Colmar und Breisach mit der Option des dortigen Umstiegs in die S‑Bahn nach Freiburg und darüber hinaus. Der daraus resultierende Halbstundentakt zwischen Colmar und Breisach schafft eine attraktive bilaterale Zugverbindung. Wenn die Fahrplanstudie steht, geht es an die Streckenplanung. Ziel ist, dass die Bahn die Strecke höchstens in der Zeit zurücklegt, in der die Distanz mit dem Auto zurückgelegt werden kann (45 Minuten). Vermutlich muss die Strecke dafür mit 80 Stundenkilometer befahrbar sein, wofür der französische Bestand bereits ausgelegt ist. Die Rheinbrücke wird durch den französischen Bahnkonzern SNCF geplant und deren Bau vermutlich durch die EU mitfinanziert. Die Brücke ist das mit Abstand anspruchsvollste Element der Strecke. Daran wird sich der Zeitplan bis zur Inbetriebnahme der durchgehenden Verbindung, deren Finanzierung noch nicht sichergestellt ist, orientieren. Mit großem Optimismus ist nach Klärung der offenen Fragen eine Inbetriebnahme im Jahr 2028 denkbar, sonst eher 2030.
Zu klären ist in diesem Zusammenhang auch, ob eine Kapazitätserhöhung zwischen Breisach und Freiburg erforderlich ist. Nicht unwahrscheinlich ist, dass zweigleisige Streckenabschnitte geschaffen werden müssen.