20.05.2016, leicht ausgebaute Presseerklärung
Der Neckarschifffahrt droht das aus
Die Schiffsschleusen entlang des Neckars befinden sich in einem katastrophalen Zustand. 26 der 27 bis zu 90 Jahre alten Schleusen sind in einer inakzeptablen Verfassung. Dies geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Bundestags-Grünen hervor.
„Mit Sanieren ist es aus zwei Gründen nicht getan. Erstens, weil die Schadensbilder meist so groß sind, dass Ersatzbauten erforderlich werden. Und zweitens weil die Schleusenkammern für moderne Schiffe zu kurz sind. Wenn nicht bald erneuert und verlängert wird, droht das Aus der Neckarschifffahrt“, warnt der Grünen-Abgeordnete Matthias Gastel (Wahlkreis Nürtingen), der Mitglied im Bundestags-Verkehrsausschuss ist. Zugleich wirft er der Politik vor, die Binnenschifffahrt wie auch die Schiene als Verkehrsträger über lange Jahre gegenüber der Straße benachteiligt zu haben. So hat sich die in Heilbronn schiffsseitig umgeschlagene Gütermenge zwischen 1990 und 2015 halbiert. Unter der aktuellen Bundesregierung wird dieser Trend noch massiv befördert: So wurde beispielsweise die LKW-Maut gesenkt und mit dem geplanten Bundesverkehrswegeplan soll einseitig dem Straßenausbau der Vorzug eingeräumt werden.
Bei den Bundeswasserstraßen ist eine Bundesbehörde, die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV), für den Betrieb und die Sanierung der Anlagen verantwortlich. Die Behörde ist seit vielen Jahren im Ingenieursbereich personell unterbesetzt und kann ihre Aufgaben nicht ausreichend erfüllen. Das zeigte sich einmal mehr im vergangenen Jahr: Dem Bund standen 35 Millionen Euro für Investitionen in die Bundeswasserstraße Neckar zur Verfügung. Die Bundesbehörde hat davon jedoch nur 17 Millionen Euro und damit noch nicht einmal die Hälfte abgerufen. Da diese Situation, dass deutlich zu wenig investiert wird, schon seit vielen Jahren anhält, wird der Neckar mit seinen dringend sanierungs- und ausbaubedürftigen Schleusen schon mittelfristig in seiner Funktion als Bundeswasserstraße massiv gefährdet.
Nun hat der Bund die Neckarschleusen zwar für den „Vordringlichen Bedarf“ im Bundesverkehrswegeplan vorgeschlagen. Auf entsprechende Nachfragen des Abgeordneten Matthias Gastel hat die Bundesregierung jedoch keine Hoffnung auf schnelle Abhilfe gemacht. Weil die Erneuerung der zu lange vernachlässigten Schleusenanlagen und der Binnenschifffahrt im Allgemeinen mittlerweile als unwirtschaftlich gilt, soll die Mittelbereitstellung in besonderer Weise von der Verfügbarkeit von Haushaltsmitteln abhängig gemacht werden. „Da der Bundesverkehrswegeplan schon jetzt im Entwurfsstadium deutlich unterfinanziert ist, wird für die Neckarschleusen – wenn überhaupt – wahrscheinlich erst weit nach dem Jahr 2030 Geld bereit stehen. Dann ist es aber zu spät“, schätzt Gastel die Lage düster ein. Dies gilt zumal für den Abschnitt zwischen Heilbronn und Plochingen. Diesen hat die Bundesregierung von der Kategorie B in die Kategorie C abgestuft. Das bedeutet, dass bestenfalls eine Sanierung, keinesfalls aber ein Ausbau der Schleusenkammern vorgesehen ist.
Letzteres ist aber für die Neckarschifffahrt unverzichtbar. Denn kleine Schiffe werden immer unwirtschaftlicher und über kurz oder lang außer Betrieb genommen. Es rechnet sich nicht, den Rhein 600 Kilometer mit vergleichsweise kleinen Schiffen flussauf zu fahren, um dann auf dem 200 Kilometer lang beschiffbaren Neckar einen der dortigen Häfen anzulaufen. Eine Sanierung ohne Schleusenverlängerung wäre eine reine Geldverschwendung.
Die Zukunft der Neckarschifffahrt sieht Matthias Gastel daher düster: „Wenn nicht schnellstens gehandelt wird, und das kann nur die Verlängerung der Schleusen heißen, wird über kurz oder lang kein Güterschiff mehr auf dem Neckar fahren. Eine der leistungsstärksten Regionen des Kontinents wird dann, weil die Schiene nicht alles aufnehmen kann, noch mehr vom Transport per Lkw abhängig. Für die Umwelt, die Belastung der Straßen- wie der Schieneninfrastruktur und die Staulagen auf den Autobahnen wäre dies fatal. Der Bund muss endlich klar Farbe bekennen, die Schifffahrtsverwaltung stärken, Planungsaufträge erteilen und die notwendigen Gelder bereitstellen. Der Ausbau muss bis zum Jahr 2025 abgeschlossen sein, wie es der Bund dem Land in einer Verwaltungsvereinbarung zugesagt hat. Oder die Neckarschifffahrt geht endgültig den Bach hinunter.“