03.03.2019
Sperrpause der S‑Bahn mit guten Busangeboten füllen!
Der Planfeststellungsabschnitt 1.3 (Anbindung des Flughafens) gilt als bautechnisch und verkehrlich besonders schwierig. Daher war er von Anfang an politisch hochumstritten.
Vorgeschichte
Die Projektpartner Land, Landeshauptstadt Stuttgart, Verband Region Stuttgart, Flughafengesellschaft Stuttgart und (stark eingeschränkt, siehe unten) die Deutsche Bahn waren sich schon in den 1990er-Jahren einig, dass die Fern- und Regionalzüge der Gäubahn (Zürich – Singen – Stuttgart) über den Flughafen fahren und hierzu zwischen der geplanten Rohrer Kurve und dem Flughafen die Bestandsstrecke der S‑Bahn mitnutzen sollen. Der Flughafen beteiligt sich mit 360 Millionen Euro an dieser Anbindung, von der er sich über eine Million zusätzliche Fluggäste pro Jahr verspricht. Die Deutsche Bahn warnte vor dieser Streckenführung und war vom Gesamtprojekt Stuttgart 21 überhaupt nicht begeistert. Im Projektmagazin vom März 2013 heißt es: „In der Öffentlichkeit ist (…) ein merkwürdiger Eindruck entstanden. Jener nämlich, dass die Bahn alle Register zog, um dem Land und der Stadt Stuttgart ein von beiden ungeliebtes Projekt aufzuzwingen. Tatsächlich offenbart die Geschichte, dass es genau umgekehrt war. (…) Wenig später nahm im Bremserhäuschen ausgerechnet die Bahn Platz, die zugespitzt formuliert, von so manchen Politikern aus Stadt, Land und Region alsbald heftig bedrängt wurde. (…) Um die Vision am Leben zu erhalten, flogen Kohorten von Unterhändlern aus Stuttgarter Ministerien nach Berlin, mit dem Ziel, den in der Sache sperrigen Schienenkonzern zur Umsetzung des baden-württembergischen Zukunftsprojekts zu motivieren. Auf die Anfangseuphorie in Stuttgart folgten trotz aller Bemühungen zähe Jahre mit vielen Verhandlungen, die begleitet waren von Durchhalteparolen aus der Politik (…).“
Nach dem Regierungswechsel in Baden-Württemberg wurde der „Filderdialog“ gestartet. Betroffene Kommunen und die Bürgerschaft wurden in drei Sitzungen über den Planfeststellungsabschnitt informiert, es wurden die Antragstrasse und sechs weitere Varianten dargestellt und diskutiert. Schließlich empfahl eine deutliche Mehrheit den Erhalt der Trassenführung der Gäubahn über S‑Vaihingen und gegen eine Anbindung des Flughafens. Protokoll der Ergebnisse des Filderdialogs: https://beteiligungsportal.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/beteiligungsportal/MVI/Filder-Dialog/120707_Filder-Dialog_Dokumentation_ErgebnisseEmpfehlungen.pdf
Die Empfehlung des Filderdialogs entsprach der Position, die auch von uns Grünen immer eingenommen wurde. Wir wollten keinen Mischverkehr und hatten diesen Aspekt daher auch bei der Volksabstimmung über die Landesfinanzierung von Stuttgart 21 vielfach thematisiert. Die Projektpartner konnten sich jedoch nicht darauf verständigen, von der Flughafenanbindung abzusehen. Hierzu wäre eine Änderung des Finanzierungsvertrages, in dem der Leistungsumfang von Stuttgart 21 definiert ist, erforderlich gewesen. Eine solche Änderung ist nur mit Zustimmung aller Projektpartner möglich. Der Druck, zumindest Änderungen im Detail vorzunehmen, war nun aber deutlich gewachsen.
