Offener Brief an die Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB):
04.09.2014
Fahrradmitnahme in Fahrzeugen der SSB
Sehr geehrter Herr Arnold,
die Mitnahme von Fahrrädern in öffentlichen Verkehrsmitteln trägt dazu bei, dass Menschen individuell und schnell, aber dennoch umweltfreundlich und klimaschonend mobil sein können. Zumal im Berufs- wie im Freizeitverkehr verstärkt unterschiedliche Verkehrsmittel kombiniert werden.
Leider fördern die Regelungen der SSB für die Fahrradmitnahme diesen erfreulichen Trend nicht ausreichend. Den größten Nachteil haben die Bewohner von Orten, welche nur mit Buslinien angeschlossen sind, weil in den Bussen der SSB die Fahrradmitnahme nicht gestattet ist. Im VVS-Gebiet gibt es allerdings sehr wohl Buslinien (z. B. die der END im Landkreis Esslingen), in denen Fahrräder im Grundsatz mitgenommen werden dürfen. Dies zeigt, dass eine Fahrradmitnahme in der Praxis gut realisierbar sein kann. Positiv zu erwähnen ist das Pilotprojekt in Winnenden, bei dem technische Vorrichtungen zur Mitnahme von bis zu 10 Fahrrädern pro Bus getestet werden.
Kompliziert und unlogisch sind die unterschiedlichen Regelungen für Bus, Stadtbahn und S‑Bahn, gerade auch für Menschen, welche nicht in Stuttgart oder der Region wohnen oder nur ab und zu ihr Fahrrad in öffentlichen Verkehrsmitteln mitnehmen wollen. Es ist meiner Meinung nach nicht nachvollziehbar, weshalb man in der S‑Bahn morgens und nachmittags zu den Berufsverkehrszeiten das Fahrrad mit einem Kinderfahrschein mitnehmen darf, während in der Stadtbahn in diesem Zeitkorridor die Mitnahme untersagt ist. Besonders in den neuen Stadtbahnen (die ich an dieser Stelle ausdrücklich lobe!) ist ausreichend Platz für Fahrräder, Kinderwägen und Rollstühle.
In den S‑Bahnen ist es leider so, dass diese häufig keinen Wagen mitführen, in dem die Fahrradmitnahme durch entsprechende Kennzeichnung an der Türe gestattet ist. Dies kann zu vermeidbaren Irritationen und Konflikten führen.
Keinesfalls darf die Fahrradmitnahme zu Lasten der Mitnahme von Rollstühlen und Kinderwägen erfolgen. Selbstverständlich müssen diese im Falle eines unzureichenden Platzangebotes Vorrang haben und die Fahrgäste sollten immer wieder darauf hingewiesen werden.
In Stuttgart und der Region ist ein schwerwiegendes Argument für die möglichst weitreichende Ermöglichung der Fahrradmitnahme in öffentlichen Verkehrsmitteln die topographische Situation. Durch Steigungen auf einigen Strecken ist es für die Menschen hier besonders attraktiv, ihr Fahrrad auf einem Teil ihres Weges in den öffentlichen Verkehrsmitteln mitzunehmen.
Werktags nutzen die Menschen innerhalb des VVS-Gebietes Bus und Bahn sowie Fahrrad schon relativ häufig. Am Wochenende ist das leider noch nicht der Fall. Sonntags ist der Anteil der Menschen, die Bus und Bahn nutzen, nicht einmal halb so hoch wie werktags. Deshalb halte ich es für sinnvoll, den Freizeitverkehr mit öffentlichen Verkehrsmitteln attraktiver zu gestalten. Dazu gehört auch die Fahrradmitnahme in den öffentlichen Verkehrsmitteln. Der SSB eröffnet sich die Chance, am Wochenende mehr Fahrgäste zu gewinnen.
Als Filderstädter muss ich nochmals auf ein besonderes Ärgernis hinweisen: Die Stadt finanziert die Stadtbuslinie 37. Obwohl diese von einem Privatunternehmen, aber im Auftrag der SSB gefahren wird, ist die Fahrradmitnahme ausgeschlossen. Die Stadt darf also die Leistung, die für ihr eigenes Geld erbracht wird, nicht selber definieren. Hier zeigt sich, wie absurd der Ausschluss der Fahrradmitnahme in den Bussen bei der SSB ist.
Insgesamt halte ich das Konzept zur Fahrradmitnahme bei der SSB für verbesserungsfähig und habe folgende Vorschläge:
Grundsätzlich kostenlose Mitnahme von Fahrrädern in allen S‑Bahnen, Stadtbahnen und Bussen; Einheitliche Ausnahmeregelung: Von Montag bis Freitag zwischen 6 und 8.30 Uhr muss ein Kinderfahrschein für das Fahrrad gelöst werden, da die Kapazitäten vor allem kurzfristig nicht beliebig erhöht werden können.
- S‑Bahnen müssen immer mindestens in einem Wagen die Fahrradmitnahme ermöglichen – entweder durch Positivkennzeichnung (Fahrradsymbol) an der Türe oder durch Entfernung vorhandener Negativkennzeichnungen (durchgestrichenes Fahrradsymbol).
- Förderung von technischen Innovationen, welche das Platzangebot in Fahrzeugen so flexibel wie möglich nutzbar machen (z. B. Klappsitze, breite Türen ohne Mittelstange)
- Auf Linien mit starker Nachfrage nach Fahrradmitnahme Einsatz von Bussen mit Fahrradmitnahmemöglichkeit am Wochenende, besonders im Sommerhalbjahr
- In einigen Regionen Deutschlands werden aus Bussen mit starker Nachfrage nach Fahrradmitnahme während der Sommerferien Sitze ausgebaut, um Platz zu gewinnen (und gezielt den Fahrradtourismus zu fördern)
Ich freue mich, wenn sich die SSB für die Fahrradmitnahme in Bussen öffnen und innerhalb des VVS-Gebietes einheitliche, den öffentlichen Nahverkehr und den Radverkehr gleichermaßen fördernde Regelungen gefunden werden.
Mit freundlichen Grüßen