Der Nordostring Stuttgart zeigt die ganze Absurdität des Bundesverkehrswegeplans
Der Nordostring Stuttgart ist eines der überflüssigsten Projekte im Bundesverkehrswegeplan. Zugleich zeigt er einige der vielen gravierenden methodischen Mängel und Widersprüche in der Verkehrswegeplanung auf.
Die Beratungen des Regierungsentwurfes haben begonnen. In vielen Sondersitzungen des Bundestags-Verkehrsausschusses werden die bundesweit mehr als 1.000 Vorhaben erörtert. In Sachen Nordostring Stuttgart habe ich einmal mehr auf den Widerspruch hingewiesen, dass die Befürworter einerseits sagen, man möchte Stuttgart verkehrlich entlasten, man gleichzeitig mit dem geplanten Ausbau der B 10 zwischen Plochingen und Stuttgart aber mehr Verkehr in die Stadt hineinführt und man mit dem Rosensteintunnel auch die Verkehrskapazität innerhalb der Stadt erhöht. Das Bundesverkehrsministerium antwortet darauf regelmäßig, der Rosensteintunnel würde mit Mitteln des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes (GVFG) finanziert und habe mit dem Bundesverkehrswegeplan (BVWP) nichts zu tun. Ja, es ist ein GVFG-Projekt. Aber unsere Aufgabe ist es doch gerade bei der Bundesverkehrswegeplanung, den Gesamtblick einzunehmen und zu schauen, wie verschiedene Verkehrsprojekte sich zueinander verhalten, ob das eine das andere überflüssig macht oder sogar konterkariert. Und hier haben wir eben Projekte, die unterschiedlich wirken und damit in einem Widerspruch zueinander stehen. Wenn ich eine Stadt entlasten möchte, dann muss ich die Kapazität in die Stadt hinein verringern und nicht erhöhen. Die GroKo macht aber genau das. Das Land Baden-Württemberg hat den Nordostring wohlwissend, dass er zu keinen nennenswerten Verkehrsentlastungen in Stuttgart führen würde, nicht für den BVWP angemeldet. Dazu ist der Anteil des Ziel- und Quellverkehrs in Stuttgart viel zu hoch. Wohl aber würde er viel Landschaft zerstören. Da stellt sich die Frage, weshalb der Bund den Straßenneubau, der faktisch einer neuen Autobahn gleichkäme, doch in den BVWP aufgenommen hat – zumal dieser Straße selbst vom Bundesverkehrsministerium keine großräumige Wirkung zugesprochen wird. Seltsam nur, dass der Bund dennoch „übergeordnete Gründe“ für deren angebliche Notwendigkeit angibt. Näher beschreiben konnte er diese Gründe genauso wenig wie er meine Frage, wie hoch denn die Verkehrsentlastung für Stuttgart ausfallen soll, beantworten konnte. Alles in allem verstärkt sich der Eindruck, dass es sich um kein verkehrlich begründbares, sondern um ein rein politisch motiviertes Vorhaben handelt. Weil es aber so stark umstritten ist, traut sich die Befürworterseite nicht konsequent heran. Vielmehr möchte man es im „Weiteren Bedarf“ haben, um denjenigen, die sich davon die Lösung von Verkehrsproblemen versprechen sagen zu können, es sei ja im BVWP enthalten. Zugleich kann man denen, die vor den Umweltauswirkungen und neuen Lärmproblemen warnen sagen, es sei ja nicht in den „Vordringlichen Bedarf“ eingestuft.
Ein Hinweis zu den Straßen im BVWP ohne großräumige Wirkung: In Baden-Württemberg sind gleich 43 Straßen im Vordringlichen Bedarf, die keine großräumige Bedeutung besitzen. Würde es sich um Schienenprojekte handeln, wären sie überhaupt nicht in den BVWP aufgenommen werden (auch nicht in den „Weiteren Bedarf“). Diese 43 Vorhaben haben eine Streckenlänge von 274 Kilometer und sind mit Baukosten von 2,8 Milliarden Euro veranschlagt!