Besuche in Altenheimen und Pflegefachschulen

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12.05.2018

Dialog mit Pflegenden

Im Vor­feld des heu­ti­gen „Inter­na­tio­na­len Tages der Pfle­gen­den“ habe ich vier Pfle­ge­ein­rich­tun­gen bzw. Alten­pfle­ge­fach­schu­len besucht. Dar­über, aber auch über die Ideen der Grü­nen für eine bes­se­re Pfle­ge, berich­te ich hier.

Wohn­ge­mein­schaft für Senio­ren (WGfS) Fil­der­stadt

„Pfle­gen mit Herz und Ver­stand“ lau­tet das Mot­to des pri­va­ten Trä­gers meh­re­rer Pfle­ge­ein­rich­tun­gen und eines ambu­lan­ten Pfle­ge­diens­tes. Im „Casa Medi­ci“ traf ich mich mit Geschäfts­füh­rer Dani­el Splett­stö­ßer und den bei­den Pfle­ge­dienst­lei­te­rin­nen Bri­git­te Rechert und Saskia Blachut. Im ambu­lan­ten Dienst mit sei­nen 30 Beschäf­tig­ten, von denen etwa ein Drit­tel in Voll­zeit arbei­tet, feh­len Fach­kräf­te, um zusätz­li­che Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten auf­neh­men zu kön­nen. Die Wohn­an­la­ge, die sich auf zwei Eta­gen ver­teilt, bie­tet 78 Pfle­ge­plät­ze, davon 32 für demenz­er­krank­te Men­schen. Vie­le Zim­mer sind noch Dop­pel­zim­mer, die auf­grund von gesetz­li­chen Vor­ga­ben in Ein­zel­zim­mer umge­wan­delt wer­den müs­sen. Mei­ne Gesprächs­part­ner hal­ten die­se Vor­schrift für frag­wür­dig, da vie­le Bewohner/innen unger­ne allei­ne sind. Auch im sta­tio­nä­ren Bereich sieht man sich per­so­nell gut abge­deckt, die hohe Nach­fra­ge nach Pfle­ge­plät­zen kön­ne aber nicht befrie­digt wer­den. Teil­wei­se müs­se ein Jahr auf einen Pfle­ge­platz gewar­tet wer­den. Mir wird von guten Erfah­run­gen mit der Aus­bil­dung von Geflüch­te­ten berich­tet. Das lei­tet gut über zu mei­nen bei­den nächs­ten Ter­mi­nen.

Fach­schu­le für Alten­pfle­ge in Nür­tin­gen

Auf dem Säer konn­te ich mich mit Schü­le­rin­nen und Schü­lern einer Flücht­lings­klas­se und einer „nor­ma­len“ Fach­schul­klas­se tref­fen. Eini­ge der Fra­gen an mich bezo­gen sich auf den unsi­che­ren Auf­ent­halts­sta­tus der Geflüch­te­ten in Aus­bil­dung (sie­he dazu die Ideen der Grü­nen zur Pfle­ge unten). Einen brei­ten Raum nah­men die sehr unter­schied­li­chen Erfah­run­gen in den Pra­xis­stel­len ein. Nicht weni­ge der Aus­zu­bil­den­den berich­te­ten davon, dass sie kei­ne oder nur eine sehr spär­li­che Pra­xis­an­lei­tung erhal­ten. Eini­ge haben daher ihre Pra­xis­stel­le gewech­selt und sind nun mit der Situa­ti­on deut­lich zufrie­de­ner. Ich woll­te wis­sen, wie der Fach­kräf­te­nach­wuchs das Image ihres Beru­fes wahr­nimmt. Eini­ge der Aus­zu­bil­den­den beka­men aus ihrem pri­va­ten Umfeld immer wie­der Fra­gen zu hören, wozu man über­haupt eine Aus­bil­dung benö­ti­ge („Waschen kann doch jeder“). Auch die Aus­sa­ge „Das könn­te ich nicht“ sei immer wie­der zu hören – ob das aner­ken­nend gemeint war, dar­über gin­gen die Mei­nun­gen aus­ein­an­der. Jeden­falls wur­de deut­lich, dass vie­le Men­schen sich noch kaum über den Pfle­ge­be­ruf infor­miert haben und viel­leicht auch den Gedan­ken ans eige­ne Alter und die mög­li­che Pfle­ge­be­dürf­tig­keit lie­ber ver­drän­gen wol­len. Wei­te­re Dis­kus­si­ons­punk­te waren die Bezah­lung (bemän­gelt wur­de, dass klei­ne, pri­va­te Trä­ger häu­fig schlech­ter bezah­len) und die mög­li­che Ein­rich­tung einer Pfle­ge­kam­mer. Es war eine sehr leben­di­ge Dis­kus­si­on, die wir pro­blem­los hät­ten ver­län­gern kön­nen!

