Bundesverkehrswegeplan: Dobrindts Darstellungen und die Wirklichkeit

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B 27 Zuffenhausen

12.05.2016

Von sich sel­ber über­zeugt ist der Mann: Die For­de­rung der Bode­wig-Kom­mis­si­on für den Erhalt der Ver­kehrs­in­fra­struk­tur habe er „über­erfüllt“, behaup­te­te Bun­des­ver­kehrs­mi­nis­ter Dob­rindt bei der letz­ten Ver­kehrs­mi­nis­ter­kon­fe­renz und ver­weist auf den Ent­wurf für den Bun­des­ver­kehrs­we­ge­plan. Fünf wesent­li­che Inno­va­tio­nen ver­fol­ge der BVWP, so der der Mann aus Bay­ern auf der Use­do­mer Kon­fe­renz:

Kla­re Finan­zie­rungs­per­spek­ti­ve, Erhalt vor Neu­bau, Kla­re Prio­ri­tä­ten­set­zung, Eng­pass­be­sei­ti­gung, Brei­te Öffent­lich­keits­be­tei­li­gung.

Was ist da dran? Die ehr­li­che Ant­wort: Nichts!

Kei­ne kla­re Finan­zie­rungs­per­spek­ti­ve

Um es vor­weg zu neh­men: Der Bun­des­ver­kehrs­we­ge­plan ist ein Pla­nungs- und kein Finan­zie­rungs­in­stru­ment. Aber natür­lich gibt es Aus­sa­gen des Bun­des­ver­kehrs­mi­nis­te­ri­ums, wie viel Geld bis zum Ziel­jahr 2030 bereit­ge­stellt wer­den soll. Genannt wer­den 265 Mil­li­ar­den Euro. Dies stimmt aber nicht. Denn 38 Mil­li­ar­den Euro davon sind als sog. „Schlep­pe“ erst in den Jah­ren danach vor­ge­se­hen. Außer­dem sind die Kos­ten der Pro­jek­te jedoch meist zu nied­rig ver­an­schlagt und zukünf­ti­ge Kos­ten­stei­ge­run­gen nicht berück­sich­tigt. Mit dem Geld kann selbst dann, wenn es bereit­ge­stellt wer­den soll­te, längst nicht die ange­ge­be­ne Mas­se an Pro­jek­ten rea­li­siert wer­den.

Der Bun­des­rech­nungs­hof hat bereits gra­vie­ren Män­gel bei den Kos­ten­an­ga­ben für die Pro­jek­te fest­ge­stellt und emp­fiehlt, einen gro­ßen Teil der Stra­ßen­pro­jek­te erneut zu über­prü­fen. Am Ende ist davon aus­zu­ge­hen, dass die Hälf­te der Inves­ti­tio­nen für als vor­dring­lich befun­de­ne Pro­jek­te gar nicht oder erst nach dem Jahr 2030 getä­tigt wird. Dar­un­ter sind auch Inves­ti­tio­nen zur Eng­pass­be­sei­ti­gung.

Weil der Minis­ter das weiß, droht eine mas­si­ve Aus­wei­tung der ÖPP-Finan­zie­rung. Weil Pri­va­te Gewinn ein­strei­chen wol­len und auf dem Kapi­tal­markt nur zu ungüns­ti­ge­ren Kon­di­tio­nen als der Staat an Geld her­an­kom­men, wird das lang­fris­tig teu­rer. Das sagt auch der Bun­des­rech­nungs­hof.

Erhalt vor Neu­bau, aber …

Dies ist zwar nicht ganz falsch. Dob­rindt bleibt aber hin­ter dem tat­säch­li­chen Erhal­tungs­be­darf zurück. Außer­dem dür­fen nach dem gel­ten­den Haus­halts­recht Erhal­tungs­mit­tel für Aus- und Neu­bau umge­schich­tet wer­den. Es kommt also auf den tat­säch­li­chen Voll­zug in der Pra­xis an.

