12.09.2014, Plenarrede zum Entwurf des Bundesverkehrshaushaltsplans 2015
Sehr geehrter Frau Präsidentin,
wissen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, und wissen Sie, Herr Minister, was der Vorname „Alexander“ bedeutet? „Alexander“ ist abgeleitet aus dem Griechischen und bedeutet „Der Verteidiger“.
Ich finde, der Name passt zu einem Minister, der meint, seine Maut gegen den Rest der Welt verteidigen zu müssen:
– gegen die EU-Kommission
– gegen den ADAC
– gegen die IHK
– gegen den Koalitionspartner SPD
– zunehmend auch gegen die Schwesterpartei CDU
– und gegen die Mehrheit der Bevölkerung
An diesem Mautmodell gibt es nichts zu verteidigen!
Ob es mit dem Europarecht vereinbar ist, weiß ich nicht. Mit der Vernunft ist diese Maut jedenfalls nicht vereinbar.
Die CSU-Maut bringt viel Bürokratie und wenig Einnahmen.
Gegen den weiteren Zerfall der Verkehrsinfrastruktur kann diese Maut nichts ausrichten. Sie ist ein Tropfen auf den löchrigen Asphalt.
Für den Erhalt der Straßen, Schienen und Wasserwege sind jährlich 7,2 Milliarden Euro zusätzlich erforderlich. Der Bedarf für die Brücken ist in diesem Betrag noch gar nicht enthalten.
Bei den Brücken ist die Situation aber besonders dramatisch: Alleine von den Eisenbahnbrücken sind über 1.000 in einem so erbärmlichen Zustand, dass sie abgerissen und neu gebaut werden müssen. Immer häufiger kommt es zu Langsamfahrstellen und Streckensperrungen. Fahrgästen drohen längere Fahrzeiten und für den Güterverkehr lange und teure Umwege.
Da braucht sich niemand über die Feststellung des Weltwirtschaftsforums zu wundern, wonach die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands unter diesem Verfall der Verkehrswege zunehmend leidet.
Und was macht diese Bundesregierung?
Erstens: Sie veranschlagt eine Bahn-Dividende in Rekordhöhe als Einnahme in ihrem Haushalt. Das, was die Bahn vom Bund für den Erhalt ihrer Anlagen erhält, ist aber bei weitem nicht ausreichend.
Zweitens: Die Bundesregierung erteilt noch vor der Priorisierung im Bundesverkehrswegeplan Baufreigaben für neue Straßen , anstatt bestehende Verkehrswege hinreichend zu unterhalten.
Drittens: Die Bundesregierung möchte im Straßenbau verstärkt auf ÖPP setzen. Wir Grünen teilen die Einschätzung des Bundesrechnungshofes, dass dies uns alle teuer zu stehen kommt. Denn private Investoren wollen Renditen sehen.
Werte, die von Generationen geschaffen wurden, verlottern unter einer solchen Politik weiter.
Sehr geehrter Herr Minister,
wie wäre es mit „Alexander, dem Verteidiger der bestehenden Verkehrsinfrastruktur“?
Gegen uns müssten Sie sich dann nicht mehr verteidigen. Uns hätten Sie mit einer Werte erhaltenden Politik an Ihrer Seite!
Ich fürchte aber, dass Sie eines Tages in die Geschichtsbücher eingehen als der Minister, der sich ewig mit einer unsinnigen Maut beschäftigt hat, darüber hinaus aber viele drängende Themen liegen ließ.
Sie sind der Minister für Mobilität, bei dem Stillstand herrscht:
Wann kommt Bewegung in den Lärmschutz auf der Schiene?
Ein Drittel der Menschen sieht sich Schienenverkehrslärm ausgesetzt.
Doch im Haushalt 2015 steht für Lärmschutz weniger Geld bereit als im laufenden Jahr. Und vor allem zu wenig, um dem enormen Nachholbedarf gerecht zu werden. Das Ziel, den Schienenlärm bis 2020 deutschlandweit zu halbieren, lässt sich so aber leider nicht erreichen. Wir alle reden davon, dass wir mehr Güter auf die Schiene verlagern wollen. Dies setzt aber Akzeptanz bei den Anwohnern der Trassen voraus. Für diese Akzeptanz brauchen wir rasch einen besseren Lärmschutz, vor allem aktiven Lärmschutz.
Wann kommt Bewegung in die Förderung des Radverkehrs?
Im Nationalen Radverkehrsplan wird ein Ziel definiert: Der Radverkehrsanteil soll auf 15 Prozent steigen. Dieser Anteil war bereits zum Zeitpunkt der Zielsetzung nahezu erreicht. Wo bleiben neue, diesmal aber ehrgeizige Ziele? Und wo bleiben die Maßnahmen hierfür? Notwendig sind ausreichend breite Radwegeverbindungen – auch entlang von Bundesfernstraßen. Nur knapp 40% dieser Straßen sind mit Radwegen ausgestattet. Dennoch hält die GroKo am gekürzten Etatansatz für den Radwegebau fest. Dabei ist klar, was zu mehr Radverkehr führt: Gut ausgebaute Wege und sichere Abstellanlagen. Der Bund könnte sich außerdem für eine erleichterte Fahrradmitnahme in Zügen stark machen.
Wann kommt Bewegung in die Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs?
Das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) läuft 2019 aus. Die Kommunen sind ohne eine Nachfolgeregelung nicht in der Lage, die notwendigen Investitionen in die Infrastruktur von S- und Straßenbahnen aufzubringen.
Ähnlich sieht es aus mit den Regionalisierungsmitteln. Deren Niveau entwickelt sich weit unter den tatsächlichen Kostensteigerungen für den Schienennahverkehr.
Für beides haben Sie Lösungen im Koalitionsvertrag angekündigt. Wir warten darauf. Die Zeit drängt!
Sehr geehrter Herr Minister, liebe GroKo,
lassen Sie das mit der CSU-Maut sein!
Weiten Sie stattdessen die LKW-Maut aus.
Stärken Sie mit den Mehreinnahmen den Erhalt der Infrastruktur.
Gehen Sie den Lärmschutz auf der Schiene an.
Schaffen Sie die Grundlagen für mehr Radverkehr.
Und sichern Sie die Finanzierungsgrundlagen für den öffentlichen Nahverkehr!
Beenden Sie den Stillstand!
Leiten Sie endlich eine Werte erhaltende und Ressourcen sparende Mobilitätspolitik ein!