Migran­ten­klas­se der DAA in Kirch­heim

Bereits zum zwei­ten Mal habe ich die Pfle­ge­fach­schu­le in Kirch­heim unter Teck besucht. In zehn Klas­sen wer­den ins­ge­samt rund 160 Schü­le­rin­nen und Schü­lern aus­bil­det. Vier der Klas­sen wur­den spe­zi­ell für Migran­ten ein­ge­rich­tet. Für sie dau­ert die Aus­bil­dung fünf statt drei Jah­re, da dem Sprach­er­werb ein hoher Stel­len­wert ein­ge­räumt wird. Ein Drit­tel kann wegen guter Leis­tun­gen die Aus­bil­dung auf vier Jah­re ver­kür­zen. Etwa ein Drit­tel der Aus­zu­bil­den­den der Migran­ten­klas­se schlie­ßen ihre Aus­bil­dung mit dem Hel­fer­ab­schluss ab.

In der Dis­kus­si­on mit den Aus­zu­bil­den­den, über­wie­gend Geflüch­te­te, stand die Unsi­cher­heit bezüg­lich des Auf­ent­halts­staus im Mit­tel­punkt. Eini­ge befürch­ten, dass sie ihre Aus­bil­dung nicht abschlie­ßen oder auch als drin­gend benö­tig­te Fach­kraft nicht im Land blei­ben dür­fen.

Deut­lich spür­bar war die hohe Moti­va­ti­on der Schü­le­rin­nen und Schü­ler. Ein Mann aus dem Sene­gal brach­te es auf den Punkt: „Ich freue mich jeden Tag, für die Arbeit auf­ste­hen zu dür­fen“.

DRK-Senio­ren­zen­trum Stein­gau­stift

Das Haus bie­tet 34 Pfle­ge­plät­ze inklu­si­ve Kurz­zeit­pfle­ge­plät­zen und 21 betreu­te Woh­nun­gen. Mit Petra Nasta­si, Ein­rich­tungs­lei­te­rin von zwei Häu­sern und Mire­la Stahl, Pfle­ge­dienst­lei­te­rin (PDL) des Stein­gas­stifts unter­hielt ich mich vor allem über die Per­so­nal­si­tua­ti­on in der Pfle­ge. Bei­de beschrei­ben die­se als sehr schwie­rig. Nicht alle Stel­len sind besetzt. Immer wie­der müs­sen Mit­ar­bei­ten­de aus der Frei­zeit geholt wer­den, um den vor­ge­schrie­be­nen Stel­len­schlüs­sel ein­zu­hal­ten. Die Ein­rich­tung einer Pfle­ge­kam­mer sehen mei­ne Gesprächs­part­ne­rin­nen skep­tisch. Dem Gespräch schließt sich ein Rund­gang an. In der Tages­pfle­ge ergibt sich ein Gespräch mit den Senio­ren.

Entwicklungen in der Pflege

Lt. Bun­des­agen­tur für Arbeit vom 09.05.2018 arbei­ten aktu­ell 1,6 Mil­lio­nen Men­schen in der Kran­ken- und Alten­pfle­ge. Das sind 174.000 mehr als noch vor vier Jah­ren. Aber: Zugleich steigt ange­sichts des demo­gra­fi­schen Wan­dels und einer stei­gen­den Anzahl von Men­schen mit Behin­de­rung auch der Bedarf an Fach­kräf­ten.

Alle Ein­rich­tun­gen, die ich in die­ser Woche, aber auch alle, die ich in den letz­ten Mona­ten und Jah­ren besucht hat­te, kla­gen mehr oder weni­ger über den Man­gel an Fach­kräf­ten. Bekannt ist, dass vie­le Fach­kräf­te wegen der hohen Belas­tun­gen und Unzu­frie­den­heit (Über­stun­den, geteil­te Dienst­zei­ten, Schicht­diens­te mit häu­fig schlecht plan­ba­rer Frei­zeit, Per­so­nal­man­gel, kör­per­li­che Ein­schrän­kun­gen wie nach Band­schei­ben­vor­fall, schlech­tes Arbeits­kli­ma, gerin­ge Bezah­lung und vie­les mehr) ihren Beruf früh­zei­tig ver­las­sen. Aus die­sen Grün­den bestehen viel­sei­ti­ge Hand­lungs­be­dar­fe, um die Tätig­kei­ten in der Pfle­ge attrak­ti­ver zu gestal­ten und kran­ken und pfle­ge­be­dürf­ti­gen Men­schen eine bes­se­re Betreuungs‑, Pfle­ge- und Behand­lungs­qua­li­tät bie­ten zu kön­nen.