Kei­ne kla­re Prio­ri­tä­ten­set­zung

Dazu ein mehr­fa­cher Wider­spruch: Ers­tens ist der BVWP-Ent­wurf eine erneu­te „Wünsch-Dir-Was“-Auflistung. Jeden­falls im Stra­ßen­bau. Es fehlt der Mut klar zu sagen, was nicht kom­men wird. Statt­des­sen wird fast alles auf­ge­lis­tet. Und inner­halb des Vor­dring­li­chen Bedarfs gibt es kei­ne Prio­ri­sie­rung. Für Baden-Würt­tem­berg bedeu­tet dies, dass es 100 vor­dring­li­che Stra­ßen­bau­pro­jek­te gibt, die beim Land ange­sie­del­te Auf­trags­ver­wal­tung aber kei­ner­lei Hin­wei­se vom Bund dafür bekommt, in wel­cher Rei­hen­fol­ge sie pla­nen soll. Es dro­hen teu­re Pla­nun­gen, die man­gels Finan­zie­rung durch den Bund in den nächs­ten Jahr­zehn­ten nicht umge­setzt wer­den kön­nen. Im Bereich der Schie­nen­we­ge klingt das Gere­de von Prio­ri­sie­rung gera­de­zu zynisch. Denn nur rund 40 Pro­zent der rele­van­ten Pro­jek­te wur­den vom Bund über­haupt bewer­tet. Der Groß­teil wird im „Poten­ti­el­len Bedarf“ geparkt und soll erst in den nächs­ten Jah­ren bewer­tet wer­den. Der BVWP soll aber bereits vor­her von der Bun­des­re­gie­rung und das Schie­nen­aus­bau­ge­setz eben­falls vor­her durch das Par­la­ment ver­ab­schie­det wer­den. Bis 2030 sol­len so wei­ter­hin 55 Pro­zent der Mit­tel für Aus- und Neu­bau in das Stra­ßen­netz inves­tiert wer­den.

Kei­ne Eng­pass­be­sei­ti­gung

Der BVWP-Ent­wurf ist weder kon­se­quent auf die Netz­wirk­sam­keit noch auf die Eng­pass­be­sei­ti­gung aus­ge­legt. Zwar gibt es die Bezeich­nung „E“ für „Eng­pass­be­sei­ti­gung“ inner­halb des Vor­dring­li­chen Bedar­fes. Ob damit aber eine höhe­re Dring­lich­keit ver­bun­den wird lässt das Bun­des­ver­kehrs­mi­nis­te­ri­um offen. Es ist abseh­bar, dass bis zum vor­ge­se­he­nen Ziel­jahr 2030 nicht alle vor­dring­li­chen Maß­nah­men zur Eng­pass­be­sei­ti­gung umge­setzt, teil­wei­se noch nicht ein­mal begon­nen sein wer­den.

Kei­ne brei­te Öffent­lich­keits­be­tei­li­gung

Das Bun­des­ver­kehrs­mi­nis­te­ri­um hat sich zwei Jah­re Zeit gelas­sen, um den Ent­wurf des Bun­des­ver­kehrs­we­ge­plans auf­zu­stel­len. Und dann ist er noch nicht ein­mal fer­tig gewor­den. Über die Hälf­te der Schie­nen­pro­jek­te wur­de noch über­haupt nicht bewer­tet. Die Öffent­lich­keit hat­te sechs Wochen Zeit für Stel­lung­nah­men. Die­ser Zeit­raum wur­de durch die Oster­zeit fak­tisch ver­kürzt. Das sagt alles über die Ernst­haf­tig­keit, mit der die Öffent­lich­keit betei­ligt wur­de.

Vie­le wei­te­re Kri­tik­punk­te an der Dob­rindt­schen Bun­des­ver­kehrs­we­ge­pla­nung habe ich hier nicht genannt. Da gäbe es noch viel zu sagen. Bei­spiels­wei­se, dass damit kei­ner­lei klima‑, umwelt- und ver­kehrs­po­li­ti­schen Zie­le ver­folgt wer­den, son­dern ledig­lich die Ver­kehrs­ent­wick­lung der Ver­gan­gen­heit in die Zukunft fort­ge­schrie­ben wird …