Fahrverbote in Stuttgart: Schwieriger Weg zu mehr Lebensqualität

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22.02.2017, Gast­bei­trag im FOCUS

Ab dem kom­men­den Jahr wer­den sich Fah­rer von älte­ren Ben­zi­nern und von nicht ganz moder­nen Die­sel­fahr­zeu­gen in Stutt­gart auf Beschrän­kun­gen ein­stel­len müs­sen. Die Poli­tik hat sich ange­sichts anhal­tend gesund­heits­ge­fähr­den­der Luft­schad­stoff­kon­zen­tra­tio­nen, aber auch auf­grund zu erwar­ten­der Gerichts­ur­tei­le, zu die­sem Schritt ent­schlos­sen. Dass Grün und Schwarz in Baden-Würt­tem­berg sich auf einen gewiss alles ande­re als ein­fa­chen und popu­lä­ren Schritt geei­nigt haben ist ein gutes Zei­chen für die Hand­lungs­fä­hig­keit der Poli­tik.

Ab 2018 sol­len an Tagen des Fein­staub­alarms Fahr­be­schrän­kun­gen für Tei­le der Stadt Stutt­gart gel­ten. Ab dem Jahr 2020 sol­len Fahr­zeu­ge, die bestimm­te Umwelt­vor­aus­set­zun­gen nicht erfül­len, in Stutt­gart über­haupt nicht mehr fah­ren dür­fen. Für die kon­kre­te Umset­zung gibt es zwei Vari­an­ten. Die „Vari­an­te Dob­rindt“ lau­tet, dass bun­des­weit in den betref­fen­den Gebie­ten zunächst alle Fahr­zeu­ge mit Ver­bren­nungs­mo­tor nicht mehr fah­ren dür­fen und die Län­der oder Regio­nen dann Aus­nah­men davon defi­nie­ren. Dies ist zwar auf bestehen­der Rechts­grund­la­ge mög­lich, hät­te jedoch zur Fol­ge, dass die kon­kre­ten Aus­ge­stal­tun­gen über­all in der Repu­blik anders aus­se­hen. Daher for­dern Grün und Schwarz im Land in einer Bun­des­rats­in­itia­ti­ve die blaue Pla­ket­te. Die­se Vari­an­te ist von einer Ent­schei­dung auf Bun­des­ebe­ne abhän­gig, wür­de dafür aber zu einer bun­des­weit ein­heit­li­chen Rege­lung statt zu einem Fli­cken­tep­pich unter­schied­lichs­ter Fahr­be­schrän­kun­gen füh­ren.

Wie konn­te es über­haupt dazu kom­men, dass der­ar­ti­ge Schrit­te unter­nom­men wer­den? Was jetzt mas­siv zurück­schlägt ist die unhei­li­ge Alli­anz zwi­schen der Auto­mo­bil­in­dus­trie und gro­ßen Tei­len der Bun­des­po­li­tik. All­zu ger­ne haben die­se gemein­sam Druck auf Brüs­sel aus­ge­übt, um die EU-Grenz­wer­te für Fahr­zeug­emis­sio­nen auf hohem Maß zu belas­sen und an inak­zep­ta­blen Test­me­tho­den fest­zu­hal­ten. Was bei­de nicht berück­sich­tigt haben: Das, was die Fahr­zeu­ge aus­sto­ßen durf­ten, hat immer weni­ger mit dem zusam­men­ge­passt, was an Schad­stoff­be­las­tun­gen in der Umge­bungs­luft zuläs­sig ist. Ken­ner der Mate­rie sagen, dass die zuläs­si­gen Emis­si­ons­wer­te für Autos um bis zu zehn Jah­ren hin­ter den Immis­si­ons-Grenz­wer­ten hin­ter­her­hin­ken. Das, was sich für die Auto­mo­bil­in­dus­trie zunächst als erfolg­rei­cher Lob­by­is­mus dar­stell­te, geht jetzt voll nach hin­ten los.

Mit­ver­ant­wort­lich für die im wahrs­ten Sin­ne des Wor­tes ver­fah­re­ne Situa­ti­on sind jedoch auch die Auto­fah­ren­den selbst. Rund die Hälf­te aller Auto­fahr­ten fin­det auf Distan­zen von weni­ger als fünf Kilo­me­tern statt und ist damit häu­fig auch zu Fuß, mit dem Fahr­rad oder zuneh­mend dem E‑Bike zu bewäl­ti­gen. Selbst der ADAC gibt zu Pro­to­koll, „dass es oft­mals kei­nen Sinn macht, mit dem Auto in die Stadt zu fah­ren“. Appel­le, bei Fein­staub­alarm frei­wil­lig das Auto ste­hen zu las­sen, haben in der Regi­on Stutt­gart bis­lang kaum gefruch­tet.

Nun also die Ein­schrän­kun­gen. Doch kann das alles sein? Nein! Es wur­de viel unter­nom­men, um die Alter­na­ti­ven zum Auto zu stär­ken und noch viel mehr steckt in der Pipe­line. S‑Bahnen wur­den ver­län­gert und die Tak­te in den Tages­rand­zei­ten ver­dich­tet. Auch die Stadt­bah­nen fah­ren Son­der­schich­ten. Halb­stün­dig fah­ren­de regio­na­le Express­bus­li­ni­en wur­den ein­ge­führt. Rad­we­ge wur­den aus­ge­baut und Rad­schnell­we­ge befin­den sich in Pla­nung. Ab Dezem­ber 2017 wer­den Metro­pol­ex­press­zü­ge bei­spiels­wei­se von Horb und Schwä­bisch Hall aus das bestehen­de Bahn­an­ge­bot ver­stär­ken. Und schließ­lich sind Erwei­te­run­gen des Bahn­net­zes nach Calw und Neu­hau­sen auf den Fil­dern vor­ge­se­hen. Die Alter­na­ti­ven zum Auto wer­den also Schritt für Schritt attrak­ti­ver.

Am Ende wer­den Stutt­gart und die Regi­on gewin­nen. Die Lebens- und Auf­ent­halts­qua­li­tät für Bewoh­ner wie Gäs­te wird durch weni­ger belas­ten­den Ver­kehr deut­lich höher sein als heu­te.