Enttäuschung über künftige Parteifarbe im Verkehrsministerium

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26.11.2021

Viel grüne Handschrift im Verkehrs-Kapitel

Ich kann mei­ne Ent­täu­schung dar­über nicht ver­ber­gen, dass wir Grü­nen nicht das Ver­kehrs­mi­nis­te­ri­um füh­ren wer­den. Im Koali­ti­ons­ver­trag sind jedoch sehr vie­le wirk­lich gute Punk­te ent­hal­ten. Nun muss es dar­um gehen, dass die­se tat­säch­lich umge­setzt wer­den.

Hier in Stich­wor­ten die aus mei­ner Sicht wich­tigs­ten posi­ti­ven Punk­te: Es gibt kla­re Aus­bau­zie­le für den öffent­li­chen Ver­kehr und die Ver­la­ge­rung von Gütern auf die Schie­ne, deut­lich höhe­re Inves­ti­tio­nen in die Schie­ne als in die Stra­ße, der Mas­ter­plan Schie­nen­ver­kehr soll wei­ter­ent­wi­ckelt wer­den, die Tras­sen­prei­se sol­len gesenkt wer­den, die Infra­struk­tur wird gewinn­frei gestellt, deut­lich mehr Stre­cken sol­len elek­tri­fi­ziert wer­den, ein Pro­gramm “schnel­le Kapa­zi­täts­er­wei­te­rung Bahn” soll auf­ge­legt wer­den, Bahn­hofs­pro­gram­me wer­den gebün­delt und gestärkt, still­ge­leg­te Bahn­stre­cken reak­ti­viert, die Regio­na­li­sie­rungs­mit­tel für Regio­nal­ver­kehr der Bahn wer­den erhöht, mehr Ober­zen­tren wer­den an den Fern­ver­kehr ange­bun­den, euro­päi­sche Nacht­zü­ge wer­den geför­dert, die Lkw-Maut wird aus­ge­wei­tet und Mehr­ein­nah­men kom­men nicht mehr. wie bis­her – aus­schließ­lich dem Stra­ßen­bau zugu­te, die Neu­zu­las­sung fos­si­ler Pkw-Ver­bren­ner wird fak­tisch im Jahr 2030 enden, die Lade­infra­struk­tur für E‑Autos und –Lkw wird schnel­ler aus­ge­baut, das Stra­ßen­ver­kehrs­ge­setz und die Stra­ßen­ver­kehrs­ord­nung wer­den auf Umwelt‑, Kli­ma- und städ­te­bau­li­che Zie­le aus­ge­rich­tet, das Rad­we­ge­netz wird aus­ge­baut und Flug­ti­ckets sol­len nicht mehr zum Dum­ping­preis ange­bo­ten wer­den dür­fen.

Vie­le Punk­te sind (noch) unkon­kret (so die Höhe der Regio­na­li­sie­rungs­mit­tel) und bei man­chen wer­den sich Dis­kus­sio­nen dar­um, wie die Umset­zung erfol­gen soll, nicht ver­mei­den las­sen. Letz­te­res gilt für den ver­ein­bar­ten „Infra­struk­tur­kon­sens bei den Bun­des­ver­kehrs­we­gen“. Fest­ge­schrie­ben wur­de ein „Dia­log­pro­zess mit Verkehrs‑, Umwelt‑, Wirt­schafts- und Ver­brau­cher­schutz­ver­bän­den mit dem Ziel einer Ver­stän­di­gung über die Prio­ri­tä­ten bei der Umset­zung des gel­ten­den Bun­des­ver­kehrs­we­ge­plans“. Wir  Grü­ne hal­ten vie­le der 1.360 Stra­ßen­bau­pro­jek­te für über­flüs­sig und auch nicht für finan­zier­bar. Auch der Hin­weis, dass alle kos­ten­re­le­van­ten Ver­ein­ba­run­gen unter Finan­zie­rungs­vor­be­halt ste­hen, ist wich­tig. Bei der Sen­kung der Tras­sen­prei­se wur­de dies selt­sa­mer­wei­se aus­drück­lich erwähnt.

Ein­deu­tig ein Man­ko ist, dass es nur weni­ge Ver­ein­ba­run­gen über den Abbau der öko­lo­gisch schäd­li­chen Sub­ven­tio­nen gibt. Zwar wur­de ganz all­ge­mein fest­ge­hal­ten, dass „über­flüs­si­ge, unwirk­sa­me und umwelt- und kli­ma­schäd­li­che Sub­ven­tio­nen und Aus­ga­ben“ abge­baut wer­den. Meist wur­den nur Prüf­auf­trä­ge fest­ge­schrie­ben, so im Zusam­men­hang mit der Die­sel­be­steue­rung. Die För­de­rung von Hybrid­au­tos soll an stren­ge­re kli­ma­re­le­van­te Kri­te­ri­en gebun­den wer­den. Eine Erhö­hung der Luft­ver­kehrs­ab­ga­be soll „erst nach 2023“ geprüft wer­den (die FDP hat­te deren Abschaf­fung gefor­dert). Schwer ver­dau­bar ist, dass – nach­dem eine all­ge­mei­ne Geschwin­dig­keits­be­gren­zung auf Auto­bah­nen bereits in der Son­die­rungs­ver­ein­ba­rung abge­lehnt wor­den war – Tem­po 30 inner­orts kei­ne Erwäh­nung fin­det. Ob den Kom­mu­nen deren Ein­füh­rung oder Aus­wei­tung mit den ver­ein­bar­ten Ände­run­gen im Ver­kehrs­recht erleich­tert wer­den soll, bleibt unklar.

