01.06.2019
Kosten von S 21 und Probleme auf den Fildern im Fokus
Kostenprobleme bei Stuttgart 21 werden von der Bundesregierung einmal mehr elegant umschrieben und verharmlost. Auf den Fildern muss nach wie vor befürchtet werden, dass die Züge der Gäubahn die S‑Bahnen aus dem Takt bringen.
Die Aussage der Bundesregierung in der Antwort auf eine Kleine Anfrage unserer Fraktion, “Es sind Preissteigerungen zu verzeichnen”, bedeutet, dass der Puffer angegriffen werden muss. In ihrer Antwort auf meine mündliche Frage wurde die Bundesregierung deutlicher: „Bei den derzeitigen Ausschreibungen ist davon auszugehen, dass aufgrund der steigenden Baukosten in Deutschland – die Preise sind zum Teil 30 Prozent und mehr angestiegen – mit einer deutlichen
Mehrbelastung zu rechnen ist.“ Der Finanzierungsrahmen wurde im Januar 2018 vom Aufsichtsrat der DB auf 8,2 Milliarden Euro, inklusive eines Puffers in Höhe von 500 Millionen Euro – festgesetzt. Es ist davon auszugehen, dass der Puffer inzwischen ausgeschöpft ist und sich der nicht finanzierte Kostenanteil (finanziert sind 4,5 Milliarden Euro) entsprechend erhöhen wird. Die Rolle der Bundesregierung in Sachen Kostenkontrolle bleibt unterdessen weiter unklar. Die Tatsache, dass Mitglieder der Bundesregierung im Aufsichtsrat vertreten sind – darauf verweist die Bundesregierung ohne nähere Aussagen – ist noch keine Garantie dafür, dass der Bund seiner Pflicht für die Kostenkontrolle nachkommt. Mit vertraglich gebundenen Mitteln in Höhe von 4,2 Mrd. € ist der finanzierte Betrag in Höhe von 4,5 Mrd. € praktisch erreicht. Die Deutsche Bahn (DB) hat das Land auf Übernahme von Mehrkosten verklagt. Bisher sind der DB hierfür Anwaltskosten in Höhe von 3,3 Millionen Euro entstanden.
Mein Kommentar zu den Kosten:
“Es wird immer ärgerlicher, dass das Projekt nicht gestoppt wurde, als es dafür noch nicht zu spät war. Gleichgültig, ob die nächste Kostenüberschreitung morgen, übermorgen oder nächste Woche eingestanden wird: Es ist klar, dass die 8,2 Milliarden Euro bei weitem nicht ausreichen werden. Damit werden bald mehr als die Hälfte der Kosten nicht finanziert sein. Statt noch weitere Millionen an unsinnigen Anwaltskosten für die Klage der DB gegen das Land auflaufen zu lassen, sollte endlich der Bund eingreifen und erklären, welchen Anteil an den Mehrkosten er zu finanzieren bereit ist. Er wollte das Projekt unbedingt und darf sich nun nicht aus der Verantwortung stehlen.”
Filder-Abschnitt
In unseren Fragen zum Planfeststellungsabschnitt 1.3b (Rohrer Kurve über Echterdingen zum Flughafen) ging es uns um die Ausnahmegenehmigung, mit der Regional- und Fernzüge über die S‑Bahn-Strecke fahren können sollen. Diese Ausnahmegenehmigung war bis zum Jahr 2035 befristet, bis kürzlich die Befristung aufgehoben wurde. Ich hatte schon mehrfach nach den Gründen für die Entfristung der Ausnahmegenehmigung gefragt. Geantwortet wurde mir, die Befristung habe zu „Unzuträglichkeiten und Missverständnissen“ geführt. Was genau darunter zu verstehen sein soll hatten wir die Bundesregierung in der neuerlichen Anfrage gefragt. Antwort: Die DB habe gedacht, sie dürfe über 2035 hinaus dort nicht mehr fahren. Das ist aber natürlich völliger Unsinn!
Aus der mir auf Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes bereitgestellten Aufhebung der Befristung der Ausnahmegenehmigung Antwort BMVI_IFG Ausnahmegenehmigung Teilstrecke Leinfelden_Flughafen Stuttgart ergibt sich: Die DB Projekt Stuttgart-Ulm GmbH hatte die Entfristung beantragt. Die Aufhebung der zeitlichen Befristung wird ersetzt durch eine Verpflichtung, wonach der Betreiber der Infrastruktur nach fünf sowie nach 15 Jahren nach Inbetriebnahme Erfahrungsberichte über den Mischverkehr vorlegen muss. Wortwörtlich heißt es in der Entscheidung des Bundesverkehrsministeriums: „Diese Erfahrungsberichte haben über die Meldungen und Untersuchungen von Unfällen und gefährlichen Ereignissen hinaus zu gehen, die nach gesetzlichen und untergesetzlichen Vorschriften erforderlich sind.“ Aus meiner Nachfrage wird deutlich: Der Bund schreibt eine Berichtspflicht vor, weiß aber nicht, welche Konsequenzen es haben kann, wenn darin negative sicherheitsrelevante Feststellungen getroffen werden. Das ist seltsam! Der Bund behält es sich übrigens vor, seine Entscheidung „zu ändern, zu ergänzen oder zusätzliche Maßnahmen zu verfügen.“
Die bisher in der befristeten Ausnahmegenehmigung enthaltenen Auflagen gelten weiter. Hierunter fällt die Begrenzung der Streckengeschwindigkeit auf maximal 100 Stundenkilometer (keine Änderung gegenüber der bisher zulässigen Höchstgeschwindigkeit). Züge mit Neigetechnik müssen diese ausschalten. Das Ausschalten der Neigetechnik ist nach Aussagen der Bundesregierung mit keinen Zeitverzögerungen im Betriebsablauf verbunden. Was wir jetzt genau wissen: Auch S‑Bahnen müssen bei “unvorhergesehenem Halt” eines Zuges auf dem Gegengleis halten. Damit wird der S‑Bahn-Betrieb häufiger und stärker negativ beeinträchtigt, als es bisher anzunehmen war.
Mein Kommentar zum Flughafenanschluss:
“Der Beschluss, die Gäubahnzüge über den Flughafen zu führen, wird noch zu sehr viel Ärger führen. Denn die zusätzlichen Züge auf der S‑Bahn-Trasse werden die S‑Bahnen immer wieder ausbremsen. Ich erwarte von der Deutschen Bahn, dass diese Strecke einer detaillierten Betriebssimulation auf Grundlage des kürzlich vorgestellten Zielfahrplans 2030 unterzogen wird. Die Menschen auf den Fildern sollten wissen, was auf ihre S‑Bahn zukommt.”