Ursprüngliche Planungen für die Flughafenanbindung
Rohrer Kurve
Züge aus Richtung Zürich/Singen/Böblingen kommend sollen von der Gäubahnstrecke per „Rohrer Kurve“ auf die Bestands-S-Bahn-Strecke zum Flughafen fahren. Die Rohrer Kurve war zunächst niveaugleich vorgesehen. Dies hätte bedeutet, dass ein vom Flughafen kommender Zug nicht gleichzeitig nach Süden auf die Gäubahnstrecke hätte fahren können, wenn eine S‑Bahn aus Stuttgart kommend in Richtung Flughafen gefahren wäre. Ein Zug hätte die Gleisquerung des anderen abwarten müssen (in der Praxis hätte zumeist die S‑Bahn warten müssen). Die Befürchtung war, dass es zu Verspätungen insbesondere im Betrieb der S‑Bahn kommen würde. Nach dem Wechsel in der Landesregierung im Jahr 2011 wurde nach einer anderen Lösung gesucht. Die Projektpartner einigten sich auf eine kreuzungsfreie Variante durch den Bau von Ingenieurbauwerken. Die Anzahl von Trassenkonflikten kann damit deutlich reduziert werden.
Bestandsstrecke und Ausnahmegenehmigung, betriebliche Einschränkungen
Auf der Bestandsstrecke, die für den S‑Bahn-Betrieb errichtet worden war, müssen einige Änderungen vorgenommen werden. So müssen die Gleise etwas weiter auseinandergerückt und zusätzliche Weichen eingebaut werden. Offenbar, weil Konflikte zwischen S‑Bahnen einerseits und Regional- sowie Fernverkehrszügen andererseits befürchtet wurden, war zunächst nur eine bis zum Jahr 2035 befristete Ausnahmegenehmigung für den Betrieb als Mischverkehrsstrecke erteilt worden. Diese Befristung wurde vor wenigen Monaten aufgehoben. Auf meine Frage, weshalb die Befristung plötzlich nicht mehr erforderlich sein soll, wurde mir mitgeteilt, diese hätte zu „Unzuträglichkeiten und Missverständnissen“ geführt. Weiterhin gelten die Vorgaben an das Wagenmaterial, das auf dieser Strecke fahren soll. So dürfen die Züge nicht schneller als 100 km/h und nicht mit eingeschalteter Neigetechnik fahren. Stoppt ein Zug unvorhergesehen auf der Strecke, so muss auch das Gegengleis gesperrt werden.
Weitergehende Info zur Ausnahmegenehmigung: Schriftl. Frage Aufhebung Befristung und Sicherheitsmaßnahmen
Eigentlicher Flughafenanschluss
Vorgesehen war zunächst, dass einer der beiden Bahnsteiggleise ausschließlich durch Regional- und Fernzüge genutzt wird. Hierfür wären Umbaumaßnahmen erforderlich gewesen, da diese Züge eine andere Bahnsteighöhe (55 bzw. 76 cm) benötigen als S‑Bahnen (96 cm). Die S‑Bahnen hätten dann nur noch das südliche Gleis nutzen können – und das im Zweirichtungsverkehr! Es hätte also nur noch eine S‑Bahn am Flughafen halten können und nicht mehr – wie heute – zwei S‑Bahnen gleichzeitig. Verspätungen im S‑Bahn-Verkehr wären die Folge gewesen. Daran hatte sich heftige Kritik entzündet. Nach dem Wechsel in der Landesregierung im Jahr 2011 wurde mit dem „3. Gleis“ eine Lösung vieler, aber längst nicht aller Probleme gefunden. Nördlich, parallel zum bestehenden S‑Bahnhof wird ein zusätzlicher Bahnhof für die Züge der Gäubahn errichtet. Der S‑Bahnhof bleibt damit unangetastet. Der Bau dieses 3. Gleises ist aber aufwändig. Nach den jüngsten Bauablaufplanungen der Deutschen Bahn soll der S‑Bahn-Betrieb an den Flughafen für 12 und der nach Filderstadt sogar 14 Monate eingestellt werden (siehe unten). Allerdings wäre auch für die ursprüngliche Planung eine Streckensperrung zumindest über mehrere Wochen und einzelne Wochenenden erforderlich gewesen. Zwischenfazit: Der Bau des 3. Gleises führt vermutlich zu einer längeren Betriebsunterbrechung der S‑Bahn, birgt daher aber im späteren Betrieb deutlich weniger Konfliktpotential, da für die S‑Bahn beide Gleise im Flughafenbahnhof erhalten bleiben.
