Aufarbeitung nötig – Jetzt aber Blick auf Koalitionsbildung
Kaum etwas ist relativer als unser Wahlergebnis bei der Bundestagswahl. Im Verhältnis zu 2017 konnten wir uns deutlich steigern. Wir haben den stärksten Zuwachs aller Parteien und unseren besten jemals erzielten Wert erreicht. Die SPD hingegen hat ihr drittschlechtestes Ergebnis seit 1949 eingefahren – und gilt doch als Wahlgewinnerin.
Der Maßstab ist eben immer auch die Erwartung. Und die lag bei uns Grünen besonders hoch. Für einen Zustimmungswert von 14,7 Prozent hatten wir keine Kanzlerkandidatin aufgestellt. Das tatsächliche Ergebnis hat auch so manche Wahlkämpfer*in überrascht. Gefühlt waren die Stimmung so gut und die Ablehnung grüner Position so gering wie nie zuvor. Ob an Infoständen oder Überraschungsbesuchen an den Haustüren: Es gab neben der ein oder anderen Beleidigung vor allem viel Zuspruch, Ermunterung und Optimismus. Ungewöhnlich häufig war auch zu hören: „Sie haben meine Stimme“. Dass dieser Eindruck nicht falsch gewesen sein muss zeigt der Blick auf die Briefwahlergebnisse: Diese fielen höher aus als die der am eigentlichen Wahltag abgegebenen Stimmen. Kurz vor knapp müssen also noch Stimmen zur SPD, aus Angst vor „R2G“ manchmal auch zu den Unionsparteien, gewandert sein. Letzte Umfragen vor dem Wahlsonntag hatten bereits darauf hingedeutet. Dies alles kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es schon zuvor – durch eigene Fehler – zu einer Selbstschwächung gekommen war. Unser Wahlkampf gehört selbstkritisch aufgearbeitet, um daraus für die Zukunft zu lernen. Dies habe (nicht nur) ich mehrfach in der neuen Fraktion eingefordert.
Zunächst einmal steht aber die Bildung einer neuen Bundesregierung im Vordergrund. Eine „Ampel“ wird nicht einfach zum Leuchten zu bringen sein. Sie stellt aber zugleich auch eine große Chance dar, den GroKo-Stillstand im Land endlich zu beenden und in vielen Politikbereichen neue Wege zu beschreiten. Ich freue mich, gemeinsam mit dem hessischen Wirtschafts- und Verkehrsminister Tarek Al-Wazir die Vorbereitungs-Gruppe für die Koalitionsverhandlungen im Verkehrsbereich leiten zu dürfen. Spannend wird sein, inwiefern es gelingt, aus Gegensätzen kreative Verständigungen für die Lösung großer Herausforderungen zu entwickeln.
Hintergrund: Zahlen, Daten Fakten aus „meinem“ Wahlkreis Nürtingen
Hier das Ergebnis aus dem Wahlkreis Nürtingen (Erst-/Zweitstimmen, Vergleich zu 2017): 18 Prozent (+3,25)/16,8 (2,63). Damit zeigt sich auch in diesem Wahlkreis, dass den Kandidat*innen häufig ein größeres Vertrauen entgegen gebracht wurde als der grünen Partei. Besonders gute Ergebnisse bei den Erststimmen waren in Leinfelden-Echterdingen (22,3%), in Filderstadt (21,3%) sowie in Bissingen (19,2%) zu verzeichnen. Bei den Zweitstimmen konnten wir in L‑E die 20-Prozent-Schwelle überspringen (20,2%).
Ich bedanke mich bei allen Wähler*innen und ebenso bei allen Helfer*innen, die mich im Wahlkampf auf vielfältigste Weise unterstützt haben!