Wich­tig zur Ein­ord­nung scheint mir noch der Hin­weis zu sein, dass wir mit unse­ren For­de­run­gen nach kon­kre­ten Maß­nah­men für die Ver­kehrs­wen­de in der Par­tei­en­land­schaft weit über­wie­gend allei­ne da ste­hen. Die SPD ist uns hier­bei bes­ten­falls sel­ten eine Hil­fe. Jede denk­ba­re Koali­ti­ons-Kon­stel­la­ti­on fin­det immer mit „Stra­ßen­bau­par­tei­en“ statt.

Wir wer­den in den nächs­ten vier Jah­ren viel zu tun haben, den Koali­ti­ons-Ver­trag mit Nach­druck umzu­set­zen, nach­hal­ti­ge Mobi­li­tät und Logis­tik aus­zu­bau­en und Kli­ma­schutz auch im Ver­kehrs­sek­tor ernst­haft anzu­pa­cken, um Kli­ma­zie­le errei­chen zu kön­nen. Dafür erfor­der­li­che zen­tra­le Punk­te wur­den mit dem Koali­ti­ons­ver­trag gesetzt.

Kon­kre­te Bahn­pro­jek­te und deren Beschleu­ni­gung

Die drei Par­tei­en haben sich bei den Verwaltungs‑, Pla­nungs- und

Geneh­mi­gungs­ver­fah­ren auf zahl­rei­che Maß­nah­men zur schnel­le­ren Umset­zung auch von Schie­nen­pro­jek­ten ver­stän­digt. Dazu gehö­ren frü­hest­mög­li­che und inten­si­ve Öffent­lich­keits­be­tei­li­gun­gen, die enge­re Ver­zah­nung zwi­schen Raum­ord­nungs- und Plan­fest­stel­lungs­ver­fah­ren zur Ver­mei­dung von Dop­pel­prü­fun­gen, die ver­mehr­te Durch­füh­rung von Plan­ge­neh­mi­gungs- statt Plan­fest­stel­lungs­ver­fah­ren, grö­ße­re per­so­nel­le und technische/digitale Kapa­zi­tä­ten bei Behör­den und Gerich­ten sowie zusätz­li­che Sena­te am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt. Begon­nen wer­den soll damit bei fol­gen­den  Schie­nen­pro­jek­ten aus dem Deutsch­land­takt: Ausbau/Neubau der Bahn­stre­cken Hamm-Han­no­ver-Ber­lin, Kor­ri­dor Mit­tel­rhein, Hanau-Würz­bur­g/Ful­da-Erfurt, Mün­chen-Kie­fers­fel­den-Gren­ze D/A, Karls­ru­he-Basel, „Opti­mier­tes Alpha E+“, Ost­kor­ri­dor Süd, Nürn­berg-Rei­chen­bach/­Gren­ze D‑CZ, die Kno­ten Ham­burg, Frank­furt, Köln, Mann­heim und Mün­chen.

Bewer­tun­gen von Umwelt- und Ver­kehrs­or­ga­ni­sa­tio­nen

Umwelt- und Ver­kehrs­ver­bän­de wie der Alli­anz pro Schie­ne und der Bun­des­ver­band Schie­nen­Nah­ver­kehr haben den Koali­ti­ons-Ver­trag gelobt. Sie heben bspw. die Aus­wei­tung der Lkw-Maut, die bes­se­re Finan­zie­rung der Schie­ne und die Erhö­hung der Regio­na­li­sie­rungs­mit­tel her­vor. Natür­lich gibt es auch Kri­tik, so dass zu zöger­lich an den Abbau öko­lo­gisch schäd­li­cher Sub­ven­tio­nen her­an gegan­gen wird und vie­le Punk­te zu vage for­mu­liert sind.

Der ADFC begrüßt, dass sich die Koali­ti­ons­par­tei­en zur Ver­kehrs­wen­de und zur För­de­rung des Rad­ver­kehrs beken­nen und dass es laut Ver­trag eine Finan­zie­rung bis 2030 für lücken­lo­se, nut­zer­freund­li­che Rad­we­ge­net­ze geben sol­le.