Warum ich zugestimmt habe
Die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie basierten bislang auf dem sehr unbestimmt gehaltenen Infektionsschutzgesetz. Dies brachte mindestens zwei Probleme mit sich: Die Maßnahmen des Bundes und vor allem der Länder waren nicht rechtssicher und das Parlament hatte nicht festgelegt, unter welchen Voraussetzungen die Länder in ihren jeweiligen Infektionsschutzverordnungen in Grundrechte eingreifen dürfen. Weil der Gesetzgeber (das Parlament) den Rahmen der zulässigen Maßnahmen zur Wahrung des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit nicht klar genug abgesteckt hatte, konnten mittels Verordnungen weitreichende Entscheidungen am Parlament vorbei getroffen werden.
Am Entwurf der Koalitionsfraktionen für eine Gesetzesänderung, offenbar in einer Nacht- und Nebelaktion verfasst, hatten wir zahlreiche Kritikpunkte, die wir klar benannt hatten. In einer vierstündigen, öffentlichen Anhörung des Bundestags-Gesundheitsausschusses, an der ich als Beobachter teilgenommen hatte, gab es seitens der meisten Sachverständigen Lob für die Intention und vielfach Kritik an der handwerklichen Qualität des Gesetzentwurfs. Zahlreiche Änderungsanträge der Fraktionen, auch der Regierungsfraktionen, waren die Folge. Die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen konnte in Gesprächen mit den Regierungsfraktionen einige Änderungen erreichen. Der schließlich zur Abstimmung gebrachte Gesetzestext hatte wesentliche Änderungen erhalten.
Einige davon nenne ich hier: Der Zweck der Maßnahmen – Schutz von Leben und Gesundheit sowie Funktionsfähigkeit des Gesundheitswesens – ist näher konkretisiert. Beschränkungen und Untersagungen von Kulturveranstaltungen werden nicht mehr gleichrangig mit Einschränkungen anderer, etwa Freizeitveranstaltungen, genannt und der Verfassungsrang von Kunst und Kultur wird hervorgehoben. Besuchsbeschränkungen in Pflegeeinrichtungen und Kliniken sind nur unter erhöhten Voraussetzungen zulässig. Generelle Ausgangsbeschränkungen sind nicht möglich. Die Bundesregierung hat gegenüber dem Parlament eine Berichtspflicht.
Die Rechtsverordnungen müssen begründet werden und sind grundsätzlich auf vier Wochen zu befristen. Das beschlossene Gesetz ist bis zum 31.03.2021 befristet (analog der „epidemischen Lage von nationaler Tragweite“).
Wir hätten gern weitere Punkte durchgesetzt. Dazu gehören weitere Klarstellungen, dass das Kindeswohl stärkere Berücksichtigung findet. Außerdem sprechen wir uns schon länger für die Einrichtung eines interdisziplinär besetzten wissenschaftlichen Pandemierates aus, der Empfehlungen für eine ins neue Jahr hineinreichende Strategie ausarbeitet.
Insgesamt lässt sich festhalten: Es wurden mit der Gesetzesänderung, anders als von an Unruhe interessierten Kreisen behauptet, keine Grundrechte aufgehoben. Vielmehr müssen sich Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie zukünftig an einem klareren gesetzlichen Rahmen ausrichten. Gerichte können anhand des vom Parlament beschlossenen Rahmens entscheiden, ob Verordnungen zulässig sind.
Auch wenn wir nach wie vor Kritik am Gesetz haben: Mit der nun zur Abstimmung gebrachten, deutlich veränderten Version hat der Bundestag klar gemacht, unter welchen Bedingungen Verordnungen mit dem Ziel des Gesundheitsschutzes erlassen werden können. Der Rahmen für Verordnungen ist konkreter und enger gezogen, Regierungen müssen ihr Handeln stärker begründen und Maßnahmen müssen eng befristet werden. Daher haben wir als Fraktion mit großer Mehrheit zugestimmt und ich habe dies ebenfalls getan.