Grüne Ideen für eine gute Pflege

Wir Grü­ne wol­len für die Alten- und Kran­ken­pfle­ge jeweils 25.000 zusätz­li­che Stel­len schaf­fen. So wol­len wir für mehr qua­li­fi­zier­tes Per­so­nal in der Alten­pfle­ge sor­gen:

  • Wir for­dern schon lan­ge ein Per­so­nal­be­mes­sungs­in­stru­ment. Für die Ent­wick­lung eines sol­chen haben die Ver­tre­ter der Leis­tungs­er­brin­ger und Kos­ten­trä­ger auf Bun­des­ebe­ne einen Auf­trag an For­schungs­ein­rich­tun­gen ver­ge­ben. Die Ergeb­nis­se wer­den vor­aus­sicht­lich erst 2020 vor­lie­gen.
  • Wir wol­len, dass das Per­so­nal­be­mes­sungs­in­stru­ment nach sei­ner Ent­wick­lung und Erpro­bung bun­des­weit ver­bind­lich ein­ge­führt wird. Mit die­sem Instru­ment kann genau ermit­telt wer­den, wie vie­le Pfle­ge­kräf­te es braucht, um eine gute Ver­sor­gung der pfle­ge­be­dürf­ti­gen Men­schen sicher­zu­stel­len.
  • Wir wol­len in der Kran­ken- und Alten­pfle­ge jeweils 25.000 zusätz­li­che Fach­kräf­te. Finan­ziert wer­den sol­len die­se aus Mit­teln der Kran­ken­ver­si­che­rung bzw. aus den Bei­trä­gen, die bis­lang in den Pfle­ge­vor­sor­ge­fonds flie­ßen.
  • Um mehr Men­schen für eine Aus­bil­dung in der Pfle­ge zu gewin­nen, braucht es vie­le Maß­nah­men: Image­wer­bung für den Pfle­ge­be­ruf, bes­se­re Infor­ma­tio­nen über sozia­le Beru­fe an den all­ge­mein bil­den­den Schu­len (Aus­bil­dungs­of­fen­si­ve), die Stär­kung des Frei­wil­li­gen Sozia­len Jah­res (FSJ), eine bes­se­re Bezah­lung (deren Höhe aller­dings nicht von der Poli­tik, son­dern von den Tarif­par­tei­en fest­ge­legt wird; wir Grü­ne schla­gen den Tarif­part­nern einen flä­chen­de­cken­den Tarif­ver­trag Sozia­les vor). Erfreu­lich: Im Jahr 2017 began­nen so vie­le Men­schen eine Aus­bil­dung in der Pfle­ge wie nie­mals zuvor! Die­se Ent­wick­lung gilt es zu ver­ste­ti­gen und zu beschleu­ni­gen.
  • Um mehr exami­nier­te Pfle­ge­kräf­te zu gewin­nen und im Beruf zu hal­ten müs­sen wei­te­re Maß­nah­men ergrif­fen wer­den: Wei­ter­qua­li­fi­zie­rung von Hilfs­kräf­ten zu Fach­kräf­ten, Ange­bo­te an Teil­zeit­be­schäf­tig­te fürs Auf­sto­cken, bes­se­re Ver­ein­bar­keit von Fami­lie und Beruf, Wie­der­ein­stiegs­pro­gram­me, attrak­ti­ve Fort­bil­dungs­an­ge­bo­te, mehr Gesund­heits­för­de­rung am Arbeits­platz, ver­läss­li­che Arbeits­be­din­gun­gen und einen wert­schät­zen­den Umgang der Trä­ger und Füh­rungs­kräf­te mit den Fach­kräf­ten sowie vie­les mehr.
  • Auf­ent­halts­recht für Geflüch­te­te, die in Deutsch­land eine Pfle­ge­aus­bil­dung absol­vie­ren oder erfolg­reich bestan­den haben.
  • Mit Hil­fe digi­ta­ler Mög­lich­kei­ten soll­te die Doku­men­ta­ti­on ver­ein­facht wer­den kön­nen, wodurch sich die Pfle­ge­kräf­te mehr den pfle­ge­be­dürf­ti­gen Men­schen wid­men kön­nen.
  • Um die Pfle­ge nach­hal­tig und soli­da­risch zu finan­zie­ren, schla­gen wir die Bür­ger­ver­si­che­rung vor. Dar­an betei­li­gen sich alle Bür­ge­rin­nen und Bür­ger nach ihren finan­zi­el­len Mög­lich­kei­ten und alle Ein­kom­mens­ar­ten wer­den berück­sich­tigt.
  • Wir wol­len, dass Pfle­ge­be­dürf­ti­ge ein mög­lichst selbst­be­stimm­tes Leben füh­ren kön­nen. Dafür wol­len wir alter­na­ti­ve Wohn­for­men wie gene­ra­ti­ons­über­grei­fen­des Woh­nen und Pfle­ge-WG stär­ker för­dern.