Die von der Deutschen Bahn beantragte Planänderung bietet im westlichen Einschleifungsbereich des Flughafenbahnhofs die Möglichkeit einer zusätzlichen Weichenverbindung. Dann werden gleichzeitige Einfahrten aus Richtung Echterdingen nach Gleis 2 des S‑Bahnhofs (meist von der Linie S 3 genutzt) und Ausfahrten aus dem Bahnhof „3. Gleis“ in Richtung Echterdingen möglich. Diese Lösung sollte umgesetzt werden, um das zukünftige Konfliktpotential weiter zu reduzieren.
Zur Frage, welche Bahnverbindungen am Flughafen mit dann insgesamt drei (!) Bahnhöfen entstehen sollen, gibt es hier weitergehende Informationen: https://www.matthias-gastel.de/keine-verkehrsdrehscheibe-am-flughafen/#.XHvPhk18DIU
Sperrpause für die S‑Bahn und Schienenersatzverkehr
Eine längere Sperrpause ist aus meiner Sicht nicht vermeidbar. Ob diese tatsächlich 12 bis 14 Monate andauern muss ist nicht belegt. Ich habe die Deutsche Bahn mehrfach angeschrieben und die Offenlegung entsprechender Bauablaufpläne verlangt. Eine Antwort hierauf steht aus. Zweifelsfrei ist eine einzige Sperrpause „am Stück“ weniger nachteilig als viele einzelne Sperrpausen über einen Zeitraum von mehreren Jahren. Ein vertretbarer Schienenersatzverkehr lässt sich dann besser organisieren und die Fahrgäste wissen, woran sie in diesem einen Zeitraum sind.
Den Bau eines Interimsbahnhofes am Flughafen setzen wir ebenso voraus wie eine betriebsbereite Stadtbahn U 6 am Flughafen und die Etablierung der U 17 zwischen S‑Vaihingen und Flughafen. Die Sperrpause muss außerdem genutzt werden, um Sanierungsarbeiten im Flughafentunnel und Vorbereitungen für die Verlängerung der S‑Bahn nach Neuhausen vorzunehmen.
Konkrete Forderungen an den Schienenersatzverkehr
Wir Grünen wollen nicht alle Schienenersatzverkehre per Bussen über den Busbahnhof Bernhausen, sondern auf den kürzesten Wegen von den Stadtteilen an die Bahn- und Stadtbahnanschlüsse führen. Wir haben dabei auch die Kommunen wie Aichtal im Blick, die über den Bahnhof Bernhausen mit Stuttgart und weiteren Zielen verbunden sind. Entfallende S‑Bahnen schlicht durch Busse zu ersetzen wäre deutlich zu kurz gesprungen. Vielmehr muss es um ein Konzept gehen, das die Fahrgäste dort abholt, wo sie ihre Fahrten antreten und möglichst nah an ihr Ziel bringt.
Unsere Vorschläge im Einzelnen: Die Buslinien 74, 75, 76 und 77 fahren mit verkürzten Takten, also häufiger. Die Schnellbus-Linie X7, die vermutlich bereits ab Dezember 2019 im Halbstundentakt von Harthausen über Bonlanden, Plattenhardt und Stetten und dann die B 27 nach Degerloch fahren soll, ist eine gute Ergänzung zu den verstärkten „Traditionslinien“. „Klassischer Schienenersatzverkehr“ soll vom Busbahnhof Bernhausen zum geplanten Interimsbahnhof „Flughafen/Messe“ und nach Echterdingen fahren.
Um den Bussen ein möglichst schnelles und pünktliches „Durchkommen“ zu ermöglichen, muss an allen relevanten Ampeln die Busbevorrechtigung umgesetzt werden.
Das Verkehrskonzept für den Zeitraum der Sperrzeiten der S‑Bahn sind in einer öffentlichen Informationsveranstaltung vorzustellen und zu publizieren.
Die Grünen im Stadtrat Filderstadt haben hierzu einen Antrag eingebracht.