Im Rahmen der diesjährigen Naturschutztage Radolfzell der beiden Umwelt- und Naturschutzverbände BUND und NABU[1] nahm ich an einer Exkursion in eine Kiesgrube teil. Es ging um dezentrale Rohstoffgewinnung, mögliche Konflikte und auch Chancen für den Naturschutz.
Diese Exkursion war eine von 11, die zeitgleich stattfanden. Etwa 40 Teilnehmer*innen der Naturschutztage hatten sich ebenfalls für die Fahrt in die Kiesgrube angemeldet. Diese liegt im Stadtwald Radolfzell, aber auf Gemarkung der Stadt Singen. Begonnen wurde die Kiesgewinnung hier vor 20 Jahren in Trockenabbau. Heute wird mit einem 330 Tonnen schweren Schwimmbagger im Nassabbau gearbeitet. Der Bagger holt den Kies aus einer Tiefe von bis zu 90 Metern aus der mit Grundwasser gefüllten Grube. Die Abbaufläche ist insgesamt (inklusive genehmigter Erweiterungsfläche) 120 Hektar groß und das hiesige Kiesvorkommen reicht für etwa 80 Jahre. Damit handelt es sich um eine der größeren Abbauflächen. Beliefert werden Baustellen im Umkreis von bis zu 40, maximal auch mal 50 Kilometer. Dies berichteten uns der Senior- und der Juniorchef des Unternehmens Meichle und Mohr, das vor 100 Jahren gegründet wurde und nun in vierter Generation geführt wird. Mit beiden Chefs konnte ich auch direkt sprechen. Sie erklärten, dass wo Kies vorkommt, immer auch Sand mitgefördert wird. Das Mischungsverhältnis jedoch ist regional unterschiedlich. In Baden-Württemberg sei man „steinreich und sandarm“. Große Steine werden gebrochen zu Schotter oder gar zu Sand, der als Bausand verwendet werden kann. „Bei uns verkommt nichts. Jeder Krümel wird verwendet,“ so der Seniorchef. Er lobte auch die inzwischen sehr gute Zusammenarbeit mit dem Nabu und erinnerte an frühere Zeiten, als noch so manche Kämpfe rund um den Naturschutz ausgefochten wurden. Zwar würde der Kiesabbau das gewohnte Landschaftsbild auf Dauer verändern. Aber zunächst müsste schon im Vorfeld ein Waldausgleich 1:1 erfolgen. Entweder müsste anderswo ein neuer Wald entstehen oder ein bestehender Wald aufgewertet werden. Auf dem Gelände würden zahlreiche Biotope entstehen. So seien in der besichtigten Grube Kreuzkröte, Eidechsen, Flussregenpfeifer, Laufkäfer und weitere selten gewordene Arten anzutreffen, wo der Abbau abgeschlossen sei und die betreffenden Flächen der Natur überlassen worden seien. In den Steilwänden waren die Höhlen der Uferschwalbe zu sehen. Die Unternehmensvertreter waren daher überzeugt: Rohstoffgewinnung und Natur- und Artenschutz müssen nicht zwangsläufig im Gegensatz zueinanderstehen. Von den Naturschützerinnen und Naturschützern, die an der Exkursion teilgenommen hatten, war kein Widerspruch zu vernehmen. Wir sprachen auch über den Schutz des Trinkwassers. Dafür muss sichergestellt werden, dass mögliche Verunreinigungen des Wassers in der Kiesgrube frühestens nach 100 Tagen im Trinkwasser ankommen können, um noch Vorkehrungen treffen zu können.
Gesprächsgegenstand war auch der Einsatz von schwimmenden Photovoltaik-Anlagen auf dem See. Dafür gibt es noch kaum Referenzprojekte, aber strenge Vorgaben seitens des Bundes. So darf nur maximal ein Fünftel der Seen mit den Modulen belegt werden und es muss ein 40 Meter großer Abstand zum Ufer eingehalten werden. Für den zweiten Abbauabschnitt der Kiesgrube wird PV gleich mit zur Genehmigung beantragt, kündigten die Unternehmensvertreter an. Sie würden lieber 25 bis 30 Prozent der Seefläche nutzen.
Kaum weiter als einen Steinwurf von der Kiesgrube entfernt schauten wir uns noch auf einer Anlage für Baustoffrecycling desselben Unternehmens um. Wir sprachen dort über den hohen Anteil, zu dem Abbruchmaterialen wieder verwertet werden (95 Prozent), über die Zurückhaltung auch öffentlicher Auftraggeber beim Einsatz von Recycling-Beton und die besonders großen Schwierigkeiten mit Recycling von Sand. Ein Großteil des Recyclingmaterials kommt im Straßen-/Wegebau zum Einsatz. Thema war auch die Personalsituation des Unternehmens mit rund 400 Beschäftigten (Nachwuchssorgen).
[1] BUND: Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland; NABU: Naturschutzbund Deutschland