Im „Bahngespräch“ ging es um die Qualität der Angebote und den Wettbewerb
Meine digitale Bahngesprächsreihe ging in die zweite Runde. Thema war dieses Mal der Schienenpersonennahverkehr (SPNV). Hierzu konnte ich Martin Burkert (EVG), Susanne Henkel (BAG-SPNV, VBB), Jost Knebel (Netinera) und Joerg Sandvoss (DB Regio) für eine Diskussion gewinnen. Nach einer kurzen Begrüßung der Gäste und Zuhörer*innen habe ich kurz die Rolle des Bundes in Bezug auf den SPNV eingeordnet. Obwohl der Nahverkehr von den regionalen Aufgabenträgern bestellt wird und nicht vom Bund, hat dieser trotzdem zum Beispiel über die Infrastruktur, das Gemeindefinanzierungsgesetz und die Höhe der Regionalisierungsmittel einen maßgeblichen Einfluss auf die Qualität im SPNV.
Auf meine eröffnende Frage, wie meine Gäste die Entwicklungen im SPNV in den letzten Jahren beurteilen würden, antworteten alle, dass der zunehmende Wettbewerb das Angebot und die Qualität massiv verbessert hätte. An welchen Stellen man jedoch aus der Vergangenheit lernen müsse, wie Ausschreibungen zukünftig für mehr Innovation auf der Schiene sorgen könnten und was die Branche im Hinblick auf den Deutschlandtakt erwarte, beantworteten meine Gäste wie folgt:
Mit Aktualitätsbezug leitete Jörg Sandvoss ein, indem er sich hocherfreut über die Corona-Hilfen vom Bund zeigt. Anschließend ging er auf den Wettbewerb der letzten 20 Jahre ein, welcher aus seiner Sicht eine „Erfolgsgeschichte“ sei. Auch, weil die Ausschreibungen zu fallenden Preisen geführt hätten. Nun sei man jedoch an einem Punkt, an dem die Preise wieder steigen würden. Gerade jetzt müsse gesichert werden, dass kein Preisdumping auf Kosten der Angebotsqualität stattfände. Hier sei der Bund mit regulatorischen Maßnahmen gefordert. Außerdem sei es dringend notwendig ein Zielbild zu zeichnen, welches kapazitätsorientierten Ausbau von Infrastruktur beinhalte. Um wieder mehr Menschen in die Züge zu holen, müsse ein robusteres System geschaffen werden und Innovation für die Fahrgäste geschaffen werden.
Jost Knebel sieht die positiven Entwicklungen der letzten Jahre dadurch bedroht, dass man infrastrukturseitig bereits an Kapazitätsgrenzen stoßen würde. Um das Angebot auszuweiten und somit stärker im intermodalen Wettbewerb zu werden, müsse dringend in die Infrastruktur investiert werden. Positive Bilanz zog er in Bezug auf den Wettbewerb auf der Schiene. Die abgegebenen Angebote bei Ausschreibungen seien immer wieder sehr nah beieinander. Dies zeige, dass sich mittlerweile ein funktionierender Wettbewerbsmarkt etabliert hätte. Um weiterhin gute Angebote abgeben zu können, müssten bei den Ausschreibungen verstärkt auf Standardisierung gesetzt werden. Eine Fahrzeugflotte mit zu speziellen Anforderungen seitens des Aufgabenträgers ließe sich nach dem Auslaufen des Verkehrsvertrages nur schwer in einem anderen Netzt nutzen.
Susanne Henkel sieht Corona und das aktuell schlechte Bild von vollen Zügen als große Herausforderung. Dieses Bild gelte es so schnell wie möglich wieder zu ändern. Beim Thema Ausschreibungen sieht Henkel den reinen Preiswettbewerb kritisch. Wichtiger sei es, mittels umfangreicher Anforderungen für stetige Innovation zu sorgen. Diese sei notwendig um die Qualität und Kapazität zu steigern. Für die Umsetzung des Deutschlandtaktes fordert Henkel, dass alle Beteiligten mit einbezogen werden müssten. Keinesfalls dürfte dies allein der Deutschen Bahn überlassen werden.
Für Martin Burkert stehen beim Thema Wettbewerb vor allem die Mitarbeitenden im Mittelpunkt. Die Vorzüge des Wettbewerbs seien nicht zu vernachlässigen, trotzdem müsse auf die Beschäftigten geachtet werden. Beispielsweise sei eine Übernahmepflicht bei einem Betreiberwechsel anzustreben. Außerdem mahnte er an, den Fachkräftemangel im Blick zu halten. Alle Eisenverkehrsunternehmen seien in der Verantwortung, diesem entgegenzuwirken. Um ein geschlossenes Netz nicht zu kleinteilig Auszuschreiben, brachte Burkert das Instrument der Direktvergabe ins Spiel.